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DDR von A-Z, Band 1960

Reparationen (1960)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Obwohl der Umfang der von Deutschland zu leistenden R. praktisch erst mit dem Industriebeschränkungsplan vom März 1946 von den vier Alliierten festgelegt wurde, führte die SU bereits vor diesem Zeitpunkt in der SBZ umfangreiche Demontagen durch, von denen nicht bekannt ist, ob die Gegenwerte dem Reparationskonto gutgeschrieben wurden. Eine Abrechnung über die Entnahmen ist bis heute noch nicht veröffentlicht worden. Sie wird kaum jemals erfolgen, da die Sowjets im Widerspruch zum Potsdamer Abkommen ohne Zustimmung der Westalliierten ungeheure Entnahmen aus der laufenden Produktion forderten.

 

Nach Unterlagen aus dem sowjetzonalen Amt für R. und nach Schätzungen westlicher Experten wurden von den Sowjets seit 1945 bis 1953, d. h. bis zur offiziellen Beendigung sowjetzonaler Reparationsleistungen an die SU, Werte in folgender Form und Höhe entnommen:

 

a) Beuteaktionen: Die Besetzung Ost- und Mitteldeutschlands durch die Rote Armee war mit einem rücksichtslosen Beutezug verbunden. Ohne irgendwelche Registrierung wurden riesige Sach- und Kunstwerte aus öffentlichem und Privatbesitz beschlagnahmt und ostwärts verfrachtet. Ferner erbeuteten die Sowjets Mrd.-Beträge an Reichsbanknoten, mit denen sie später deutsche Lieferungen und sonstige Leistungen „bezahlten“. Der Wert der bei den Beuteaktionen entnommenen Gegenstände wird auf etwa fünf Mrd. Mark geschätzt; die Menge der erbeuteten Banknoten muß mit ebenfalls mindestens fünf Mrd. Mark angenommen werden.

 

b) Demontagen. Die Sowjets hielten sich nicht daran, kriegswichtige Industrien zu entfernen, sondern demontierten und beschlagnahmten auch für die Friedenswirtschaft unentbehrliche industrielle Kapazitäten.

 

[S. 347]Folgende Abschnitte der Demontagen sind erkennbar:

 

1. Welle vom Mai bis Anfang Juli 1945. Bis zum Beginn der Besetzung Berlins durch alle vier Alliierten räumten die Sowjets hier alle in dieser kurzen Zeit nur irgend demontierbaren Fabriken, vor allem in West-Berlin, aus. Etwa 460 Berliner Betriebe wurden von den Sowjets voll demontiert und abtransportiert, davon 149 Betriebe des Maschinen- und Apparatebaues, 51 Metallurgiebetriebe, 46 Betriebe der Feinmechanik und Optik und 44 Betriebe der Elektroindustrie. Etwa 75 v. H. der bei der Kapitulation noch vorhandenen Kapazitäten wurden betroffen.

 

2. Welle vom Anfang Juli bis Herbst 1945. Hiervon wurden industrielle Großbetriebe der ganzen Zone ebenso wie mittlere und kleinere Werke betroffen. Zu dieser Zeit begann auch der Abbau der zweiten Gleise auf sämtlichen Eisenbahnstrecken der Zone. Wieder wurden Produktionskapazitäten von Friedensindustrien abgebaut: Braunkohlenindustrie, Ziegeleien, Textil- und Papierfabriken, Zuckerfabriken usw.

 

3. Welle vom Frühjahr bis Spätsommer 1946. Nach einer vorbereiteten Liste wurden weit mehr als 200 große Industriebetriebe der chemischen Industrie, der Papierindustrie, Schuhfabriken, Textilwerke usw. demontiert.

 

4. Welle Oktober 1946 bis Frühjahr 1947. Obwohl Marschall Sokolowski bereits am 21. 5. 1946 die Demontagen für abgeschlossen erklärt hatte, setzte einige Monate später eine vierte Welle ein, von der z. B. die Zeiss-Werke Jena, Kraftwerke, Druckereien und einige Rüstungsbetriebe, die bis dahin für die Sowjets weitergearbeitet hatten, betroffen wurden.

 

5. Welle Herbst 1947. Nach einem weiteren halben Jahr wurden nochmals wichtige Betriebe der Friedensindustrie abgebaut: Braunkohlenwerke, Brikettfabriken, Kraftwerke und weitere 1100 km Eisenbahngleise.

 

6. Welle Frühjahr 1948. Bei dieser vorläufig letzten Welle wurden 3 Betriebe, die vorher zu SAG-Betrieben erklärt worden waren, voll oder zum Teil demontiert, darunter Anlagen des Buna-Werkes in Schkopau. (Sowjetische Aktiengesellschaften)

 

Von den Demontagen wurden oft auch solche Betriebe betroffen, die inzwischen durch die deutschen Arbeiter wieder in Gang gebracht worden waren. Der „Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung“ gibt in seiner 1951 veröffentlichten Schrift „Am Abend der Demontagen“ u. a. folgende Demontageverluste der SBZ im Vergleich zum Jahre 1936 an: Walzwerke 82 v. H., eisenschaffende Industrie 80 v. H., Hohlziegelerzeugung 75 v. H., Zementindustrie 45 v. H., Papiererzeugung 45 v. H.. Energieerzeugung 5 v. H., Schuhindustrie 30 v. H., Textilindustrie 25 v. H., Zuckererzeugung 25 v. H., Braunkohlenbergbau 20 v. H., Brikettfabriken 19 v. H.

 

Als gewogenen Durchschnitt für alle Industriezweige gibt die Quelle etwa 50 v. H. Verluste an, wobei Kriegsschäden einbezogen sind. Der Gesamtwert der Demontagen wird auf 5 Mrd. Mark geschätzt.

 

c) Ausgabe von Besatzungsgeld. Die Summe des verausgabten sowjetischen Besatzungsgeldes wird auf 12 Mrd. Mark geschätzt. Nur ein Teil davon wurde für eigentlichen Besatzungsunterhalt verwendet. Der weitaus größte Teil des Geldes wurde für den „Kauf“ solcher Güter verwendet, die die Sowjets außer den offiziellen Reparationen zu erhalten wünschten. Mit diesem Gelde wurden die zahlreichen in der SBZ tätigen sowjetischen Handelsgesellschaften und anfangs auch der Milliardenbeträge verschlingende Uranbergbau für die Sowjets finanziert. Von 1947 bis 1953 sind allein für den Uranbergbau 7,75 Mrd, Mark aufgewendet worden.

 

d) Beschlagnahme von Betrieben als SAG-Betriebe. 213 Betriebe der SBZ wurden 1946 von der SU beschlagnahmt und als SAG-Betriebe fortgeführt, über den Wert dieser Betriebe liegen keine amtlichen Unterlagen vor. Als Mindestwert wird von Fachleuten die Summe von 2,5 Mrd. Mark geschätzt. Sie dürfte tatsächlich jedoch wesentlich höher liegen und möglicherweise das Zwei- bis Dreifache davon ausmachen. Der Preis, den die SBZ-Regierung 1953 für den Rückkauf zu zahlen hatte, betrug mindestens 3,5 Mrd. Mark.

 

e) Lieferungen aus der laufenden Produktion. Seit Wiederingangsetzung der Betriebe mußte die SBZ an die Sowjets erhebliche Teile der laufenden Produktion abliefern, und zwar in Form direkter Reparationslieferungen nach der SU, Zulieferungen deutscher Betriebe an SAG-Betriebe, Lieferungen an die Sowjet-Armee (GSOW) Lieferungen an Sowjetische Handelsgesellschaften in der SBZ und Exporte für sowjetischen Nutzen. Nur die direkten R.-Lieferungen nach der SU wurden von den Sowjets als R. anerkannt. Alle anderen hier erwähnten Lieferungsformen sind jedoch ebenfalls als R. anzusehen. Da die Sowjets dafür nur die unzureichenden Stopp-Preise des Jahres 1944 bezahlten, mußten den deutschen Lieferwerken umfangreiche Sub[S. 348]ventionen aus Steuermitteln geleistet werden. Nach Unterlagen aus dem Amt für R. haben die Sowjets von 1945–1953 Waren im Werte von 34,7 Mrd. Mark zu Stopp-Preisen aus der laufenden Produktion entnommen.

 

f) Subventionen. Die an deutsche Betriebe und SAG-Betriebe 1946 bis 1953 gezahlten Preissubventionen für direkte und indirekte R.-Lieferungen und für Reparationsnebenkosten, d. h. die Kosten für Verpackung, den Versand frei Verwendungsort in der SU und für Versicherungen werden mit 2,5 Mrd. Mark geschätzt.

 

g) Aus den SAG-Betrieben entnahmen die Sowjets an Gewinnen und fingierten Gebühren bis 1953 etwa 3,55 Mrd. Mark.

 

Diese Aufzählung enthält nicht eine Reihe sonstiger R.-Leistungen der SBZ, die zahlenmäßig überhaupt nicht zu erfassen sind, z. B. den Nutzen der Sowjets aus dem Uranbergbau, aus der Tätigkeit der sowjetischen Handelsgesellschaften, aus der Beschlagnahme deutscher Patente und der Nutznießung neuer deutscher Patente usw. (Patentrecht)

 

Eine Gesamtrechnung der R. seit Kriegsende bis 1953 ergibt nach kritischer Auswertung aller verfügbaren Unterlagen die nachstehenden Summen:

 

 

Hierin ist nicht enthalten der Rückkaufpreis der SAG-Betriebe mit mindestens 3,5 Mrd. Mark. Eine andere bekanntgewordene Berechnung eines westlichen Experten läßt die 10 Mrd. für Beute und Demontagen aus und berechnet den Nutzen aus den SAG-Betrieben etwas anders. Diese Berechnung kommt auf rd. 32 Mrd. Reparationen ohne Besatzungskosten, was sich etwa mit der obigen Berechnung deckt. Die Beute- und Demontageentnahmen der Sowjets sind jedoch tatsächliche Verluste der SBZ, und andererseits hat die SU damit Kompensation für die eigenen Kriegsschäden in Besitz genommen. Es besteht demnach kein Anlaß, diese Posten bei der Berechnung der Reparationen nicht mit einzubeziehen.

 

Legt man den von den Sowjets bis 1952 im allgemeinen selbst angewandten Kurs von 2,50 DM je Dollar zugrunde, so ergibt das bei einer Gesamtentnahme von rd. 43,60 Mrd. Mark eine Reparationsleistung in Höhe von 17,60 Mrd. Dollar, also 7,60 Mrd. Dollar mehr, als die SU von Gesamtdeutschland an Reparationen gefordert hatte. Propaganda-Behauptungen wonach die SU auf hohe Reparationsleistungen verzichtete, sind unwahr.

 

Literaturangaben

  • *: Die Reparationen der Sowjetzone in den Jahren 1945 bis Ende 1953. (Fortführung der Unters. von Rupp über die Reparationsleistungen der sowjetischen Besatzungszone.) (BB) 1953. 27 S. m. 4 Anlagen.
  • Rupp, Franz: Die Reparationsleistungen in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1951. 96 S.
  • *: Die sowjetische Hand in der deutschen Wirtschaft. Organisation und Geschäftsgebaren der sowjetischen Unternehmen. (BB) 1953. 100 S. m. 2 Anlagen.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Sechste, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1960: S. 346–348


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.