Tagungsbericht Netzwerk

Die Lehren des 20. Jahrhunderts. Erinnerung an den Totalitarismus in Museen, an Erinnerungsstätten, Archiven und modernen Medien in Russland und Deutschland

| vom 07.09.2015 | bis zum 12.09.2015 | Friedrich-Ebert-Stiftung in der Russischen Föderation | Petersburger Dialog e.V. | Russisches Staatsarchiv für sozial-politische Geschichte | Memorial Perm | Staatliches Museum zur Geschichte des Gulag Moskau

Zum dritten Mal fand in Russland ein Forum von Nachwuchswissenschaftlern, Künstlern und Aktivisten statt, die sich mit der Geschichte der Sowjetunion und der Erinnerung an Diktaturen in Deutschland und der Russischen Föderation beschäftigen. Die Teilnehmer besuchten das Staatliche Museum zur Geschichte des Gulag in Moskau, informierten sich über neue Projekte des Gedenkens und Vermittelns der Geschichte stalinistischer Repressionen und diskutierten über Bildungsarbeit in Gedenkstätten sowohl in Deutschland als auch in Russland. Zum Programm in Moskau gehörten zudem ein Besuch der Menschenrechtsorganisation Memorial in Moskau sowie die Besichtigung der Hinrichtungsstätte Butovo. Im zweiten Teil der Reise besuchten die Teilnehmer die Gedenkstätte Perm 36, die 2014 verstaatlicht und umgestaltet wurde. Mehrere Vorträge und Diskussionen gingen darauf sowie auf Erinnerungs- und Deutungskonflikte ein. Referiert wurde außerdem zu den historischen Quellen über das „Sowjetische“, über Randgruppen in totalitären Gesellschaften sowie über Kunst und Totalitarismus.

Seit drei Jahren organisieren die Friedrich-Ebert-Stiftung Moskau, der Petersburger Dialog, das Russische Staatsarchiv für sozio-politische Geschichte (RGASPI), die Gesellschaft Memorial – und neuerdings das Staatliche Museum zur Geschichte des Gulag in Moskau – ein Forum für Nachwuchswissenschaftler. Es führte in diesem Jahr in Moskau und Perm über 20 Menschen zusammen, die sich als Promovierende, Studierende oder auch Aktivisten oder Künstler mit historischen Themen beschäftigen. Das Konzept beinhaltet auch den Besuch von Gedenkstätten, Museen und NGOs. Die Tagung begann im neuen Gulag-Museum im Herzen Moskaus, das am 30. Oktober 2015, dem Tag der Opfer der politischen Repression in Russland, eröffnet wird. Einführend beschrieben die Veranstalter den langen Weg, den die Aufarbeitung der Diktatur bereits zurückgelegt hat. Den ausführlichen Tagungsbericht von Enrico Heitzer und Julia Landau für H-Soz-Kult können sie hier weiterlesen.

Konferenzübersicht:

Gulag-Museum, Moskau, Begrüßung

Vertreter des Vorsitzenden des Rats des Präsidenten der Russischen Föderation für die Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte / Vera Dubina, Referentin für Zivilgesellschaft und Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau / Andrej Sorokin, Leiter des Russischen Staatsarchives für sozio-politische Geschichte / Botschaft der Bundesrepublik Deutschland

Panel „Museen und Ausstellungen. Materielle Erinnerung an den Totalitarismus“.

Roman Romanov (Direktor des Staatlichen Gulag-Museums): Einführung in das Museumskonzept

Panel „Bildungspolitische und pädagogische Arbeit an Gedenkstätten“

Moderation und Impuls: Gesa Trojan (Technische Universität Berlin)

Julia Landau (Gedenkstätte Buchenwald): Der Umgang mit dem Nationalsozialismus durch den sowjetischen Geheimdienst am lokalen Beispiel: das sowjetische Speziallager Buchenwald 1945-50 und die Herausforderungen an die Vermittlung

Leszek Szuster (Internationale Jugendbegegnungsstätte): Auschwitz als Lernort

Gespräch mit dem Vorstand von „Memorial International“

Besuch der Hinrichtungsstätte Butovo

Besuch Gedenkstätte „Perm-36“

Diskussion „Die Veränderungen in Museum Perm 36“ mit Michail Fedotov, Oleg Lejbovič, Tatjana Kursina, Aleksandr Kalič

Runder Tisch: Die Gedenkstätte „Perm 36“: Vergangenheit, Zukunft, Gegenwart. Impulsvortrag: Anke Giesen (Universität Magdeburg)

Panel III Erinnerungskonflikte

Moderation und Impulsvortrag Enrico Heitzer (Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen): Deutungskämpfe. Zu aktuellen Auseinandersetzungen im Spannungsfeld von Wissenschaft, Gedenkstättenarbeit und Gedächtnispolitik

Isabel Panek (Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin): Das Tempelhofer Feld: ein Ort demokratische Gedächtniskultur?

Darja Butejko (Humboldt-Universität Berlin): Ein heiliger Ort, ein Museum oder eine Wiese? Spatialisation der Kommunismus-Erinnerungen in der Gedenkstätte Berliner Mauer und der Solowki-Inseln

Nils Weigt (Universität Potsdam) Prozesse einer Entortung der Holocausterinnerung

Alexander Kuzmin (Institut für Recht und Wirtschaft des Bundesstrafvollzugdienstes, Wologda) Die Beerdigung ausländischer Kriegsgefangener des Zweiten Weltkriegs in den Regionen Archangelsk und Wologda

Präsentation einer thematischen Ausgabe „Politik der Erinnerung“ des Journal of Social Policy №3 / 2015

Panel Historische Quellen über das „Sowjetische“
Moderator: Oleg Lejbovič

Alexander Konovalov (Staatliche Universität Kemerovo): Interviews mit sowjetischen Bürokraten: Methoden und Perspektiven der Musealisierung

Natalia Razdina (Staatliche Lomonossov-Universität Moskau) Die Zeitung „Industrialisierung“ als Quelle für die Erforschung der Industriepolitik des Sowjetstaates in seinen ersten fünf Jahren

Panel V Erniedrigte und Beleidigte: Randgruppen innerhalb einer totalitären Gesellschaft
Moderatorin: Vera Dubina

Jelizaveta Savolajnen (Russische Technische Mendeleev-Universität) Gedenkpraktiken der ingermanländischen Finnen in der Sowjetunion

Jekaterina Mišina (Staatliche Lomonossov-Universität Moskau) Archivuntersuchungen als Basis für ein soziales Porträt der Repressierten

Darstellung von Projekten Memorial Perm

Panel VI Kunst und Totalitarismus (Vera Dubina)

Julija Kantor (Eremitage, St. Petersburg) Das Thema Gulag in Ausstellungen der Museen des postsowjetischen Russlands: Trends und Traditionen

Galina Sušek (Staatliche Akademie für Kunst und Kultur, Perm) Die Ikonographie Stalins in der modernen Kunst der UdSSR

Vera Faber (Universität Wien): Kanonisierung des Terrors – Sowjetische Schriftstellerreisen und die Ästhetisierung des ,Lageralltags’ im Dienste der Propaganda

Lotte Thaa (Humboldt Universität Berlin): Jenseits von Unrechtsstaat und Trabitour. Pluralistische und partikulare Erinnerungspraktiken in der DDR Erinnerungslandschaft Berlins am Beispiel des Märkischen Museums und des Bertolt-Brecht-Hauses

Erinnerung an den Stalinismus und die stalinistische Politik (Oleg Leibovič)

Maria Turovec (Ab Imperio) Die Verdrängung der Erinnerung an den Totalitarismus als praktisches Problem

Egor Isaev (High School of Economics, Moskau): Public History und der Totalitarismus: das Bild der Epoche Stalins in der Zeitschrift „Diletant“

Dmitrij Astaškin (Universität Novgorod): Privatisierung des Sieges – zum Zusammenhang zwischen dem Personenkult um Stalin und der Erinnerung an den Krieg

Runder Tisch Das Trauma von 1991 gegen das Trauma von 1937? „Der Stalinismus“ im modernen Diskurs

Einführung: Alexander Reznik (Zentrum für vergleichende Geschichts- und Politikwissenschaft Perm)

Alexey Gilev (Direktor des ZSIPI), Galina Jankovskaja (Universität und Museum für moderne Kunst Perm), Aleksandr Kalič (Memorial), Andrej Suslov (PGGPU)

Veranstalter: