Große Erwartungen – 1919 und die Neuordnung der Welt
Die am Historischen Kolleg stattfindende Tagung widmete sich dem Jahr 1919 und den damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen und Ängsten. In vier Sektionen beschäftigten sich die Referentinnen und Referenten mit den Ereignissen in Osteuropa und Russland, den Kolonialgesellschaften und ihren Entwicklungen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, globalen Sicherheitsordnungen und der Entwicklung demokratischer Systeme in Europa. Dabei richteten sie den Blick nicht ausschließlich auf die Entwicklungen in Europa und die daraus folgenden globalen Auswirkungen, sondern entwickelten eine transnationale Perspektive auf ein ereignisreiches Jahr.
Knapp 100 Jahre ist das Ende des Ersten Weltkrieges her und somit auch die Zeit der Erwartungen und Ängste, die mit dem Waffenstillstand begann. Die verschiedenen Nationen, Regionen und Empires waren unterschiedlich stark vom Krieg betroffen, der Neuordnung der Welt konnte sich jedoch kaum eine Region entziehen. Die von JÖRN LEONHARD (Freiburg) im Rahmen seines Forschungsstipendiums des Instituts für Zeitgeschichte am Historischen Kolleg veranstaltete Tagung bot eine Plattform, die Interessen und Erwartungen einzelner Weltregionen und spezifischer Akteure miteinander zu verknüpfen und nach Erfüllung und Enttäuschung eben jener Erwartungen zu fragen. Schon im einleitenden Vortrag Leonhards wurde die Komplexität der Prozesse und Erwartungen um 1919 deutlich. Leonhard sprach von einem Moment der Verdichtung, Beschleunigung und Offenheit, wobei vor allem letztere in vielen folgenden Beiträgen wieder aufgegriffen und diskutiert wurde. Den vollständigen Tagungsbericht für H-Soz-Kult von Christina Ewald können sie hier weiterlesen.
Konferenzübersicht:
Begrüßung: Andreas Wirsching (München)
Jörn Leonhard (Freiburg), Die Konkurrenz der Versprechen – Globale Ordnungsvisionen am Ende des Ersten Weltkrieges
Sektion I: Grenzen und Räume – Territorialität und Nationsbildung im Zeichen des Gewaltkontinuums
Gerd Koenen (Frankfurt am Main), Lenin und Wilson – ein welthistorischer Vergleich
Jochen Böhler (Jena), Vom Weltkrieg zum Bürgerkrieg. Die Kontinuität der Gewalt in Ostmitteleuropa über 1918 hinaus
Kommentar: Joachim von Puttkamer (Jena)
Sektion II: Kolonialkritik und Anti-Imperialismus – Globale Modelle und lokale Kontexte
Benedikt Stuchtey (Marburg), Demokratie nach dem Krieg? Große Erwartungen an die Kolonialismuskritik
Stefan Rinke (Berlin), Große Skepsis: Lateinamerikanische Zukunftserwartungen bei Kriegsende 1918/19
Jan Schmidt (Löwen), „Den Pazifismus Anglo-Amerikanischer Provenienz beseitigen!“ – Das Japanische Empire und das Scheitern des „Wilsonian Moment“ in Ostasien
Florian Wagner (Hamburg), Ermächtigungsfrieden oder Ernüchterungserlebnis? 1919 aus afrikanischer und panafrikanischer Perspektive
Kommentar: Jürgen Osterhammel (Konstanz)/Jörn Leonhard (Freiburg)
Sektion III: Neue Internationalismen – Ordnungsmuster kollektiver Sicherheit und internationaler Kooperation
Eckart Conze (Marburg), Sicherheit statt Frieden. Die Pariser Konferenz und die internationalen Beziehungen der Zwischenkriegszeit
Patrick Cohrs (New Haven), Die Suche nach einer atlantischen Sicherheitsordnung. Ein Schlüsselproblem der Neuordnungsprozesse von 1919
Kathrin Kollmeier (Potsdam), Erwartungen und Enttäuschungen: Staatenlosigkeit als transnationale Semantik der Zugehörigkeit nach 1918
Marcus Payk (Berlin), Vertrag und Diktat. Die Pariser Ordnung von 1919/20 und das Völkerrecht
Kommentar: Isabella Löhr (Leipzig)
Sektion IV: Partizipation und Versorgung – Massendemokratie und Wohlfahrtsstaatlichkeit als neue Ordnungsversprechen
Manfred Berg (Heidelberg), „Wir sind keine Internationalisten, wir sind amerikanische Nationalisten!“ Das Scheitern des Wilsonianism in den USA
Tim B. Müller (Hamburg), „The universal acceptance of democracy as the normal and natural form of government“. Demokratische Erwartungen nach 1918 – eine europäische Skizze
Boris Barth (Konstanz), Die Krise der europäischen Demokratie nach 1918
Kommentar: Andreas Wirsching
Abschlussdiskussion