Was nicht passt, wird passend gemacht

Eine Replik auf Alan Poseners Polemik gegen die Bundesstiftung Aufarbeitung in der Tageszeitung „Die Welt“ (online)

Bundesstiftung Aufarbeitung

Illustrativ ohne inhaltliche Bedeutung: Screenshot der Website von Welt online mit dem Titel des Meinungsartikels der hier im weiteren Thema ist

„Eine SED-Aufarbeitung, die der Verharmlosung zuarbeitet“, so lautet die provokante Überschrift der Polemik von Alan Posener in der Tageszeitung „Die Welt“ (online) am 15. September 2024. Zum Hintergrund: Die Stiftung hatte am Freitagmorgen eine Presseinformation verschickt, in der sie die Medien für ihre Berichterstattung zum 35. Jahrestag der Friedlichen Revolution auf Hintergrundmaterialien und Bildungsangebote der Bundesstiftung zum Thema hinwies. Dazu gehörte auch das Quiz „20 Fragen zur DDR“, das die Stiftung zum Abdruck anbot.

Posener argumentiert mit Auslassungen. Quizfragen, die seinen Vorwürfen widersprechen, bleiben einfach unerwähnt: "Womit ging der Juni 1953 in die Geschichte ein?", "Mit wem rechnete der sowjetische Staats- und Parteichef Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU ab?", "Wie endete der Prager Frühling 1968?", "Wer bezeichnete sich in der DDR als "Schild und Schwert der Partei"?", "Vor welcher Stadt hatten alle NVA-Soldaten Angst?". Stattdessen ärgert sich Posener über Fragen nach „blauen Fliesen“ (Westgeld), „Aluchips“ (DDR-Geld) und dem Ziel des Sonderzuges von Udo Lindenberg.

Doch darf man solche Fragen überhaupt in einem DDR-Quiz stellen? Zumindest „Die Welt“ beantwortet diese Frage mit ja. Sie hatte am 9. September 2024 das Quiz „Wer diese 10 Wörter versteht, ist ein waschechter Ossi“ veröffentlicht. Die Einleitung zum Quiz stellt fest: „Die Mauer ist weg, und mit ihr endete ein eher düsteres Kapitel deutscher Geschichte. Aber: es war nicht alles schlecht.“ Und unter den „zehn Dingen, an die wir uns gerne erinnern“, finden sich dieselben „blauen Fliesen“, das „Abkindern“ des Ehekredits, das „Maggi des Ostens“ Bino, die „Mehrkornnahrung“ für Kinder und „Erichs Krönung“, die miserable Kaffeepulvermischung aus den 1970er Jahren.

Verharmlost ausgerechnet „Die Welt“, die wie keine andere überregionale Tageszeitung historischen Themen Raum gibt, die kommunistische Diktatur? Wohl kaum - ebenso wenig wie die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Beide Institutionen teilen offenkundig die Überzeugung, dass eine Reduzierung der DDR auf ihren diktatorischen Charakter und ihre Verbrechen in einem Quiz, das ein breites Publikum erreichen soll, nicht angemessen wäre. Die Fragen eines solchen Quiz müssen die unterschiedlichen Ausgangspunkte und Prägungen der Teilnehmer berücksichtigen.

Und so, wie Alan Posener nur die Fragen zitiert hat, die seine Polemik zu belegen scheinen, hat er auch all die anderen Publikationen, Ausstellungen, Dokumentarfilme, Videopodcasts, didaktischen Materialien, Wettbewerbe etc. geflissentlich übersehen, mit denen die Bundesstiftung all die Themen umfassend bearbeitet, deren Fehlen Posener so wortgewaltig beklagt. Er müsste sie eigentlich kennen, gehört er doch seit Jahren zu den Adressaten der Pressemitteilungen der Bundesstiftung Aufarbeitung. Aber was nicht ins eigene Narrativ passt, wird eben manchmal passend gemacht. Schade.