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Horst Schüler verstorben

| vom 01.04.2019
Horst Schüler bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Berlin, den 1. April 2019. Für den 27-jährigen Horst Schüler, geboren 1924 in Babelsberg, muss es die bittere Ironie der Geschichte gewesen sein: Als er nach seiner Verhaftung am 4. November 1951 für sechs Monate im Potsdamer KGB-Gefängnis Lindenstraße inhaftiert wird, befindet er sich an dem Ort, wo er zehn Jahre zuvor seinen Vater besucht hatte. Fritz Schüler war als Sozialdemokrat und Gewerkschafter von den Nationalsozialisten verhaftet worden, wurde 1942 im KZ Sachsenhausen ermordet. Als anerkanntes „Opfer des Faschismus“ glaubte Horst Schüler, im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands einen gewissen Schutz zu genießen. Doch als er nach seiner Ausbildung zum Redakteur der Märkischen Volksstimme ab 1949 in seiner Kolumne die Zustände in der DDR kritisiert, gerät er ins Visier der kommunistischen Organe.

Ausschlaggebend für die Verhaftung war seine Weigerung, sich als Spitzel des KGB zu betätigen. Im März 1952 wird Schüler von einem Sowjetischen Militärtribunal wegen angeblicher Spionage zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und in die Strafregion Workuta verschleppt, einen der härtesten Lagerkomplexe des Gulag. Mit Tausenden anderen muss er Zwangsarbeit in den Kohleminen leisten. Als die Häftlinge im Juli 1953 gegen die menschenunwürdigen Haftbedingungen in Streik treten, ist Horst Schüler mit dabei. Er überlebt die blutige Niederschlagung des Aufstandes, die 64 Tote und 123 Verwundete fordert.

Im September 1955 wird er entlassen und zurück nach Deutschland geschickt, täuscht einen falschen Wohnort vor und wird so in die Bundesrepublik entlassen. Der ausgebildete Journalist arbeitet von 1964 bis 1989 als Redakteur beim Hamburger Abendblatt, 1974 erhält er für seine Arbeit den renommierten Theodor-Wolff-Preis.

Nach seiner offiziellen Rehabilitierung 1993 beginnt Horst Schüler 1996 ein zweites Berufsleben, das er ganz den Opfern politischer Verfolgung und der Aufarbeitung der kommunistischen Verbrechen widmet: Horst Schüler engagiert sich als Sprecher der Lagergemeinschaft Workuta/Gulag Sowjetunion. Von 2001 bis 2007 ist er Vorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), wird danach deren Ehrenvorsitzender. 2003 erhält er für seinen Einsatz das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, nachdem er bereits 1992 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden ist.

Am 27. März 2019 ist Horst Schüler im Alter von 94 Jahren in Hamburg verstorben. „Horst Schüler hat sich wie kaum ein Zweiter bis ins hohe Alter mit großer Energie dafür eingesetzt, dass die Schicksale der deutschen Gulag-Häftlinge nicht in Vergessenheit geraten“, sagte die Geschäftsführerin der Bundesstiftung Aufarbeitung Dr. Anna Kaminsky. „Wer ihn kannte, wird sich immer an seine kluge, umsichtige und warme Persönlichkeit erinnern. Bei allem Schlimmen, das ihm in seinem Leben widerfahren ist, wurde er doch wie viele andere Leidensgenossen seiner Generation niemals bitter. Horst Schülers Lebenswerk mahnt uns, die Erinnerung an die kommunistischen Verbrechen wachzuhalten. Er wird fehlen“, sagte Anna Kaminsky.

Für das Projekt „Gedächtnis der Nation“ hat Horst Schüler von den Härten des Gulags Anfang der 1950er-Jahre berichtet.