»Die Verbesserung der Krankenversicherung und der Sozialfürsorge ist ein weiterer bedeutender Beweis der Überlegenheit des sozialistischen Systems gegenüber dem kapitalistischen System.«[1] Mit diesen Worten stellte František Zupka, Vorsitzender des Zentralrats der Gewerkschaften (Ústřední rada odborů), Ende September 1956 die geplante Reform des tschechoslowakischen Sozialsystems dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (Komunistická strana Československa, KSČ) vor – und bekräftigte damit den internationalen Anspruch der innenpolitischen Maßnahme.
Sozialpolitik ist nicht nur Sachpolitik,[2] sondern immer auch Ausdruck kollektiv geteilter Wertvorstellungen und Erwartungshaltungen. Die viel zitierten »Bataillone der besseren Sozialleistungen« waren im Kalten Krieg nicht nur deswegen bedeutsam, weil sie im Kapitalismus wie im Sozialismus durch Absicherung sozialer Risiken die Loyalität der Bevölkerung zum jeweils eigenen System sichern sollten. Die öffentliche Behauptung, besser für die Menschen sorgen zu können als der Gegner auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, machte Sozialpolitik zu einem wichtigen Schauplatz der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West.
Dieser Beitrag betrachtet die Reform des tschechoslowakischen Sozialstaats im Jahr 1956 aus einer kulturgeschichtlichen Perspektive.[3] Er widmet sich der Frage, mit welchen Argumenten die Reform in der zeitgenössischen Presse begründet und legitimiert wurde und welche Rolle hierbei die Systemkonkurrenz mit dem Westen spielte. Als Quellen dienen öffentliche Äußerungen der Reformverantwortlichen sowie die Berichterstattung der tschechoslowakischen Presse zwischen der Verkündung der Reform Ende September 1956 und ihrem Inkrafttreten im Januar 1957. Ziel ist es, zu zeigen, dass, auch wenn die Abgrenzung vom und die Überlegenheit gegenüber dem Westen wichtige Argumente waren, die mediale Diskussion über die Reform dennoch vor allem im Lichte erinnerungspolitischer Deutungen der nationalen Geschichte der Zwischenkriegszeit zu betrachten ist.
Für die Frage, welche Bedeutung der Kalte Krieg für die Sozialpolitik in Ostmitteleuropa hatte, ist die Tschechoslowakei aufgrund ihrer Position zwischen Ost und West ein besonders spannender Untersuchungsgegenstand. Kulturell und sozialpolitisch mit starken westlichen Traditionen geprägt, ging ihre Eingliederung in den sowjetischen Machtbereich nach 1945 bzw. 1948 mit tiefgreifenden Veränderungen einher, die nicht nur das politische und wirtschaftliche System, sondern auch die gesellschaftliche Ordnung und Fragen nationaler Identität betrafen. Im Bereich der Sozialpolitik traf der am Bismarck’schen Modell orientierte und vergleichsweise große Teile der Bevölkerung umfassende Sozialstaat der Tschechoslowakei aus der Zwischenkriegszeit auf das neue sowjetische Vorbild. Dieses verfolgte keinen universalistischen Anspruch, sondern verband Sozialleistungen mit der individuell geleisteten Arbeit und ordnete so die Sozialpolitik den ökonomischen Interessen des Staates unter.[4] Der bis Ende der 1950er-Jahre andauernde Prozess der »Sowjetisierung« des tschechoslowakischen Sozialstaats konnte jedoch nie zu einer vollständigen Angleichung an das sowjetische Modell führen.[5]
Im Kalten Krieg spielte der Westen als Vergleichsfolie in tschechoslowakischen öffentlichen Diskursen eine wichtige Rolle – zunächst vor allem als Negativbeispiel, von dem sich die sozialistische Gesellschaft weitestmöglich abzugrenzen hatte, in den 1960er-Jahren zunehmend auch als Referenzpunkt für die eigene Fortschrittlichkeit bzw. Rückständigkeit.[6]
Massenmedien waren im Kalten Krieg von hoher Bedeutung, verknüpften sie doch »als integraler Bestandteil der Kultur und Lebensweise in modernen Industriegesellschaften […] den Systemkonflikt mit den im Alltag bedeutsamen Weltsichten und Mentalitäten ihrer Nutzer«.[7] Dabei ist für die staatssozialistischen Regime die Lenkung medialer Diskurse mittels Zensur und Selbstzensur sowie die Instrumentalisierung der Medien für propagandistische und erzieherische Zwecke durch den Staat zu beachten.[8] Daher geht es im Folgenden nicht um die Frage, ob die in der Diskussion über die Sozialreform 1956 verwendeten Argumente und Vergleiche zutreffend oder wahrheitsgetreu waren. Stattdessen stehen die in der Begründung der Reform zum Ausdruck kommenden Ideen und Wertevorstellungen im Fokus.
I. Die Sozialreform 1956: Hintergründe und Inhalte
Die umfassende Neustrukturierung des Sozialstaats fiel in die Zeit der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche der Entstalinisierung. Gleichzeitig stellte sie mit den Worten Johan De Dekens den »Höhepunkt der stalinistischen Reformperiode« dar,[9] indem sie die weitgehende Angleichung des tschechoslowakischen Sozialstaats an das sowjetische Modell abschloss.
Die Reform war innenpolitisch notwendig: Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbruch im Zuge des »Aufbaus des Sozialismus« hatte in den frühen 1950er-Jahren zu einem massiven Ausbau der Schwerindustrie zulasten privater Konsumgüter geführt. Im Verlauf des intensivierten Klassenkampfes war Kritik am »exzessiven Egalitarismus«[10] der Nationalversicherung von 1948 laut geworden und die staatlichen Sozialausgaben waren deutlich zurückgegangen.[11] Die Unzufriedenheit der Bevölkerung und die wirtschaftliche Krise wurden im Juni 1953 durch eine Währungsreform verschärft, die große Teile der Bevölkerung um ihr Erspartes brachte.[12] Nach heftigen Arbeiterprotesten konnte das Regime mit Preissenkungen und einer Anhebung der Löhne die Lage stabilisieren. In der Folge rückten die Steigerung des privaten Konsums und die soziale Sicherheit der Bevölkerung in den Fokus der Politik. Vor diesem Hintergrund begannen 1954 die Planungen zur Reform des Sozialstaats.[13]
Die Reform ist auch im internationalen Kontext des Jahres 1956 zu sehen. Wie Dierk Hoffmann gezeigt hat, führte die Entstalinisierung im östlichen Europa in zahlreichen Ländern zu einem Ausbau des Sozialstaats.[14] Die rasante Industrialisierung nach 1945, verbunden mit einer offiziellen Absage an die Notwendigkeit von Sozialpolitik in kommunistischen Gesellschaften, hatte in den betroffenen Ländern zu vergleichbaren sozialen Spannungen geführt, die sich nun in den Entstalinisierungskrisen entluden und den sozialistischen Regimen die Notwendigkeit von Sozialpolitik als Mittel der Herrschaftssicherung vor Augen führten.[15] Jedoch könne »von einem sowjetischen Masterplan […] nicht gesprochen werden«, vielmehr habe es sich um einen Aushandlungsprozess zwischen einer Angleichung an das sowjetische Modell und der Stärkung nationaler Spezifika gehandelt.[16]
Worum ging es nun bei dieser Reform? Es handelte sich um eine Reihe von Maßnahmen, die den Übergang vom Prinzip der Sozialversicherung zum Prinzip der sozialen Sicherheit markierten.[17] Ziel war jedoch nicht länger eine universelle Absicherung, sondern eine Differenzierung nach Branchen, die zu einer positiven Diskriminierung von Arbeitern der Schwerindustrie führte.[18] An die Stelle der Kompensation von durch Krankheit oder Alter ausfallendem Einkommen rückte das Prinzip der Belohnung erbrachter Leistungen und Verdienste. Sozialleistungen wurden nun in Relation zum bisherigen Lohn ihres individuellen Beziehers bemessen.[19]
Neben einer Reform der Krankenversicherung, einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit und einer Preissenkung für Konsumgüter ist das Gesetz 55/1956 Sb., »Gesetz über die soziale Sicherung« (»Zákon o sociálním zabezpečení«), als wichtigster Baustein der Reform zu nennen. Es beinhaltete eine Neustrukturierung des Sozialstaats, die bis 1990 bestehen bleiben sollte. Das Gesetz Nr. 55 teilte Berufstätigkeiten in drei Kategorien, die ausschlaggebend für den Bezug von Sozialleistungen wurden: In die erste Kategorie fielen Bergarbeiter unter Tage und Piloten.[20] Zu keinem Zeitpunkt während der kommunistischen Herrschaft waren dies mehr als zehn Prozent der Bevölkerung.[21] Kategorie II umfasste gemäß §5 Abs. 1b) »Tätigkeiten unter besonders erschwerten Arbeitsbedingungen«. Darunter fielen beispielsweise Arbeiter aus der Schwerindustrie oder Tätigkeiten in potenziell gesundheitsgefährdenden Umgebungen, wie etwa die Behandlung von Tuberkulose-Patienten.[22] Die dritte Kategorie war eine Residualkategorie für alle anderen Berufe und umfasste die Mehrheit der Bevölkerung. Gleichzeitig wurde das Renteneintrittsalter gesenkt: Beschäftigte der Kategorie I sowie Frauen aus allen drei Kategorien konnten bereits mit 55 Jahren Altersrente beziehen, Beschäftigte aller anderen Kategorien mit 60 Jahren. Voraussetzung war generell eine Arbeitstätigkeit von mindestens 20 Jahren, andernfalls stieg das Renteneintrittsalter um fünf Jahre.[23]
Die Reform schuf zudem starke Anreize, über das Rentenalter hinaus arbeitstätig zu bleiben: Wer trotz Erreichen des Rentenalters weiterarbeitete, erhielt nicht nur den vollen Lohn, plus – je nach Arbeitsjahren – die anteilige oder gar volle Rente, sondern konnte seine Rentenhöhe mit jedem Jahr steigern. So war es Beschäftigten theoretisch möglich, durch längeres Arbeiten ihr Rentenniveau von 50 (Kategorie III) bis 60 (Kategorie I) auf 85 bis 90 Prozent ihres Durchschnittseinkommens bei endgültigem Renteneintritt zu erhöhen.[24] Durch die Besserstellung von Berufstätigen der Kategorien I und II gegenüber jenen aus der Kategorie III privilegierte das neue Sozialsystem jene Berufe, denen politisch die höchste Bedeutung beigemessen wurde.
Das Gesetz Nr. 55/1956 enthielt erstmals Regelungen, die es dem Staat erlaubten, nach eigenem Ermessen Renten für »langjährige Dienste« oder »besondere Verdienste« zuzuerkennen.[25] Diese äußerst vage formulierten Vorschriften wurden vor Inkrafttreten des Gesetzes nicht öffentlich diskutiert.
Wie begründeten Staat und Medien nun eine derart umfangreiche Reform? Im Folgenden werden die drei wichtigsten Argumente analysiert: Die Leistung der Arbeiterschaft, die Abgrenzung zum Westen sowie die Überwindung des Erbes der Zwischenkriegszeit.
II. »Wir haben alle gemeinsam dazu beigetragen«: Die Reform als Verdienst der Arbeiterschaft
Da die Überzeugung, im Sozialismus gebe es keine sozialen Probleme, auch 1956 noch öffentlich vertreten wurde, überrascht es kaum, dass soziale oder wirtschaftliche Notwendigkeiten oder die vorangegangene Krise in der öffentlichen Diskussion der Reform keine Rolle spielten. Stattdessen deutete die Presse die Maßnahme als weiteren Schritt eines seit 1948 erfolgreichen Weges zu mehr Wohlstand und staatlicher Fürsorge. Anstelle der Notwendigkeit rückte die Ermöglichung der Reform in den Fokus.
Dazu erklärte Zupka in seinem Bericht Ende September 1956: »Derartige Steigerungen hinsichtlich des materiellen und kulturellen Lebensstandards der Menschen sind nur in einem Staat möglich, in dem die Arbeiterklasse regiert, in dem die Produktionsmittel in der Hand des Volkes sind und in dem der Reichtum der Produktionsarbeit der gesamten Gesellschaft dient.«[26] Die Presse reproduzierte dieses Argument, hier ein Beispiel aus der Frauenzeitschrift Vlasta vom November 1956: »Durch unsere Arbeit sind wir nun ein Stück weiter, wir haben neue Werte geschaffen und so alle gemeinsam dazu beigetragen, dass unsere Regierung sich um ein zufriedenes Älterwerden der Bevölkerung kümmern kann.«[27]
Nicht nur hatte nach dieser Argumentation die kollektive Leistung der Bevölkerung die materiellen Ressourcen für die Sozialreform geschaffen und damit ex post die Bedeutung des Kollektivs gegenüber dem Individuum bewiesen. Die Bevölkerung sei in die Entwicklung der Reform auch von Anfang an eingebunden gewesen, etwa über die Vorlage des Entwurfs vor Parteigremien auf lokaler und überregionaler Ebene, vor Gewerkschaftsgremien, den Nationalausschüssen und anderen Verbänden der Nationalen Front (národní fronta).[28] Insgesamt seien so 2289 »Anmerkungen« und Vorschläge zusammengekommen.[29] Dieser Versuch einer Input-Legitimation, einer Legitimierung der Reform durch den Prozess ihres Zustandekommens, diente Zupka zugleich als Delegitimierung von Kritik: Einzelne Vorschläge hätten nicht umgesetzt werden können, weil sie »wirtschaftlich nicht tragfähig« gewesen seien oder »die Funktionäre die Details der vorgeschlagenen Gesetze nicht kannten«.[30]
Die Legitimierung der Reform als Resultat kollektiver Anstrengung spiegelt das Selbstverständnis des sozialistischen Staates als Arbeiterstaat wider, in dem die Grenzen zwischen Regierenden und Regierten aufgelöst sind. Jedoch brach die Regierung dieses Bild, indem sie deutliche Erwartungen an die Bevölkerung artikulierte. Dies zeigt der Regierungsbeschluss zur Reform. Die Tageszeitung Práce zitierte einige Ausschnitte daraus unter dem Titel »Was man von uns erwartet«: »Die Regierung ist der festen Überzeugung, dass alle Arbeitenden […] sich der Notwendigkeit bewusst sind, die Durchführung [der Maßnahmen] mit einer weiteren Erhöhung und Ökonomisierung der Produktion und vor allem mit einer ununterbrochenen Steigerung der Arbeitsproduktivität zu sichern.«[31] Die mit diesen Worten einhergehende, unausgesprochene Drohung, der Staat könne die soziale Sicherung jederzeit wieder reduzieren, sollte die Leistung der Arbeiterschaft hinter den Erwartungen zurückbleiben, blieb niemandem verborgen.
III. »Bei uns und bei ihnen«: Der Vergleich mit dem Westen
Das Argument, eine gute Sozialfürsorge sei eine unmittelbare Folge der guten Arbeit der Bevölkerung, nutzte die Presse häufig als Abgrenzung zum Westen. Wie die Zeitung Práce im November 1956 behauptete, gingen in der Tschechoslowakei immerhin drei Viertel des Nationaleinkommens als Löhne und Rentenleistungen direkt an die Arbeitenden – »ganz anders ist dies in den kapitalistischen Ländern. Die Arbeiterklasse und die Bauernschaft erhalten nur einen kleinen Teil des Nationaleinkommens und dieser schrumpft stetig. Der Großteil des Nationaleinkommens wandert in Form von Gewinnen in die Taschen der Kapitalisten und ihrer Gesellschaften.«[32]
Die Práce verglich am 5. Oktober 1956 ausführlich die Sozialfürsorge der Tschechoslowakei mit jener im Westen: »Uns erscheint unsere soziale Sicherung schon als Selbstverständlichkeit. Lassen Sie uns aber einmal sehen, wie es mit der Sozialgesetzgebung in den industriell fortschrittlichsten Ländern aussieht: Bei uns entfielen in den Jahren 1954 und 1955 auf einen Einwohner 897 Kronen an Geld- und Sachleistungen, in Schweden 750 Kronen, in Westdeutschland 650 Kronen, in England und Frankreich 600 Kronen, in Dänemark 500 Kronen. Dabei muss man berücksichtigen, dass Versicherte in den kapitalistischen Staaten keinen Anspruch auf eine kostenlose ärztliche Behandlung im Krankenhaus, im Sanatorium oder Medikamente haben.«[33] Ähnliche Töne schlug das KSČ-Presseorgan Rudé právo an: »In den USA liegt die Altersgrenze bei 65 Jahren, wobei die Höhe der Altersrente durchschnittlich etwa 32 Prozent des vorherigen Einkommens beträgt. […] Beispielsweise betrug die durchschnittliche Rente im April 1955 in den USA nur etwa 60,64 Dollar! Eine Invalidenrente existiert nicht einmal.«[34]
Während im Westen »die Bedürftigsten aus der Versicherung ausgeschlossen« würden,[35] böte die Tschechoslowakei laut des Artikels ihren Bürgerinnen und Bürgern eine umfassende Absicherung im Falle von Krankheit, Invalidität und Alter: »Daher können wir zu Recht behaupten, dass wir mit der neuen Reform der Kranken- und Rentenabsicherung neben der Sowjetunion an der Weltspitze stehen. Und das nach lediglich elf Jahren.«[36]
Die ritualisierte Kritik an den kapitalistischen Staaten konstruierte ein undifferenziertes und polarisiertes Weltbild, in dem der Osten dem Westen in allen Belangen klar überlegen war. Soziale Missstände und Nöte der Menschen jenseits des Eisernen Vorhangs waren in den tschechoslowakischen Medien ein beliebtes Thema im Rahmen des Systemvergleichs. Das Schreckbild der sozialen Kälte im Westen sollte nicht nur die eigene Fortschrittlichkeit verdeutlichen, sondern auch die Loyalität der Leserinnen und Leser zum Sozialismus sichern. Die vernichtende Kritik an der Sozialpolitik westlicher Staaten hatte jedoch auch historische Gründe: Die westliche Orientierung der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit hatte zur Folge, dass der Westen und insbesondere die USA in der Wahrnehmung der Bevölkerung mit positiven Zuschreibungen besetzt waren. Vorstellungen amerikanischer Fortschrittlichkeit und Innovationskraft reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück.[37] Die scharfe antiwestliche Rhetorik der Medien und die Gegenüberstellung eines »vermeintlich« fortschrittlichen Westens und eines »tatsächlich« fortschrittlichen Ostens sind daher als Versuch zu sehen, diese positiven Vorstellungen zu dekonstruieren.[38]
IV. »Heute sind wir weiter«: Das Erbe der Ersten Republik
Jedoch war es nicht in erster Linie der kapitalistische Westen, demgegenüber die Reform die eigene Überlegenheit beweisen sollte. Dies zeigt ein Beitrag aus der Zeitung Rudé právo vom 2. Oktober 1956, in dem die Neuregelung erstmals ausführlich diskutiert wurde: »Und was, wenn wir die vorgeschlagene Versicherung und Rentenfürsorge der Arbeiter mit der Situation in der Vormünchner Republik vergleichen? Da sehen wir wieder, um was für einen Sprung wir heute weiter sind. Betrug doch im Jahr 1942 [sic!] die Altersrente der Arbeiter durchschnittlich 142 Kronen. Und das erst ab 65 Jahren. Und reden wir erst gar nicht von Beiträgen für Kinder, die es […] gar nicht gab, und von einer Reihe anderer Maßnahmen.«[39]
»Vormünchner Republik« oder auch »Masaryk-Republik« (nach Tomáš Garrigue Masaryk) waren nach 1945 pejorative Bezeichnungen für die Erste Tschechoslowakische Republik, die Phase tschechoslowakischer Eigenstaatlichkeit von 1918 bis zum Münchner Abkommen 1938. Diese gilt als eine demokratische und insbesondere sozialpolitisch fortschrittliche Ära.[40] Der tschechoslowakische Sozialstaat der Ersten Republik gehörte zu den umfassendsten und fortschrittlichsten Systemen seiner Zeit und bot vor allem mittleren Gesellschaftsschichten eine solide Absicherung.[41] Jedoch traten mit der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre die Schwächen des Systems, insbesondere in der rudimentären Arbeitslosenversicherung, zutage. Das krisenhafte Ende der Republik mit dem Münchner Abkommen stellte insbesondere für den tschechischen Landesteil ein nationales Trauma dar.[42] Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann in der Tschechoslowakei eine heftige öffentliche Abrechnung mit der Ersten Republik, wobei insbesondere das sozialistische Lager die Gründe für ihr Scheitern 1938 in der Verfasstheit des Zwischenkriegsrepublik suchte.[43] So schrieb die Parteizeitung Rudé právo anlässlich des zehnten Jahrestages des Münchner Abkommens: »Diese Lehren [aus dem Münchner Abkommen, Anm. d. Verf.] basieren vor allem darauf: dass die Interessen der globalen Imperialisten im krassesten Widerspruch zu den Interessen unserer Nationen stehen und dass das Hauptanliegen der Bourgeoisie in unserer nationalen und staatlichen Politik die Zerstörung von Freiheit und Demokratie der Tschechoslowakei war und wieder wäre.«[44] Hatten kommunistische Akteure bereits in der Zwischenkriegszeit Kritik an der »bourgeoisen« Republik und ihrer außenpolitischen wie kulturellen Orientierung gen Westen geübt, schien das als »Verrat« bezeichnete Agieren Frankreichs und Großbritanniens bei der Aushandlung des Münchner Abkommens diese Kritik zu bestätigen.[45] Die Überzeugung, nur die Sowjetunion könne ein neues »München« verhindern, begünstigte nach 1945 die Orientierung der Tschechoslowakei gen Osten.[46] Nach 1948 bemühte sich das neue Regime, in der offiziellen Geschichtsschreibung die Rolle der Sowjetunion zu stärken, beispielsweise, indem die Unabhängigkeit der Tschechoslowakei 1918 als direkte Folge der Russischen Revolution 1917 dargestellt wurde.[47]
Bradley Abrams argumentiert, dass die Auseinandersetzung mit der Ersten Republik nach 1945 und 1948 auch eine Generationenfrage war: Während die jüngere Bevölkerung sich vor allem an die schweren Krisen der 1930er-Jahre erinnert habe, seien unter älteren Generationen weiterhin gute Erinnerungen an die demokratische Ära sowie positive Vorstellungen vom Westen und den USA verbreitet gewesen.[48] So überrascht es nicht, dass die Auseinandersetzung mit der Ersten Republik mit der harschen Kritik an deren Sozialstaat und insbesondere der Rentenversicherung bei einem Thema ansetzte, das vor allem ältere Generationen betraf.
Die scharfe Kritik an der Ersten Republik und die öffentliche Demontage ihrer wichtigsten Akteure, wie beispielsweise Staatsgründer Tomáš Garrigue Masaryk,[49] können jedoch nicht über Kontinuitäten hinwegtäuschen. Gerade in der Sozialpolitik griff der Staat nach 1948 Konzepte aus der Ersten Republik wieder auf. So war etwa der »Architekt« der Sozialversicherung der Zwischenkriegszeit, Emil Schönbaum, auch in die Entwicklung der Nationalversicherung von 1948 involviert.[50] Diese griff in ihrer universalistischen Ausrichtung Elemente auf, die bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren von tschechoslowakischen Sozialdemokraten favorisiert worden waren, jedoch nicht durchgesetzt werden konnten.[51] Auch die besondere Absicherung von Beamten blieb mit dem Gesetz von 1948 zunächst erhalten.[52]
Zumindest rhetorisch bedeutete der Aufbau des Sozialismus für die Kommunisten jedoch eine revolutionäre Abkehr von der Ersten Republik. Staat und Medien bemühten sich daher, positive Erinnerungen in der Bevölkerung an die Zwischenkriegszeit zu dekonstruieren, die sie nun als »kapitalistisch« und »bourgeois« brandmarkten. Die Presse verglich die heutige staatliche Fürsorge ausführlich mit der damaligen Sozialpolitik, von der ein dramatisches Bild gezeichnet wurde.
Gleichzeitig erwachte in den Medien mit der Reform ein neues Interesse an den Empfängern sozialer Fürsorge, beispielsweise erschienen vermehrt Berichte und Reportagen über Altenheime und andere Fürsorgeeinrichtungen. So zitierte ein Beitrag in Rudé právo im November 1956 Bewohner eines Altenheims in Mariánské Lázně (Marienbad) mit den Worten: »Wie könnte es mir hier nicht gefallen, wie könnte ich hier nicht zufrieden sein? Ich habe alles, was ich brauche […]. So habe ich noch nie gelebt«. Die Autorin kontrastiert ihre äußerst positiv geschilderten Eindrücke der neuen Altenfürsorge mit eigenen Erinnerungen: »Ich erinnere mich, wie oft ich in den alten Zeiten das Seufzen eines alten Menschen gehört habe: ›Möge mich doch der Herrgott bald zu sich holen, damit ich niemandem zur Last falle‹[…]. Der Staat kümmert sich auch um unsere hochbetagten Mitbürger. Und hier leben sie zufrieden und glücklich, was sich die meisten von ihnen ihr ganzes Leben lang nicht vorstellen konnten.«[53]
Die Vergleiche ähnelten den gegen den Westen vorgebrachten Kritikpunkten stark: »Es war geradezu ein Hohn für tausende alte Arbeiter über 60, die durch dieses Gesetz [Gesetz über die Sozialversicherung 1924, Anm. d. Verf.] aus der Versicherung ausgeschlossen wurden. Es war ein Hohn für weitere Millionen Saison- und Landarbeiter und Lehrlinge […], die von der Bourgeoisie absichtlich ausgeschlossen wurden, damit die Arbeitgeber keine Versicherungsbeiträge entrichten mussten. Und es war ein Hohn für die Arbeiter, die in der Zeit der Krise beim Verlust der Arbeit in die niedrigste Klasse fielen und die daher nur die niedrigsten Beiträge erhielten.«[54] Die Gleichsetzung der Ersten Republik mit dem heutigen Westen geschah unmittelbar: »Die Kapitalisten gestalten [soziale] Absicherung gerade so, wie sie auch bei uns in der bourgeoisen Republik nur eine bestimmte kleine Gruppe an Staatsangestellten abgesichert haben […]. Andere Angestellte waren und sind im Kapitalismus bei Krankheit, Alter und Invalidität unzureichend abgesichert.«[55]
Gleichzeitig ließ diese Erzählung jedoch Raum für Kritik an der Sozialpolitik seit 1948: »Die bisherige soziale und Rentenfürsorge [seit 1948] ergab sich aus unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten. Es ist jedoch auch wichtig, zu sehen, dass, auch wenn sie in den vergangenen Jahren schrittweise nicht mehr unseren Bedürfnissen entsprach, sie doch eine große Verbesserung gegenüber der alten Sozialversicherung bedeutete.«[56]
Evžen Erban, Vorsitzender des für die Renten zuständigen Staatlichen Amts für soziale Sicherheit (Státní úřad sociálního zabezpečení), erklärte zudem Ende Oktober 1956 zum Thema der Berufstätigkeit von Altersrentnern: »Der Versuch einiger Betriebe, auf ältere Arbeitnehmer, die eine Rente beziehen, dahingehend einzuwirken, dass sie nur aus diesem Grund ihre Arbeitstätigkeit aufgeben, ist ein Überbleibsel kapitalistischer Traditionen, deren Wurzel Arbeitslosigkeit und anhaltende Angst um die Existenz waren.«[57]
In dem Argument, mit der Reform behebe der Staat endlich letzte Folgen der kapitalistischen Vergangenheit des Landes, spiegelte sich die Überzeugung der Aufbaujahre, Sozialpolitik sei die »Lazarettstation« des Kapitalismus. Gleichzeitig eröffnete es jedoch den Raum, um die Unvollkommenheit sozialpolitischer Maßnahmen seit 1948 einzugestehen und in einem nächsten Schritt zu relativieren: Immerhin seien etwaige Missstände weniger schwerwiegend gewesen als noch in der Zwischenkriegszeit.
V. Fazit
Das sozialistische Regime erklärte der Bevölkerung die Umstrukturierung des Sozialstaats 1956 als einen Meilenstein der Erfolgsgeschichte des Sozialismus in der sozialen Fürsorge sowie als Bedingung für die Überwindung des kapitalistischen Erbes des Landes. Der mediale Diskurs zur Reform war in großen Teilen ein Expertendiskurs: Häufig kamen Initiatoren der Reform selbst zu Wort, etwa František Zupka oder Evžen Erban. Deren Argumente wurden von anderen Autoren weitgehend reproduziert.
Um das sozialpolitische Agieren des Staates zu rechtfertigen, ohne vorherige Fehleinschätzungen zur Notwendigkeit von Sozialpolitik und vorangegangene Krisen offen einzugestehen, wurden in der medialen Darstellung Krisenreaktionen zu Errungenschaften der Arbeiter und Kritik zu »Vorschlägen«.
Die Neustrukturierung des Sozialstaats drückte das Selbstverständnis des sozialistischen Staates als Fürsorgestaat aus, in dem – anders als im Kapitalismus – dank der Arbeitsleistung der Bevölkerung für jeden gesorgt sei. Die Behauptung, die Reform beweise somit die Überlegenheit und Fortschrittlichkeit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus, zieht sich wie ein roter Faden durch nahezu alle einschlägigen Pressebeiträge – wobei das Feindbild des Kapitalismus sich sowohl auf den Westen als auch die Erste Republik bezog.
Die Abgrenzung zum Westen geschah auf einer vermeintlich sachlichen Ebene, es wurde hauptsächlich mit Zahlen und Daten argumentiert. Im Gegensatz dazu setzte die Presse beim Vergleich der Sozialreform mit der Sozialpolitik der Ersten Republik auf emotionale Zitate und die Wiedergabe persönlicher Erinnerungen. Auch wenn zahlreiche Kritikpunkte ähnlich mantrahaft wiederholt wurden wie beim Vergleich mit dem Westen, entfalteten die Rückgriffe auf die Zwischenkriegszeit bei den Leserinnen und Lesern – von denen gerade mittlere und ältere Generationen noch eigene Erinnerungen an diese Zeit hatten – vermutlich eine stärkere emotionale Wirkung und hatten somit höhere Legitimationskraft.
Dies zeigt, dass der Kalte Krieg als Systemkonkurrenz auf die Legitimierung einer sozialpolitischen Maßnahme einen mittelbaren Einfluss hatte: Einerseits ist die Auseinandersetzung der tschechoslowakischen Presse mit der Ersten Republik unbedingt im Kontext des Kalten Krieges, der Hinwendung zur Sowjetunion und der Abkehr vom Westen zu betrachten. Ausgehend von der Gleichsetzung der eigenen Vergangenheit mit dem heutigen Westen erschien die größtmögliche Absetzung als zwingend notwendig, hatte doch die Erfahrung gezeigt, dass das »bourgeoise« System nur scheitern konnte.
Andererseits zeigt sich gerade im diskursiven Rückgriff auf die Erste Republik die Bedeutung nationaler Spezifika. Die Abrechnung mit der Ersten Republik in sozialpolitischen Diskursen geschah zwar vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, war aber nicht dessen Konsequenz. Der Systemkonflikt wirkte vielmehr verschärfend auf die Kritik, die sozialistische Akteure bereits in der Zwischenkriegszeit und nach dem Münchner Abkommen geübt hatten.
Bemerkenswert ist, dass – mehr als acht Jahre nach der Machtübernahme der KSČ – das Regime im Bereich der Sozialpolitik noch immer eine scharfe Abgrenzung zur Ersten Republik geltend machte, um Politik zu legitimieren. Bemühungen um eine Dekonstruktion der positiven Zuschreibungen an die Zwischenkriegszeit seit 1945 scheinen demnach wenig erfolgreich gewesen zu sein.
Aus der Abgrenzung zum Westen im Kalten Krieg wurde in der Diskussion über die Sozialreform 1956 eine erinnerungspolitische Debatte.
[1] Přestavba národního pojištění – další významné opatření pro rozvoj hmotné a kulturní úrovně lidu. Referát soudruha Františka Zupky na zasedání Ústředního výboru KSČ, přednesený dne 25. zaří 1956 [Der Umbau der Nationalversicherung – eine weitere wichtige Maßnahme für die Entwicklung des materiellen und kulturellen Lebensstandards der Menschen. Bericht des Genossen František Zupka in der Sitzung des Zentralkomitees der KSČ, vorgetragen am 25. September 1956], in: Práce vom 2. Oktober 1956, S. 16 (eigene Seitennummerierung). Übersetzung hier und im Weiteren durch die Verfasserin.
[2] Auch wenn in den sozialistischen Regimen Ostmitteleuropas während der »Aufbau«-Jahre die Überzeugung herrschte, mit dem Sozialismus seien soziale Probleme automatisch behoben, weswegen es keiner Sozialpolitik bedürfe, ist der These von Dierk Hoffmann, sozialistische Regime hätten von Beginn an faktisch Sozialpolitik betrieben, unbedingt zuzustimmen, siehe Dierk Hoffmann: Entstalinisierung und Sozialpolitik im Ostblock. Soziale Sicherungssysteme im Ausbau, in: Roger Engelmann/Thomas Großbölting/Hermann Wentker (Hg.): Kommunismus in der Krise. Die Entstalinisierung 1956 und die Folgen, Göttingen 2008, S. 445–462, hier S. 446.
[3] Zu Bandbreite und Chancen kulturhistorischer Sozialstaatsforschung siehe den konzisen Überblick von Patrick Sachweh: Ideen, Werte und Kultur als Erklärungsfaktoren in der Wohlfahrtsstaatforschung, in: Zeitschrift für Sozialreform 57 (2011), H. 4, S. 371–382.
[4] Siehe Tomasz Inglot: Welfare States in East Central Europe, 1919–2004, Cambridge u.a. 2008, S. 121–123; Johan Jeroen De Deken: Social Policy in Postwar Czechoslovakia. The Development of Old-Age Pensions and Housing Policies During the Period 1945–1989, San Domenico 1994, S. 77; zudem war der Sozialstaat in der Sowjetunion historisch weniger tief verwurzelt, eine Rentenversicherung entstand erst in den späten 1920er-Jahren, siehe Stephen Lovell: Old Age and Hard Work in the Soviet Union, in: XIV. International Economic History Congress, Helsinki 2006, Session 89, S. 2.
[5] In den sozialistischen Staaten Osteuropas wurde das sowjetische sozialstaatliche Vorbild unterschiedlich adaptiert. Jakub Rákosník hat folgende Merkmale des kommunistischen Sozialstaats identifiziert, die empirisch in unterschiedlicher Gewichtung vorzufinden waren: Der Staat als hegemonialer Erbringer sozialer Sicherung, die Unterordnung der Sozial- unter die Wirtschaftspolitik, der Fokus auf Vollbeschäftigung, die Ablösung des Versicherungsprinzips durch jenes sozialer Absicherung, die Nutzung sozialer Sicherungsmaßnahmen zur Sanktionierung beziehungsweise Privilegierung von Bürgern sowie das Streben nach einem starken Wachstum des gesellschaftlichen Konsums. Siehe Jakub Rákosník: Sovětizace sociálního státu. Lidově demokratický režim a sociální práva občanů v Československu 1945–1960 [Die Sowjetisierung des Sozialstaats. Das volksdemokratische Regime und soziale Rechte der Bürger in der Tschechoslowakei 1945–1960], Praha 2010, S. 69 f.
[6] Zur Differenzierung von Amerikabildern in der Tschechoslowakei nach 1956 siehe ausführlich Darina Volf: Über Riesen und Zwerge. Tschechoslowakische Amerika- und Sowjetunionbilder 1948–1989, Göttingen 2017, S. 210–234.
[7] Thomas Lindenberger: Einleitung, in: ders. (Hg.): Massenmedien im Kalten Krieg. Akteure, Bilder, Resonanzen, Köln u. a. 2006, S. 9–23, hier S. 12 f.
[8] Zur Zensur und Selbstzensur in tschechoslowakischen Medien siehe u.a. Ivo Bock: »Unser ganzes System ideologischer Arbeit muss wie ein gut eingespieltes Orchester agieren«: Zensur in der UdSSR und der ČSSR, in: ders. (Hg.): Scharf überwachte Kommunikation. Zensursysteme in Ost(mittel)europa (1960er–1980er Jahre) (= Das andere Osteuropa. Dissens in Politik und Gesellschaft, Alternativen in der Kultur [1960er bis 1980er Jahre]. Beiträge zu einer vergleichenden Zeitgeschichte), Berlin u. a. 2011, S. 31–207, hier S. 76–103; ebenso Petr Šámal: Část sedmá: 1949–1989. V zájmu pracujícího lidu. Literární cenzura v době centrálního plánování a paralelních oběhů [Siebter Teil: 1949–1989. Im Interesse der arbeitenden Menschen. Literaturzensur in der Zeit der zentralen Planung und der parallelen Kreisläufe], in: Michael Wögerbauer u.a. (Hg.): V obecném zájmu. Cenzura a sociální regulace literatury v moderní české kultuře 1749–2014 [Im Interesse der Allgemeinheit. Zensur und soziale Regulierung der Literatur in der modernen tschechischen Kultur], Praha 2015, S. 1097–1226.
[9] De Deken: Social Policy in Postwar Czechoslovakia (Anm. 4), S. 89.
[10] Evžen Erban: Une Oeuvre de l’Humanisme Socialiste [Ein Werk des sozialistischen Humanismus], in: Bulletin de Droit Tchécoslovaque 15 (1957), H. 1–2, S. 1–3, hier S. 3, zit. nach: De Deken: Social Policy in Postwar Czechoslovakia (Anm. 4), S. 74.
[11] Zu den Hintergründen dieser Entwicklung siehe Inglot: Welfare States (Anm. 4), S. 132–136.
[12] Zur Reform und ihren Folgen siehe Karel Kaplan: Sociální souvislosti krizí komunistického režimu 1953–1957 a 1968–1975 [Soziale Kontexte der Krisen des kommunistischen Regimes 1953–1957 und 1968–1975] (= Sešity Ústavu pro soudobé dějiny AV ČR [Hefte des Instituts für Zeitgeschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik] 9), Praha 1993, S. 14–23; sowie Jakub Šlouf: Spřízněni měnou: Genealogie plzeňské revolty 1. června 1953 [Vereint durch die Währung. Eine Genealogie der Pilsener Aufstände des 1. Juni 1953], Praha 2016.
[13] Siehe De Deken: Social Policy in Postwar Czechoslovakia (Anm. 4), S. 89.
[14] Siehe Hoffmann: Entstalinisierung und Sozialpolitik im Ostblock (Anm. 2).
[15] Ebd., S. 445.
[16] Ebd., S. 461.
[17] Siehe De Deken: Social Policy in Postwar Czechoslovakia (Anm. 4), S. 89.
[18] Ebd., S. 89 f.
[19] Ebd.
[20] De Deken vermutet, dass Piloten mit der Aufnahme in diese Kategorie daran gehindert werden sollten, in den Westen zu fliehen. Siehe De Deken: Social Policy in Postwar Czechoslovakia (Anm. 4), S. 90.
[21] Siehe Inglot: Welfare States (Anm. 4), S. 137.
[22] Siehe De Deken: Social Policy in Postwar Czechoslovakia (Anm. 4), S. 90.
[23] Siehe Zákon č. 55/1956 Sb. o sociálním zabezpečení [Gesetz Nr. 55/1956 über die soziale Sicherung], § 9.
[24] Ebd., §§ 10–11. Siehe auch die tabellarische Übersicht bei De Deken: Social Policy in Postwar Czechoslovakia (Anm. 4), S. 91.
[25] Ebd., §§27–28.
[26] Přestavba národního pojištění (Anm. 1), S. 4
[27] M. Vojtovičová: Leckde nám budou závidět ... [Vielerorts wird man uns beneiden …], in: Vlasta vom 29. November 1956, S. 16.
[28] Siehe Přestavba národního pojištění (Anm. 1), S. 12.
[29] Ebd.
[30] Ebd., S. 14.
[31] Co se od nás očekává [Was von uns erwartet wird], in: Práce vom 25. Oktober 1956, S. 4.
[32] Jiří Štěpánek: Odkud bereme peníze na národní pojištění [Woher wir das Geld für die Nationalversicherung nehmen], in: Práce vom 2. November 1956, S. 4.
[33] Jarmila Křečková: Sociální zabezpečení u nás a na západě [Soziale Sicherung bei uns und im Westen], in: Práce vom 5. Oktober 1956, S. 4.
[34] Ver [Autorenkürzel]: U nás a u nich. K přestavbě národního pojištění [Bei uns und bei ihnen. Zum Umbau der Nationalversicherung], in: Rudé právo vom 13. Oktober 1956, S. 4.
[35] Křečková: Sociální zabezpečení u nás a na západě (Anm. 33).
[36] Ebd.
[37] Siehe Darina Volf: Constructing New Friends and Enemies. Rewriting Czechoslovak History after The Communist Takeover, in: Agnieszka Mrozik/Stanislav Holubec (Hg.): Historical Memory of Central and East European Communism (= Routledge Studies in Cultural History 9), New York/Abingdon 2018, S. 242–259, hier S. 254 f.
[38] Siehe Volf: Über Riesen und Zwerge (Anm. 6), S. 58–73. Die Versuche, positive Amerikabilder propagandistisch zurückzudrängen, waren letztendlich nicht erfolgreich, siehe dies.: Constructing New Friends and Enemies (Anm. 37).
[39] Zlepšujeme národní pojištění [Wir verbessern die Nationalversicherung], in: Rudé právo vom 2. Oktober 1956, S. 1.
[40] Siehe Bradley F. Abrams: The Struggle for the Soul of the Nation. Czech Culture and the Rise of Communism, Oxford 2004, S. 118.
[41] Siehe ausführlich Inglot: Welfare States (Anm. 4), S. 62–70.
[42] Zur Auswirkung des Münchner Abkommens auf tschechische nationale Selbstbilder siehe Hildegard Schmoller: Der Gedächtnisort »Münchner Abkommen« als Manifestation tschechischer Selbstbildnisse, in: Regina Fritz/Carola Sachse/Edgar Wolfrum (Hg.): Nationen und ihre Selbstbilder. Postdiktatorische Gesellschaften in Europa (= Diktaturen und ihre Überwindung im 20. und 21. Jahrhundert 1), Göttingen 2008, S. 90–107; Abrams: The Struggle for the Soul of the Nation (Anm. 40), S. 104–117.
[43] Zu den tschechoslowakischen Debatten um die Erste Republik und das Münchner Abkommen siehe u. a. Abrams: The Struggle for the Soul of the Nation (Anm. 40), S. 104–138; Christiane Brenner: Zwischen Ost und West. Tschechische politische Diskurse 1945–1948 (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 118), München 2009, S. 84–94.
[44] Po deseti letech [Nach zehn Jahren], in: Rudé právo vom 30. September 1948, S. 1.
[45] Siehe Abrams: The Struggle for the Soul of the Nation (Anm. 40), S. 118–125.
[46] Siehe z. B. Po deseti letech (Anm. 44). Zur Etablierung der UdSSR als »Beschützerin« der Tschechoslowakei in öffentlichen Diskursen siehe ausführlich Brenner: Zwischen Ost und West (Anm. 43), S. 409–417 und Volf: Über Riesen und Zwerge (Anm. 6), S. 118–127. Eine Auseinandersetzung mit der Rolle der UdSSR beim Münchner Abkommen fand erst nach 1989 statt, siehe Schmoller: Der Gedächtnisort »Münchner Abkommen« (Anm. 42), S. 93.
[47] Siehe z.B. Oldřich Říha: Bez 7. listopadu 1917 by nebylo 28. října 1918. Velká říjnová socialistická revoluce a 28. říjen [Ohne den 7. November 1917 hätte es keinen 28. Oktober 1918 gegeben. Die große sozialistische Oktoberrevolution und der 28. Oktober], in: Práce vom 28. Oktober 1950, S. 4. Der Autor, einer der wichtigsten kommunistischen Geschichtsschreiber seiner Zeit, machte den »Verrat« der nur am Machterhalt interessierten »Bourgeoisie« sowie der Sozialdemokraten dafür verantwortlich, dass die in seiner Lesart von Arbeitern getragene nationale Unabhängigkeitsbewegung schließlich im »bourgeoisen« System der Ersten Republik gemündet sei (siehe ebd.). In den folgenden Jahren trat das öffentliche Erinnern an den Gründungstag der Ersten Republik immer weiter hinter der Erinnerung an die Ausrufung der Verstaatlichung der Industrie am 28. Oktober 1945 zurück.
[48] Siehe Abrams: The Struggle for the Soul of the Nation (Anm. 40), S. 122; Volf: Über Riesen und Zwerge (Anm. 6), S. 11–14, 58–67.
[49] Siehe Jiří Knapík: Oni a Masaryk (Téma T. G. Masaryka v interpretačních proměnách KSČ 1945–1955) [Sie und Masaryk (Das Thema T. G. Masaryk im interpretatorischen Wandel der KSČ 1945–1955)], in: Acta historica et museologica Universitatis Silesianae Opaviensis 6 (2003), S. 363–385; Volf: Über Riesen und Zwerge (Anm. 6), S. 135 f.
[50] Siehe De Deken: Social Policy in Postwar Czechoslovakia (Anm. 4), S. 49.
[51] Siehe Inglot: Welfare States (Anm. 4), S. 78.
[52] Ebd.
[53] Sýlva Havlíčková: Domov důchodců [Das Altenheim], in: Rudé právo vom 25. November 1956, S. 3.
[54] Jarmila Křečková: K zamyšlení nad minulostí i přítomnosti. Hovoříme o novém sociálním zabezpečení [Zum Nachdenken über Vergangenheit und Gegenwart. Wir sprechen über die neue soziale Sicherung], in: Práce vom 7. Oktober 1956, S. 3.
[55] Přestavba národního pojištění (Anm. 1), S. 7.
[56] Ebd.
[57] Evžen Erban: Velké dílo solidarity [Das große Werk der Solidarität], in: Práce vom 27. Oktober 1956, S. 4.