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Seit 2017 präsentiert die Website der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Informationen und Materialien zur Kommunismusgeschichte. 2023 wurden die Inhalte der Seite erweitert und das Seitenlayout überarbeitet.

Die Besonderheit der Website:

kommunismusgeschichte.de verfügt über ein zentrales Suchfeld im oberen Bereich der Seite, das dem Nutzer auf der Startseite eine freie Suche ermöglicht, deren wichtigste Ergebnisse nach Relevanz sortiert, jeweils übersichtlich für alle Rubriken dargestellt werden. Darüber hinaus kann der Nutzer auch gezielt in den einzelnen 8 Kategorien und weiteren Unterkategorien suchen.

Die Website kommunismusgeschichte.de stellt verschiedenste Inhalte vor:

Hier finden sich News, Bücher, Websites, Ausstellungen, Gedenkorte, Opferinitiativen, Filme, Lexika, Rezensionen, Podcasts, Veranstaltungen und Quellen zur Geschichte des Kommunismus. Alle Inhalte werden in einem kurzen Text erläutert und vorgestellt. Zu den einzelnen Inhalten gibt es Fotos, Filme, Podcasts, weiterführende Links und teils eine kartografische Verortung. Der User bekommt einen ersten Eindruck vom Inhalt und kann sich dann gezielt weiter informieren.

Die Website kommunismusgeschichte.de ist Lotse in der Forschungslandschaft, sie leitet und lenkt mit ihrer Suchfunktion zu über 1000 Einzeleinträgen, die Licht in die Geschichte des Kommunismus bringen und kontinuierlich erweitert werden. Die Kategorie „Aktuelles“ bündelt News, Veranstaltungen und Onlinepresse, unter „Lesen“ finden sie nicht nur Hinweise auf Bücher und Rezensionen zum Thema, sondern seit 2023 auch vergriffene Standardwerke als E-Books, „Sehen“ bietet Filmmaterial, Spielfilme, Dokus sowie Videopodcasts der Stiftung. Unter „Hören“ verbirgt sich unser Podcast Kanal, in der Kategorie „Lernen“ finden sich Ausstellungen, Museen und Bildungsmaterialien, „Forschen“ bündelt viele Forschungseinrichtungen und Portale. In der Kategorie BioLex werden über 5500 Biografien aus drei Lexika zugänglich gemacht. Unter JHK sind die retrodigitalisierten Beiträge des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung von 1993 bis 2023 zu finden. Im JHK werden jährlich unter einem thematischen Schwerpunkt Aufsätze von Experten und Expertinnen der Kommunismusforschung publiziert. Wer an der Ereignisgeschichte interessiert ist, findet unter „Chronik“ in einer illustrierten Zeitleiste Schlaglichter auf die Geschichte des Internationalen Kommunismus im 20. Jahrhundert. Die interaktive Karte bietet dem Nutzer über eine Filterfunktion die Möglichkeit, bestimmte Inhalte der Website geografisch zu verorten.

Eine Suche, acht Kategorien, zahlreiche Ergebnisse. Die Website bietet viele Anregungen für Wissenschaftler, Mittler der historisch-politischen Bildung, Studierende, Lehrer und Journalisten.

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Wer war wer in der DDR?

Pljuschtsch, Leonid

* 1939 ✝ 2015




Leonid Pljuschtsch wurde 1939 in der kirgisischen Kleinstadt Naryn in einfachen Verhältnissen geboren. Als Kind war er schwer krank und vier Jahre ans Bett gefesselt. Sein Vater fiel als Soldat im Zweiten Weltkrieg. 1956 schloss Pljuschtsch die Schule mit Auszeichnung ab und begann ein Studium an der Physikalisch-Mathematischen Fakultät der Universität Odessa, das er jedoch abbrach. Ein Jahr arbeitete er als Lehrer an einer Dorfschule und studierte dann weiter. 1962 schloss er die Mechanisch-Mathematische Fakultät der Universität Kiew als Ingenieur ab. Bis 1968 war er im Fachgebiet Bio- und Psychokybernetik am Institut für Kybernetik der Akademie der Wissenschaften der Ukrainischen SSR beschäftigt.

Nach der Entmachtung Chruschtschows 1964 formulierte er in einem Brief an das Zentralkomitee der KPdSU Überlegungen zur Demokratisierung in der UdSSR. Ab 1966 beschäftigte er sich in Samisdat-Beiträgen mit dem Wesen und der Ideologie des Sowjetstaates und thematisierte die Probleme verschiedener Volksgruppen in der UdSSR. Wie viele andere Dissidenten seiner Generation war er überzeugter Marxist und glaubte an einen Sozialismus „mit menschlichem Antlitz“. Er betätigte sich aktiv in der national-demokratischen Bewegung der *Generation der Sechziger. Dabei fungierte er als Verbindungsmann zwischen den ukrainischen und den Moskauer Menschenrechtsaktivisten, machte den ukrainischen Samisdat in Moskau bekannt und brachte von dort Untergrundschriften nach Kiew, von wo aus sie im ganzen Land weiterverbreitet wurden.

Im Juli 1968 übte Pljuschtsch in einem Artikel, den er an die Zeitung „Komsomolskaja pravda“ schickte, scharfe Kritik an der sowjetischen Presseberichterstattung über Alexander Ginsburg (*Prozess der Vier) und verlor daraufhin seine Stelle an der Akademie der Wissenschaften. Er begann, Informationen über Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine für die *„Chronik der laufenden Ereignisse“ zu sammeln und engagierte sich für die Verbreitung des Bulletins *„Ukrajins’kyj visnyk“. 1968 solidarisierte er sich als Mitunterzeichner einer Petition mit den Teilnehmern der *Demonstration der Sieben. Im Mai 1969 fand er eine Stelle in einer Druckerei, verlor sie jedoch, nachdem er einen Brief an die UNO unterzeichnet hatte. Er trat der *Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR bei und unterzeichnete am 20. Mai 1969 deren erste Verlautbarung über ihre Gründung. Es folgten im Mai 1970 ein Brief über die Aktivitäten der Initiativgruppe an die Nachrichtenagenturen Novosti und Reuters sowie am 26. November 1971 ein Aufruf an die Teilnehmer des Fünften Internationalen Psychiatriekongresses, sich gegen den Missbrauch der Psychiatrie als Unterdrückungsinstrument in der UdSSR zu wenden. Zwischen 1969 und 1971 war er Mitunterzeichner von Solidaritätsbekundungen für Alexander Solschenizyn, Andrei Sacharow, Wladimir Bukowski und Schores Medwedew.

Am 15. Januar 1972 wurde Pljuschtsch unter dem Vorwurf der „antisowjetischen Agitation und Propaganda“ verhaftet. Im Januar 1973 befand das Kiewer Bezirksbericht, Pljuschtsch habe die Taten im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit begangen und verfügte mit der Diagnose „symptomfreie Schizophrenie“ seine Zwangseinweisung in die *Psychiatrische Spezialklinik Dnipropetrowsk. Dort wurde ihm acht Monate lang das Neuroleptikum Haloperidol verabreicht. Nach Bekanntwerden des Urteils begann in den USA und in Frankreich eine großangelegte Unterstützungskampagne für Pljuschtsch und den ebenfalls inhaftierten Juri Schychanowitsch. Ein eigens gegründetes Gremium nahm seine Arbeit auf. Aus ihm ging später das Komitee zur Verteidigung von Leonid Pljuschtsch hervor, das regelmäßig über die persönliche Situation von Pljuschtsch berichtete. Eine große Rolle bei der Bündelung und Weitergabe dieser Informationen spielte seine Ehefrau Tatjana Schytnikowa, die sich beharrlich für ihren Mann einsetzte. In Appellen und Briefen wandte sie sich an verschiedene Stellen und Einrichtungen in der UdSSR und im Ausland und forderte immer wieder den Abbruch der „Behandlung“. Zugleich bemühte sie sich um eine Ausreiseerlaubnis aus der UdSSR, da sie darin den einzigen Weg sah, ihren Mann zu retten.

Am 3. Juni 1974 verfügte eine Ärztekommission die Verlängerung der Behandlung Pljuschtschs. Noch im Sommer desselben Jahres forderte der Internationale Mathematikerkongress in einer Erklärung seine sofortige Freilassung. 1975 erschien im Samisdat das Buch „Die Geschichte der Krankheit von Leonid Pljuschtsch“ (Istorija bolezni Leonida Pljušča) von Tatjana Chodorowitsch. Am 23. Oktober 1975 fand in Paris eine große Solidaritätskundgebung für ihn statt. Pljuschtschs Freilassung forderten nun auch die Chefs der kommunistischen Parteien Frankreichs, Englands und Italiens. Sein Fall machte den politischen Missbrauch der Psychiatrie in der UdSSR weltweit bekannt.

Im Januar 1976 wurde Pljuschtsch schließlich entlassen und konnte aus der UdSSR ausreisen. Er ließ sich in Frankreich nieder, wo ihm von Psychiatern völlige geistige Gesundheit attestiert wurde. Noch im selben Jahr verfasste Pljuschtsch seine Autobiografie „Im Karneval der Geschichte“ (Na karnavale istorii), die in mehrere Sprachen übersetzt wurde. 1977 wurde Pljuschtsch Vertreter der *Ukrainischen Helsinki-Gruppe im Westen und setzte sich für in sowjetischen Gefängnissen und Lagern Inhaftierte ein. Ende der 70er Jahre kehrte er der Idee eines „guten“ Sozialismus endgültig den Rücken und wurde zum entschiedenen Antikommunisten. Er schrieb für die Exilzeitschriften *„Kontinent“, „22“ und „Forum“.

Sein Interesse verlagerte sich von politischen Themen hin zu kultur- und literaturwissenschaftlichen Fragen. Er trat dem Ukrainischen Schrifststellerverbandes „Slovo“ bei, wurde ordentliches Mitglied der Taras-Schewtschenko-Wissenschaftsgesellschaft und veröffentlichte 1989 die Monografie „Der Exodus von Taras Schewtschenko. Zum Gedicht ,Moskowiter Brunnen‘“ (Ekzod Tarasa Ševčenka. Navkolo ‚Moskalevoji krynyc‘).

Ab Beginn der 90er Jahre besuchte er wiederholt die Ukraine und nahm unter anderem im November 1994 in Kiew am Kongress ehemaliger politischer Gefangener teil. Pljuschtsch hat über zahlreiche Autoren publiziert, unter anderem Taras Schewtschenko, Mykola Chwylowyj, Wassyl Barka, Bohdan Ihor Antonytsch, Pawlo Tytschyna, Wassyl Stus, Mykola Rudenko, Oleksandr Dowschenko und #Alexander Galitsch. Seine Arbeiten wurden in ukrainischen, französischen und russischen Zeitschriften gedruckt. 1991 erschien sein Dokumentarfilm „Aus Kleinrussland in die Ukraine“ (Z Malorossiji na Ukrajinu). Des Weiteren verfasste er Beiträge zur Situation und zu den Perspektiven der ukrainischen Kultur.

Leonid Pljuschtsch starb am 4. Juni 2015 in Bessèges in Frankreich.



Jewhen Sacharow
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 09/20

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.