Wie in anderen kommunistischen Staaten war die Staatssicherheit in der DDR das zentrale Instrument diktatorischer Herrschaft. Zur Ausschaltung politischer Gegner verfügte sie neben weitreichenden Möglichkeiten der Überwachung über die exekutiven Rechte einer strafrechtlichen Ermittlungsbehörde und über eigene Untersuchungshaftanstalten. Ihre Stellung im System der politischen Strafverfolgung war so stark, dass sie zu allen Zeiten die Rechtsprechung in »ihren« Strafverfahren präjudizieren konnte. Trotzdem war die polizeiliche und justizielle Praxis in ihrem Zuständigkeitsbereich großen Wandlungen unterworfen, die man mit dem Begriff der Verrechtlichung fassen kann. Während anfangs Willkür, die vollkommene Entrechtung der Beschuldigten und eine latente Verletzung geltender Normen dominierten, musste sich auch die Staatssicherheit im Laufe der Jahre sukzessive rechtlich normierten Beschränkungen und Grundsätzen unterwerfen, die die Rechtsstellung der Beschuldigten verbessern und eine rationale Wahrheitsfindung sicherstellen sollten. Dieser wechselvolle, immer wieder von Rückfällen in alte Praktiken gekennzeichnete Prozess, in dem manchmal die »Parteilichkeit«, manchmal die »Gesetzlichkeit« im Vordergrund stand, soll im Folgenden nachgezeichnet werden.[1]
I. Willkür und erste Verrechtlichungsschritte unter sowjetischer Führung
Politische Repression war in den ersten Jahren der DDR weitgehend eine sowjetische Angelegenheit und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR in erster Linie Hilfsorgan der sowjetischen Staatssicherheit. Verhaftungen wurden häufig auf sowjetisches Geheiß vorgenommen und Untersuchungsvorgänge und Häftlinge routinemäßig an die Besatzungsmacht übergeben.[2] Außerdem übten die sowjetischen Instrukteure entscheidenden Einfluss auch auf diejenigen Strafverfahren aus, die formal in deutscher Hand blieben. Anfragen von Angehörigen Festgenommener durften grundsätzlich nur mit Zustimmung der sowjetischen Instrukteure beantwortet werden.[3] Diese Auskünfte wurden extrem restriktiv gehandhabt, was dazu führte, dass Festgenommene der Staatssicherheit – so wie es der gängigen sowjetischen Praxis entsprach – einfach »verschwanden«.
Wie erheblich und teilweise irrational der sowjetische Einfluss auf das repressive Agieren der DDR-Staatssicherheit war, zeigten die Vorgänge rund um den Fall Noel Field. Noel Field war zum Drahtzieher einer US-amerikanischen Verschwörung gegen das kommunistische Lager stilisiert worden und spielte als solcher im Anklagekonstrukt von Prozessen gegen sogenannte Parteifeinde in verschiedenen Ländern des kommunistischen Machtbereichs eine zentrale Rolle. Vor dem Hintergrund des Budapester Schauprozesses gegen den ehemaligen ungarischen Innenminister László Rajk und andere Spitzenfunktionäre wurden in der DDR im Sommer 1950 Vorbereitungen für ein ähnliches Vorgehen getroffen und einige kommunistische Funktionäre, denen man Beziehungen zu Noel Field unterstellen konnte, verhaftet: der Chefredakteur des Deutschlandsenders Leo Bauer, der stellvertretende Leiter des DDR-Presseamtes Bruno Goldhammer und der Reichsbahnpräsident Willi Kreikemeyer. Bereits im März 1950 war in diesem Zusammenhang der 2. Vorsitzende der westdeutschen KPD, Kurt Müller, nach Ost-Berlin gelockt und festgenommen worden. Seinen Nachfolger in dieser Funktion Fritz Sperling ereilte im Februar 1951 das gleiche Schicksal. Im November 1952 wurde dann in diesem Kontext auch das ehemalige Politbüromitglied Paul Merker verhaftet, der im August 1950 lediglich aus der SED ausgeschlossen worden war. Zum offensichtlich geplanten großen Schauprozess kam es in der DDR jedoch nicht, zunächst, weil die Sowjetunion in der DDR aus deutschlandpolitischen Gründen vorsichtiger war, und später, weil sich die Ermittlungen, insbesondere aufgrund der Widerspenstigkeit von Merker, zu lange hinzogen und mit dem Tod Stalins im März 1953 die treibende Kraft wegfiel.[4]
Obwohl zu dieser Zeit in der DDR eigentlich noch die Reichsstrafprozessordnung galt, wurden vom MfS noch nicht einmal die grundlegendsten strafverfahrensrechtlichen Prinzipien eingehalten. Eine einschlägige Richtlinie von 1950 enthält zwar die Bestimmung, dass gemäß »der gültigen Strafprozessordnung […] beim Staatsanwalt bzw. Richter« ein Haftbefehl zu erwirken sei.[5] Doch das geschah bis 1952 selten. Die mit »Haftbefehl« überschriebenen Formulare, mit denen das MfS damals arbeitete, sahen oftmals nur die Unterschrift des verantwortlichen leitenden Staatssicherheitsoffiziers vor. Die Haftbeschlüsse wurden zudem in aller Regel von der zuständigen operativen Diensteinheit gefällt und nicht von einem Untersuchungsoffizier. Auch die ersten Vernehmungen wurden üblicherweise von den operativen Abteilungen, also von Offizieren durchgeführt, die noch nicht einmal eine rudimentäre juristische Ausbildung durchlaufen hatten. Nicht selten wurden die Häftlinge erst Wochen oder gar Monate nach ihrer Festnahme an die zuständige Untersuchungsabteilung weitergereicht.[6]
Typisch für diese Rechtlosigkeit von Beschuldigten im MfS-Gewahrsam war etwa der Fall des ehemaligen Staatssekretärs im DDR-Justizministerium, Helmut Brandt (CDU), der nach Kritik an den Waldheimer Prozessen, bei denen mehrere Tausend vermeintliche und tatsächliche NS-Täter in Schnellverfahren abgeurteilt worden waren, im September 1950 festgenommen wurde. Die Staatssicherheit hielt ihn fast zwei Jahre lang gefangen, bevor sie im August 1952 einen richterlichen Haftbefehl für ihn erwirkte. Brandt wurde bei den Vernehmungen misshandelt,[7] was gerade bei prominenten Untersuchungshäftlingen üblich war. Im Falle von Fritz Sperling sind ebenfalls Misshandlungen dokumentiert.[8] Drohungen aller Art, auch Todesdrohungen wie im Fall von Paul Merker,[9] und permanenter Schlafentzug durch ausgedehnte Nachtverhöre waren in dieser Zeit (und bis mindestens 1956) eher die Regel als die Ausnahme. Diese Praxis wog umso schwerer, als die DDR-Gerichte ab Januar 1951 – entgegen der noch geltenden Reichsstrafprozessordnung – die Vernehmungsprotokolle der Staatssicherheit mit den dort niedergeschriebenen »Aussagen« der Beschuldigten als Beweismittel werten konnten, selbst wenn die Angeklagten diese Geständnisse vor Gericht widerriefen.[10]
Das Gebaren der Staatssicherheit, das nicht nur der Strafprozessordnung (StPO), sondern auch Artikel 136 der DDR-Verfassung widersprach, in dem grundlegende Beschuldigtenrechte ebenfalls garantiert waren,[11] sorgte für verbreiteten Unmut insbesondere bei den Angehörigen von Verhafteten. Die Oberste Staatsanwaltschaft der DDR sah sich deshalb im Mai 1951 veranlasst, hierfür eine rechtliche Legitimation zu liefern. Sie behauptete, dass DDR-Verfassung und StPO bei den Ermittlungsverfahren, die von der Staatssicherheit als strafrechtliches Untersuchungsorgan durchgeführt wurden, nicht maßgeblich seien, weil hier alliiertes Recht, namentlich die Kontrollratsdirektive Nr. 38 und die Ausführungsbestimmungen zum SMAD-Befehl 201, zur Anwendung kämen.[12] Diese Rechtsnormen, die ursprünglich der Bestrafung von NS-Tätern dienten, wurden inzwischen überwiegend gegen Gegner der kommunistischen Herrschaft und andere »Feinde« angewandt.
Überraschend ist, dass die verhängten Strafmaße vor 1952 im Mittel relativ niedrig waren. Sie lagen überwiegend unter fünf Jahren Haft. Todesurteile vor DDR-Gerichten auf der Grundlage von MfS-Ermittlungsverfahren gab es vor Sommer 1952 gar nicht. Die zurückhaltende Urteilspraxis hatte mehrere Gründe. Die Säuberung der Richterschaft war zu dieser Zeit noch nicht vollständig abgeschlossen, und so pflegten die zuständigen Richter damals teilweise noch eine relativ milde Spruchpraxis, die bereits in SBZ-Zeiten auf wenig Freude bei SED und Besatzungsmacht gestoßen war.[13] MfS und Staatsanwaltschaften waren mit dieser Urteilspraxis latent unzufrieden und versuchten immer wieder, die Urteile in Berufungsverfahren nach oben zu korrigieren.[14]
Der zweite Grund für die relativ niedrigen Strafmaße dürfte die Tatsache gewesen sein, dass vor DDR-Gerichten überwiegend die leichteren Fälle verhandelt wurden, während die als schwerwiegend angesehenen Fälle vom MfS zumeist an die sowjetische Staatssicherheit abgegeben wurden und anschließend vor die Sowjetischen Militärtribunale (SMT) kamen, die eine drakonische Spruchpraxis pflegten. Hier waren – ganz anders als bei den Urteilen der DDR-Gerichte – Strafmaße, die unter zehn Jahren Haft lagen, die Ausnahme, 25 Jahre Haft dagegen Standard. Nach Wiedereinführung der Todesstrafe verhängten SMT in den Jahren 1950 bis 1952 mindestens 1087 Todesurteile gegen deutsche Zivilisten, die überwiegend auch vollstreckt wurden.[15] Betrachtet man die 1629 Personen, die im Jahr 1951 von SMT verurteilt wurden, und die 3790 im selben Jahr in den Untersuchungsabteilungen des MfS registrierten Beschuldigten, so zeigt sich, dass ein erheblicher Teil der politischen Strafverfolgung in der DDR in dieser Zeit noch auf das Konto der sowjetischen Militärjustiz ging.
Im Jahr 1952 erfolgte eine weitergehende Übernahme der politischen Strafjustiz durch die DDR-Organe und die Integration der strafrechtlichen Untersuchungstätigkeit des MfS in das DDR-Rechtssystem. Vor dem Hintergrund deutschlandpolitischer Überlegungen übergab die Sowjetische Kontrollkommission (SKK) der SED-Führung im November 1951 ein Memorandum, das »Mängel und Fehler« in der Strafverfolgungspraxis beklagte, die »eine gewisse Unzufriedenheit in der Bevölkerung« verursacht hätten und »von der in- und ausländischen Reaktion im Kampf gegen die demokratischen Kräfte ausgenutzt« werde. Die SKK forderte die Beendigung willkürlicher Verhaftungen, die Benachrichtigung der Angehörigen Inhaftierter (die das Ministerium für Staatssicherheit der Sowjetunion noch zehn Monate zuvor praktisch untersagt hatte) und eine staatsanwaltschaftliche Aufsicht über strafrechtliche Untersuchungen sowie die Untersuchungshaft.[16]
Am 11. Dezember 1951 erließ das SED-Politbüro einen entsprechenden Beschluss.[17] Zunächst sollten eine weitere Säuberung der Justiz »von reaktionären und zweifelhaften Elementen« erfolgen und »besonders qualifizierte und überprüfte« Untersuchungsrichter »in Vereinbarung mit den Staatssicherheitsorganen« bestellt werden, die für die Haftbefehle bei MfS-Gefangenen zuständig werden sollten. Zudem wurde der Ministerrat beauftragt, der Staatsanwaltschaft die Aufsicht über alle strafrechtlichen Untersuchungen, auch die der Staatssicherheit, zu übertragen, was im Frühjahr 1952 normativ umgesetzt wurde.[18]
Zentral war dabei die Anpassung der MfS-Praxis bei vorläufigen Festnahmen und Verhaftungen an die Normen der StPO. Festgenommene waren »binnen 24 Stunden« dem Aufsicht führenden Staatsanwalt zu melden und dem zuständigen Richter zur Erwirkung eines Haftbefehls vorzuführen.[19] Der Staatsanwalt hatte dafür zu sorgen, dass dem Festgenommenen »bei der ersten richterlichen Vernehmung der Grund der Verhaftung eröffnet wird und dass – sofern der Zweck der Untersuchung nicht gefährdet wird – auf seinen Wunsch einer von ihm benannten Person Mitteilung von der Verhaftung gemacht wird«.[20]
Mindestens ebenso bedeutsam war die Einführung einer staatsanwaltschaftlichen Aufsicht über die strafrechtlichen Untersuchungen des MfS, die allerdings auf einen kleinen Kreis von Staatsanwälten beschränkt wurde, die für diese Aufgabe vom Generalstaatsanwalt »im Einvernehmen« mit dem MfS bestellt wurden.[21] In der betreffenden Rundverfügung wird ausdrücklich festgestellt, dass die Aufsicht des Staatsanwaltes »mit dem Zeitpunkt der Festnahme« beginne und dass der Aufsicht führende Staatsanwalt das Recht habe, »in die Akten der Untersuchungsorgane jederzeit Einsicht zu nehmen« und »sich jederzeit an den Vernehmungen selbst zu beteiligen«.[22] Auch wurde jetzt das Vorgehen des Staatsanwaltes bei etwaigen Rechtsverletzungen des MfS ausdrücklich geregelt.[23]
In der Praxis waren jedoch sowohl die Möglichkeiten als auch der Wille der Staatsanwaltschaften beschränkt, diese Kompetenzen wirklich auszuschöpfen. Ein entscheidendes Hindernis war, dass selbst diese besonders »überprüften« Staatsanwälte der für Staatssicherheitsdelikte zuständigen Abteilung I der Staatsanwaltschaften nur einen sehr begrenzten Einblick in das tatsächliche Ermittlungsgeschehen hatten: Bereits im März 1952 (im Vorgriff auf die zu erwartende staatsanwaltschaftliche Aufsicht) war im Untersuchungsorgan des MfS das Prinzip der doppelten Aktenführung verbindlich gemacht worden.[24] Diese diente der »Wahrung der Konspiration der Arbeitsmethoden« gegenüber der Staatsanwaltschaft und wurde jetzt nochmals ausdrücklich bestätigt. In der Hauptakte zum Ermittlungsverfahren sollte nur das offizielle und strafprozessual legale Material abgelegt werden. Daneben führte der MfS-Untersuchungssachbearbeiter eine Handakte mit dem internen Schriftverkehr, dem operativen Material sowie den Niederschriften der sogenannten Zelleninformatoren, der Spitzel, die in den MfS-Untersuchungshaftanstalten auf die Beschuldigten angesetzt wurden. In diese Akte hatte der aufsichtführende Staatsanwalt keinen Einblick.[25]
Die formale Unterwerfung der MfS-Untersuchungstätigkeit unter das geltende Strafverfahrensrecht war letztlich auch deshalb nicht so einschneidend, weil wenig später, im Oktober 1952, die neue DDR-Strafprozessordnung erlassen wurde, die die Beschuldigtenrechte deutlich eingeschränkte. Auf eine sowjetische Intervention hin wurde die Möglichkeit des Rechtsbeistandes während des Ermittlungsverfahrens durch die Einschränkung relativiert, dass diese »den Zweck der Untersuchung« nicht gefährden dürfe.[26] Es sollte sich zeigen, dass eine solche Gefährdung des Untersuchungszwecks in MfS-Verfahren als Regelfall angenommen wurde. Eine MfS-interne Dienstanweisung vom Dezember 1953 bestimmte demnach auch, dass Beschuldigten vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens eine Sprech- und Schreiberlaubnis grundsätzlich nicht zu gestatten sei.[27]
Im Oktober 1952 kam es zu einer ersten umfassenden Initiative des Ministers für Staatssicherheit Wilhelm Zaisser, die Praxis der Misshandlungen von Untersuchungshäftlingen abzustellen. In einem zentralen Befehl gab er die Absetzung und Degradierung des Leiters einer MfS-Bezirksverwaltung wegen »Übergriffen« bei Vernehmungen bekannt,[28] und im Spätherbst 1952 wurden auch erste Strafverfahren gegen MfS-Mitarbeiter wegen Aussageerpressung und Körperverletzung aktenkundig.[29]
Es ist bemerkenswert, dass diese erste Etappe der Verrechtlichung sicherheitspolizeilicher und justizieller Repression in der DDR in die ausgehende Stalin-Ära fällt, die ansonsten eher von einer ausgeprägten Willkürpraxis gekennzeichnet war. Entsprechend widersprüchlich waren die sowjetischen Einflussnahmen, in denen zunächst auf Milderungen bedachte deutschlandpolitische Gesichtspunkte dominierten, später dann aber ein dezidiert repressiver Kurs. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Erarbeitung eines neuen DDR-Strafgesetzbuches, die ebenfalls im November 1951 angestoßen wurde. Hiermit sollten differenzierte politische Straftatbestände in Anlehnung an das sowjetische Strafrecht eingeführt und damit der juristisch hochproblematische Rückgriff auf die Kontrollratsdirektive 38 und den Artikel 6 der DDR-Verfassung[30] als Strafnorm abgelöst werden.
Die Arbeiten am Gesetzentwurf standen zunehmend unter dem Druck sich verhärtender politischer Vorgaben und wurden erst im Frühjahr 1953 abgeschlossen. Doch als am 5. März 1953 Stalin starb und die neue sowjetische Führung wiederum einen Kurswechsel einleitete, passte das Gesetz nicht mehr in die politische Landschaft. Ein im Mai 1953 von sowjetischer Seite dem Ministerpräsidenten Otto Grotewohl übergebenes »Merkblatt« kritisierte den Gesetzentwurf jetzt wegen der Unbestimmtheit verschiedener Straftatbestände und der Härte der vorgesehenen Strafen. Mit dem auch in justizpolitischer Hinsicht milderen »Neuen Kurs«, der der DDR-Führung von der sowjetischen Führung im Juni 1953 diktiert wurde, vertrug er sich in keiner Weise – das Vorhaben wurde erst einmal begraben.[31]
II. »Schwert der Partei« und »Rechtspflegeorgan« – Entwicklungen und Rückschläge in der Ulbricht-Ära
Wie von der sowjetischen Führung gefordert, kam es ab Juni 1953 zu umfangreichen Entlassungen von Strafgefangenen und Untersuchungshäftlingen. Insgesamt wurden in der DDR bis zum Jahresende 24 000 Gefangene freigelassen.[32] Dagegen wurden im Zusammenhang mit dem Aufstand vom 17. Juni 1953 nur rund 1500 Personen von DDR-Gerichten neu zu Haftstrafen verurteilt.[33] Auch die Strafmaße fielen jetzt im Allgemeinen deutlich niedriger aus als vor dem Juni-Aufstand. Gegen Aufständische, die nicht als Rädelsführer eingestuft wurden, ermittelte in der Regel die Volkspolizei. Die Urteile lauteten häufig lediglich auf ein bis zwei Jahre Gefängnis wegen Landfriedensbruchs.
Doch der justizpolitisch milde »Neue Kurs« schwächte sich sukzessive ab, als die Machthaber als Antwort auf den Volksaufstand eine Strategie der »konzentrierten Schläge« gegen westliche Nachrichtendienste, antikommunistische Organisationen und politische Gegner initiierten. Von Oktober 1953 bis April 1955 kam es zu mehreren Verhaftungswellen mit Hunderten von Festgenommenen, flankiert von einer ausgeklügelten Propaganda, die die einschüchternde Wirkung der Maßnahmen verstärken sollten.[34] In diesem Sinne bezeichnete der neue Staatssicherheitschef Ernst Wollweber im April 1954 auf dem IV. SED-Parteitag sein Organ als das »scharfe Schwert der Partei, mit dem der Feind unerbittlich geschlagen werde«.[35] Das bei diesen »Aktionen« angewandte Grundprinzip bestand darin, auf einen Schlag alle Personen zu verhaften, bei denen nach Aktenlage eine ausreichende strafrechtliche Belastung erkennbar schien. Natürlich führte diese Praxis zu »unbegründeten Verhaftungen« aller Art, mit denen sich am Ende sogar die Sicherheitskommission des SED-Politbüros befassen musste. »Übereilte Festnahmeersuchen« auf der Grundlage von unüberprüften Informationen wurden kritisiert. Die Partei verlangte jetzt ausdrücklich, dass die Untersuchungsabteilungen noch vor der Festnahme einbezogen werden sollten, um »eine objektive Beurteilung des als Grundlage für den Vorschlag zur Verhaftung dienenden Materials zu erreichen«.[36]
Wollweber verpflichtete seine Mitarbeiter Ende Dezember 1954 zu einer größeren Sorgfalt bei den Ermittlungen und bei der Einhaltung strafverfahrensrechtlicher Vorschriften. Vom 1. Januar bis zum 30. September 1954 seien 282 Untersuchungshäftlinge der Staatssicherheit mangels Beweisen aus der Haft entlassen worden, bei weiteren 104 Beschuldigten habe die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt und 96 Angeklagte seien von den Gerichten freigesprochen worden. Bei den meisten dieser Fälle hätten »vor der Verhaftung weder ausreichende Beweise für ihre strafbare Handlung noch stichhaltige Verdachtsmomente« vorgelegen. Es habe zahlreiche Fälle von Namensverwechslungen und Festnahmen auf der Grundlage »unüberprüfter einseitiger« Berichte inoffizieller Mitarbeiter gegeben.[37] Die Staatssicherheit sei aber der »Partei und Regierung gegenüber in vollem Umfange dafür verantwortlich«, dass sie die ihr »übertragenen Machtbefugnisse verstärkt gegen die tatsächlichen Feinde […] und zum Schutze der werktätigen Bevölkerung gegen feindliche Anschläge« einsetze.[38] In Fällen, wo sich der Verdacht nicht bestätige, sei dafür Sorge zu tragen, »dass die zu Unrecht verhaftete Person in kürzester Zeit vollkommen rehabilitiert« werde.[39]
Es wird deutlich, dass SED und Staatssicherheit schon vor dem »Tauwetter« von 1956 um Qualitätssteigerung bei der Beweisführung und um ein Mindestmaß an Rechtsförmigkeit der Verfahren bemüht waren. Auch die immer noch übliche Gewaltanwendung bei den Vernehmungen wurde mit zunehmender Konsequenz bekämpft.[40] Im August 1955 erließ Wollweber einen entsprechenden Befehl, mit dem er bekannt gab, dass bei der Überprüfung einer Bezirksverwaltung festgestellt worden sei, dass Vernehmer Untersuchungshäftlinge misshandelt hätten, »worunter sich unter anderem eine Person befand, die wegen Mangel[s] an Beweisen kurze Zeit später entlassen werden musste«. »Solche Handlungen« seien »geeignet, das Ansehen der Organe der Staatssicherheit in der Öffentlichkeit zu schädigen«.[41] Der Leiter der betreffenden Untersuchungsabteilung wurde degradiert und in eine andere Bezirksverwaltung versetzt.
Die Auswirkungen des XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956, auf dem Nikita Chruščëv mit den Verbrechen Stalins abrechnete, auf die Repressionspraxis der Staatssicherheit waren dagegen eher begrenzt, weil Ulbricht die sowjetischen Einflüsse, so gut er konnte, mit der Vorgabe abwehrte, politische »Fehlerdiskussionen« müssten unbedingt vermieden werden.[42] Auch Erich Mielke, der als Stellvertreter der bisherigen Staatssicherheitschefs für die konkrete Repressionspraxis verantwortlich gewesen war, hatte natürlich kein Interesse an der Aufarbeitung seiner eigenen Verfehlungen. Selbst die vollkommen konstruierten Beschuldigungen und »Beweisführungen« gegen hochrangige »Parteifeinde« in der Zeit vor Stalins Tod wurden nicht selbstkritisch diskutiert. So widmete sich das Kollegium des MfS am 19. März 1956 knapp drei Stunden der Überprüfung der Fälle Kurt Müller, Bruno Goldhammer, Leo Bauer, Paul Merker und Max Fechner. Es handelte sich demnach ausschließlich um Verfahren gegen hohe Funktionäre, die der SED oder der KPD angehörten und die, obwohl strafrechtlich eindeutig unschuldig, aus politischen Gründen kriminalisiert worden waren. Bezeichnenderweise behauptete Mielke laut Sitzungsprotokoll unwidersprochen, »dass sämtliche gegebenen Hinweise über die Gruppe Field/Slansky gründlich überprüft wurden und keine Festnahmen durchgeführt wurden, wo keine konkreten Beweismittel vorlagen«.[43]
Angesichts einer solchen Haltung bei den DDR-Verantwortlichen bedurfte es wiederum einer sowjetischen Initiative, um 1956 in der Staatssicherheit weitere Verrechtlichungsschritte in Gang zu setzen. Ein Vermerk der sowjetischen Berater der Staatssicherheit von Anfang Mai 1956 thematisierte neben vielen Kritikpunkten an der Untersuchungstätigkeit des MfS, die schon in den internen Diskussionen von 1955 eine Rolle gespielt hatten, vor allem, dass die vorläufige Festnahme ohne Haftbefehl, die die Strafprozessordnung nur als Ausnahme vorsehe, in der Praxis der Staatssicherheit der Regelfall sei. Zudem wurde kritisiert, dass Verhaftungen im Hinblick auf die Erwirkung des richterlichen Haftbefehls nicht selten unter Verletzung der 24-Stunden-Frist erfolgten.[44] Die »Freunde« forderten vom MfS »die unbedingte Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen«. Außerdem verlangten sie, dass die Häftlinge »in der Regel« sofort nach der Festnahme »mit dem gesamten über sie vorhandenen Beweismaterial den Untersuchungsabteilungen übergeben werden« sollten, um so die Erwirkung eines richterlichen Haftbefehls in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist zu ermöglichen. Wenn die Möglichkeit einer Anwerbung des Festgenommenen bestehe, so sei die Teilnahme der zuständigen operativen Mitarbeiter an den Vernehmungen zu gestatten.[45]
Im Jahr 1956 kam es immerhin zu einer Stärkung der Position der Justizorgane gegenüber dem MfS. Auf einer Parteiaktivtagung im Ministerium für Staatssicherheit am 11. Mai 1956 musste auch Ulbricht wenigstens partiell auf die neue Linie einschwenken. Er ermahnte das Untersuchungsorgan, dass es »normale Beziehungen zu den Staatsanwälten« herstellen solle. Die Tendenzen, »manchmal so ein bisschen zu drücken auf den Staatsanwalt und auf den Richter«, müsse man »vermeiden«. Die Untersuchungsoffiziere sollten durch die Beweisführung überzeugen und nicht dadurch, dass sie dem Staatsanwalt oder dem Richter Anweisungen erteilten.[46]
Das politische »Tauwetter« währte in der DDR allerdings nur kurz. Schon ab dem Spätherbst 1956 ging es der SED-Führung – vor dem Hintergrund des Ungarn-Aufstandes – vor allem darum, »liberalistische Tendenzen in der Justiz« zu bekämpfen und die Staatssicherheit zu mehr Tatkraft zu ermuntern.[47] Diese Tendenz verstärkte sich im Folgejahr. Ernst Wollweber schärfte seinen Offizieren jetzt ein, wenn sie eine Verhaftung für notwendig hielten, müssten sie diese Ansicht offensiv vertreten und sich nicht mit den Entscheidungen der Justizorgane abfinden.[48] Dies war unzweifelhaft die implizite Aufforderung, wieder zu den alten Methoden der Druckausübung auf Staatsanwälte und Richter zurückzukehren. Die neue Linie schlug sich in den Verhaftungszahlen nieder, die deutlich anstiegen: Von 1956 auf 1957 wuchs die Zahl der Beschuldigten in MfS-Ermittlungsverfahren um gut 27 Prozent und im Jahr 1958 sogar um 63 Prozent.[49]
Von großer Bedeutung für die politische Strafverfolgung war der Erlass des Strafrechtsergänzungsgesetzes (StEG) im Dezember 1957, das dem MfS erstmals differenzierte politische Strafrechtsnormen an die Hand gab. Es galt als »Konkretisierung« des Artikels 6 der Verfassung und konnte somit nach dem Rechtsverständnis der DDR auch rückwirkend angewandt werden.[50] Die hier normierten Straftatbestände können ihre Anlehnung an das sowjetische politische Strafrecht, d. h. an die Normen der Artikel 58 und 59 des Strafgesetzbuches der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik, nicht verleugnen. Auch die krisenhaften Ereignisse des Jahres 1956 hatten sich in den Tatbestandsdefinitionen niedergeschlagen, insbesondere in § 13 Strafergänzungsgesetz (StEG) »Staatsverrat«, bei dem es sich eigentlich um den Hochverratsparagrafen handelte, der allerdings neben dem »gewaltsamen Umsturz« auch die »planmäßige Untergrabung« der »verfassungsmäßigen Staats- oder Gesellschaftsordnung« unter Strafe stellte und damit gegen jede Form von organisierter politischer Opposition angewendet werden konnte. Er kam jedoch nur in den Jahren 1958 bis 1960 gegen insgesamt 45 Beschuldigte zur Anwendung, von denen die meisten sogenannte Revisionisten mit SED-Parteibuch aus dem intellektuellen Milieu waren. Als für das MfS quantitativ bedeutsamster Straftatbestand des StEG erwies sich in den Folgejahren § 19 »Staatsgefährdende Propaganda und Hetze«, der der Bekämpfung von mündlichen und schriftlichen oppositionellen Äußerungen diente. Er wurde von 1958 bis 1967 in fast 5400 Ermittlungsverfahren herangezogen.
Die Jahre um den Mauerbau waren von einem justizpolitischen Schlingerkurs geprägt. Zunächst setzte der frisch ins Amt eingetretene Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht am 30. Januar 1961 mit dem Staatsratsbeschluss zur weiteren Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege ein justizpolitisches Entspannungssignal, das auf eine differenziertere, integrativere und mildere Justizpraxis zielte.[51] Die milde Phase war jedoch nur von kurzer Dauer. Nach der Sperrung der Berliner Sektorengrenze am 13. August 1961 kam es zu einer extremen repressiven Kehrtwende, die allerdings im Frühjahr 1962 abrupt wieder beendet wurde. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Fernwirkung des XXII. Parteitages der KPdSU im Oktober 1961, der in der Sowjetunion die zweite Entstalinisierungsphase eingeleitet hatte. Nach der Abriegelung des eigenen Staatsgebietes betrachtete die SED-Führung im Frühjahr 1962 die DDR als ausreichend konsolidiert, um den justizpolitischen Kurs des Staatsratsbeschlusses wieder aufgreifen zu können. Am 17. April 1962 verabschiedete das Politbüro eine Vorlage, die ihn in einem noch weitergehenden Sinn neu interpretierte.[52]
Das Papier zielte u. a. auf die strafverfahrensrechtliche Normalisierung der Rolle der Staatssicherheit: Der Generalstaatsanwalt wurde verpflichtet, »besonders auf die Einhaltung der Gesetzlichkeit bei Verhaftungen zu achten«. Bei »der Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft« seien strengste Maßstäbe anzulegen«. Das »Prinzip der Unabhängigkeit der Richter und das Prinzip ihrer alleinigen Unterordnung unter die Gesetze« dürfe nicht verletzt werden. Außerdem seien die Weisungen des Generalstaatsanwaltes für die Untersuchungsorgane grundsätzlich verbindlich.[53]
Ein undatiertes Grundsatzpapier aus dem ZK-Apparat rügte zahlreiche Verstöße der Untersuchungsabteilungen des MfS gegen die »sozialistische Gesetzlichkeit«. Eine Reihe von Rechtsnormen werde dahingehend verletzt, dass gesetzliche Ausnahmebestimmungen zur Regel gemacht würden, etwa die Festnahme ohne Haftbefehl oder die Hausdurchsuchung ohne staatsanwaltschaftliche Anordnung. Mitarbeiter der Untersuchungsorgane drängten Inhaftierte zum Rechtsmittelverzicht.[54] Hinzu komme, dass die für die MfS-Ermittlungsverfahren zuständige Abteilung I der Staatsanwaltschaften ihre Aufsichtspflicht gegenüber dem Untersuchungsorgan nur »ungenügend« ausübe. »Verstöße gegen die sozialistische Gesetzlichkeit« würden geduldet, weil die Staatsanwälte dem MfS gegenüber »befangen« seien, was daran liege, dass ihre Berufung vom MfS bestätigt werden müsse.[55]
Erich Mielke reagierte auf die neuen politischen Vorgaben mit einem Grundsatzbefehl: Er schärfte seinen Untersuchungsabteilungen ein, dass die Strafprozessordnung von der Einleitung bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens »strengstens einzuhalten« sei und die »Rechte der Beschuldigten« gewahrt werden müssten. In der Untersuchungsarbeit sei »allseitige Sachaufklärung« einschließlich der Berücksichtigung entlastender Umstände zu leisten. Inhaftierungen müssten durch die Schwere der Straftat bzw. einen Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr begründet sein, und bei Straftaten von »geringer Gesellschaftsgefährlichkeit« sei schon im Ermittlungsstadium zu prüfen, ob eine Strafe ohne Freiheitsentzug vorgeschlagen oder von der Strafverfolgung ganz abgesehen werden könne.[56]
Am 10. Juni 1963 erließ der Generalstaatsanwalt der DDR die Anweisung Nr. 3/63 zur Anleitung und Kontrolle der Untersuchungsorgane durch die Staatsanwaltschaft,[57] die insbesondere die strafverfahrensrechtlichen Grundsätze bekräftigte, gegen die das MfS und die ihm zugeordneten Staatsanwälte und Haftrichter in der Vergangenheit routinemäßig verstoßen hatten. Entgegen der Auffassung, die in den 1950er-Jahren insbesondere beim MfS dominant war, wurde jetzt betont, dass das Ziel der Vernehmung »die Erforschung der objektiven Wahrheit und nicht nur das Geständnis des Beschuldigten« sein müsse. Die DDR-Rechtswissenschaft distanzierte sich inzwischen recht entschieden von der gegenteiligen Auffassung des ehemaligen sowjetischen Generalstaatsanwaltes und Rechtstheoretikers Andrej J. Vyščinskij.[58]
Bezeichnenderweise galt die Anweisung Nr. 3/63 des DDR-Generalstaatsanwaltes aber nur scheinbar ohne Abstriche für alle Untersuchungsorgane. Ein internes Begleitschreiben des MfS-Untersuchungsorgans zählt neun für das MfS abweichende Festlegungen auf. Unter anderem galt der ganze erste Abschnitt über »Die Kontrolle der Anzeigeaufnahme und die Bearbeitung durch das Untersuchungsorgan« nur für das Ministerium des Innern und die Zollverwaltung. Die Verpflichtung des Untersuchungsorgans, bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens die Ermittlungsverfügung »unverzüglich« an den Staatsanwalt zu leiten, wurde für das MfS lediglich für die Verfahren ohne Haft verbindlich gemacht. Und die Festlegung, dass dem Staatsanwalt die Kontrolle des Untersuchungsplans obliege, wurde – mit der Begründung, dass dort »die konspirativen Mittel und Methoden« des MfS Berücksichtigung finden müssten – vollständig außer Kraft gesetzt. Diese inoffiziellen Sonderregelungen für das MfS wurden den Bezirksstaatsanwälten von der Obersten Staatsanwaltschaft lediglich »mündlich« mitgeteilt.[59] Eine vollständige strafverfahrensrechtliche Normalisierung der Arbeit der MfS-Untersuchungsorgane erfolgte demnach auch 1963 nicht.
Seit Mai 1962 gab es, was zuvor nur in seltenen Ausnahmefällen vorkam, im MfS monatlich gut 20 Prozent Beschuldigte in MfS-Ermittlungsverfahren ohne Haft.[60] Im Jahr 1963 wurden sogar rund 24 Prozent der vom MfS Beschuldigten nicht verhaftet. Schon ab 1964 begann diese Quote wieder zu sinken, in den 1970er-Jahren war sie nur noch einstellig.[61] Im Jahr 1965 ging das justizpolitische »Tauwetter« zu Ende, ohne die strafverfahrensrechtliche Sonderrolle des MfS beseitigt zu haben, aber immerhin hatte es sie abgemildert.
III. Die Honecker-Ära: Repression und repressive Selbstbeschränkung mit Blick auf den Westen
Im Jahr 1968 erhielt die DDR eine neue Strafprozessordnung und ein neues Strafgesetzbuch (StGB). Diese straf- und strafverfahrensrechtlichen Bestimmungen bildeten – mehrfach novelliert – die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit der MfS-Untersuchungsabteilungen bis zum Umbruch 1989. Mit den betreffenden Normen des neuen StGB verfügte die Staatssicherheit nunmehr über ein ausdifferenziertes einheitliches politisches Strafrecht, das sich allerdings in der Substanz wenig von den alten Strafrechtsnormen unterschied. Die umfassende Kodifizierung des »neuen sozialistischen Rechts« im Jahr 1968 markiert somit den Schlusspunkt eines Prozesses, der mit dem Staatsratsbeschluss vom Januar 1961 begann und die weitgehende Integration der Staatssicherheit in das System der »Rechtspflegeorgane« beinhaltete. Die jetzt noch bestehenden spezifischen Praxen des MfS in der strafrechtlichen Ermittlungstätigkeit, die vor allem der Abschottung des Geschehens nach außen dienten, wurden erst in den allerletzten Jahren der DDR weiter abgebaut.
Trotz aller Verrechtlichung und Differenzierung ging es immer noch darum, das »Recht als Instrument des Klassenkampfes allseitig zur Sicherung der Macht anzuwenden«.[62] Mit dem Machtantritt Erich Honeckers 1971 war die Phase der justizpolitischen Reformen endgültig vorbei. Die Diskussion des Kriminalitätsberichts des Generalstaatsanwaltes für 1971/72 wurde als Abkehr von Ulbrichts rechtspolitischen Vorstellungen inszeniert.[63] Beklagt wurde jetzt, dass die »vorbeugende Wirkung von Strafverfahren […] durch eine zu lange Verfahrensdauer geschmälert« werde, deren Ursache »in übertriebenen und undifferenzierten Anforderungen an die Aufdeckung von Ursachen und begünstigenden Bedingungen der Straftat und die Einbeziehung und Mitwirkung gesellschaftlicher Kräfte im Strafverfahren« liege. Zudem wurden in der justiziellen Praxis »Erscheinungen ungerechtfertigter Milde durch Überbetonung positiver Seiten der Täterpersönlichkeit« moniert.[64]
Das DDR-Strafrecht wurde in den 1970er-Jahren dreimal (1974, 1977, 1979) verschärft. Insbesondere das 3. Strafrechtsänderungsgesetz von 1979 brachte im politischen Strafrecht auf breiter Front Verschärfungen sowohl bei den Tatbestanddefinitionen als auch bei den Strafmaßen. Von besonderer Bedeutung war die Neufassung von § 219 StGB (»Ungesetzliche Verbindungsaufnahme«). Er normierte nunmehr die Strafbarkeit der Verbreitung von Nachrichten im Ausland sowie von Schriften, Manuskripten »oder anderen Materialien«, die geeignet seien, »den Interessen der DDR zu schaden«. Diese Neuerung wurde auf die Publikationstätigkeit von Stefan Heym und Robert Havemann in der Bundesrepublik zurückgeführt, sodass das gesamte 3. Strafrechtsänderungsgesetz als »Lex Heym« oder als »Lex Havemann-Heym« bezeichnet wurde.[65] Diese Deutung übersieht jedoch, dass sich der neu gefasste § 219 StGB auch zum Vorgehen gegen Ausreisewillige eignete, die Kontakt in den Westen aufgenommen hatten. Hierin sollte in der Folgezeit auch die praktische Bedeutung der novellierten Strafnorm bei der Rechtsanwendung durch die MfS-Untersuchungsorgane liegen.
Das verschärfte Strafrecht führte aber nicht generell zu einer härteren Strafverfolgung. Mielke betonte auf einer MfS-internen Dienstkonferenz im Juli 1979, dass die neuen Strafnormen neben der Möglichkeit, politische Gegner konsequenter abzustrafen, ihren Wert insbesondere aufgrund ihrer vorbeugenden Wirkung hätten. Außerdem erlaube es mehr Differenzierung, also etwa höhere Strafmaße bei Rückfalltätern.[66] Die Novelle diente somit in erster Linie als flexibles und abschreckendes strafrechtliches Verfolgungsinstrument. Einige Straftatbestände, die mit der Strafrechtsnovelle angepasst und ausgebaut worden waren, insbesondere § 99 (»Landesverräterische Nachrichtenübermittlung«), § 214 (»Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit«), der bereits erwähnte § 219 (»Ungesetzliche Verbindungsaufnahme«) und § 220 (»Öffentliche Herabwürdigung«), spielten in der strafrechtlichen Untersuchungstätigkeit des MfS in den folgenden Jahren jedoch eine immer größere Rolle. Das hatte in erster Linie mit der Zunahme der »hartnäckigen« Ausreiseantragssteller zu tun, die neben den Beschuldigten in Verfahren wegen »Ungesetzlichen Grenzübertritts« (§ 213 StGB), deren Zahl konstant hoch blieb, zur zweitgrößten Gruppe von Beschuldigten in MfS-Strafverfahren wurden.
Die Ausreiseantragsteller entwickelten sich bis Mitte der 1980er-Jahre zu der gesellschaftlichen Gruppe, die mit am stärksten im Fokus der sicherheitspolizeilichen Repression standen. Wie auch in anderen Bereichen tendierte das MfS aber aus internationaler Rücksichtnahme zunehmend dazu, bei ihrer Bekämpfung auf die Anwendung von besonders »politischen« Paragrafen zu verzichten. Mielke legte in seiner einschlägigen Dienstanweisung von 1983 fest, dass in Fällen, in denen »sowohl Tatbestände von staatsfeindlichen Handlungen gegen die DDR als auch der allgemeinen Kriminalität verletzt worden« seien, sorgfältig geprüft werden müsse, »ob durch die Anwendung der Tatbestände der allgemeinen Kriminalität eine höhere gesellschaftliche und gegebenenfalls auch außenpolitische Wirkung erreicht werden kann«.[67] Das führte zwangsläufig dazu, dass das MfS zunehmend die schweren Straftatbestände des 2. Kapitels, besonderer Teil, des StGB (»Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik«) mied und in das 8. Kapitel (»Straftaten gegen die staatliche Ordnung«) auswich, in dem nach DDR-Rechtsauffassung Straftatbestände der »allgemeinen Kriminalität« normiert und die Strafmaße niedriger waren.
Außerdem wurden die Sanktionierungs- und Disziplinierungsmöglichkeiten unterhalb des Strafrechts erweitert. Mit einer neuen Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten vom März 1984 wurden entsprechende Tatbestände weiter gefasst und damit auf politisch nichtkonformes Verhalten zugeschnitten und der Strafrahmen von 500 auf 1000 Mark hochgesetzt.[68] In der Folgezeit wurde das Ordnungsrecht routinemäßig gegen Ausreisewillige und Oppositionelle eingesetzt. Eine zunehmende Bedeutung erlangten auch verdeckte »Zersetzungsmaßnahmen« gegen politische Gegner, die seit Mielkes Richtlinie zur Bearbeitung operativer Vorgänge von 1976 als »konspirative« Alternative zum Strafverfahren vorgesehen waren.[69]
Das repressivere Klima im ersten Jahrzehnt der Honecker-Ära begünstigte ein selbstherrlicheres Agieren der Staatssicherheit. Ihre Untersuchungsabteilungen wurden so in bestimmten Konstellationen anfällig für Ermittlungsfehler, die mit faktischer Aussageerpressung einhergehen und zur Kriminalisierung von gänzlich Unschuldigen führen konnten. Der wohl größte Fallkomplex dieser Art, bei dem es von 1968 bis 1977 zur Verurteilung von fast 150 Personen unter falschen Spionageanschuldigungen gekommen war, sorgte 1979 für ein MfS-internes Erdbeben.[70]
Ausgangspunkt waren falsche Selbstbezichtigungen eines westdeutschen Möchtegern-Topagenten, der bei den Vernehmungen diverse falsche Anschuldigungen gegen DDR-Bürger erhob. Problematisch wurde die Angelegenheit, als sie von einem der stellvertretenden Leiter des Untersuchungsorgans, Herbert Pätzel, zur Grundlage einer Theorie von »Agenten mit spezieller Auftragsstruktur« (AsA) gemacht wurde.[71] Obwohl die fachlich eigentlich zuständige MfS-Spionageabwehr sich mehr als skeptisch geäußert hatte, entwickelte dieses Ermittlungskonstrukt MfS-intern eine enorme Wirkung. Untersuchungsoffiziere zermürbten eine Vielzahl von Beschuldigten nach allen Regeln der Kunst, um die gewünschten Geständnisse zu bekommen. Häufig erst nach jahrelanger Untersuchungshaft machten sie absurde Aussagen, die keiner Überprüfung standgehalten hätten, wäre eine solche erfolgt. Und die Militärstaatsanwälte und Richter der Militärsenate folgten den Ermittlungen der Staatssicherheit blind.
Die Sache flog nur deshalb auf, weil Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, der mit seiner Kanzlei einige der Beschuldigten vertreten hatte, die hanebüchenen Ungereimtheiten bemerkte und aufgrund seiner privilegierten Beziehungen zum MfS bei Mielke intervenierte. Dieser richtete eine MfS-interne Untersuchungskommission ein, die in ihrem Abschlussbericht vielfache »Verletzungen des Strafprozessrechts und Verstöße gegen die Objektivität im Ermittlungsverfahren« konstatierte.[72] Pätzel wurde von seiner Funktion entbunden und als Offizier im besonderen Einsatz in die staatliche Archivverwaltung versetzt. Gegenüber der Öffentlichkeit und den Opfern der Ermittlungsmanipulationen räumte das MfS natürlich kein Fehlverhalten ein. Die zu Unrecht Verurteilten wurden lediglich unter diversen Vorwänden aus der Haft entlassen.
Mielke, der bei Ermittlungsfehlleistungen dieses Ausmaßes damit rechnen musste, dass sie (auch im Westen) bekannt wurden, reagierte ungewöhnlich entschieden. Er konstatierte »grobe Verletzungen von Gesetzen unseres sozialistischen Staates und meiner Befehle und Weisungen sowie ernste Mängel und unentschuldbare Fehler in der Führungs- und Leitungstätigkeit«.[73] Es sei zwar unbestritten, dass das Geständnis des Beschuldigten für die Wahrheitsfindung von großem Wert sei, aber es befreie »nicht von der Pflicht zur allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit«. Wenn der Beweis für die Richtigkeit des Geständnisses nicht zweifelsfrei erbracht werden könne, gelte auch in solchen Fällen, dass »im Zweifel zugunsten des Beschuldigten zu entscheiden« sei.[74] Nicht zulässig sei, dass der Untersuchungsführer dem Beschuldigten »ihm genehme Aussagen« diktiere und dass Niederschriften so verändert würden, dass sie »in die gewünschte Bearbeitungsrichtung« passten.[75] Es müssten zukünftig die »Potenzen der Staatsanwaltschaft« umfassender zur »Qualifizierung der Beweisführung« genutzt werden. Auch sei dem Strafverteidiger nicht »stereotyp« erst nach Abschluss der Ermittlungen eine Sprecherlaubnis zu erteilen. Für die »rechtzeitige Aufdeckung der Schwachstellen, der objektiven und subjektiven Mängel in der Beweisführung« sei auch die »Rechtsanwaltssicht« von Bedeutung.[76]
Durch den MfS-internen AsA-Skandal wurden mithin Themen wieder aktuell, die schon in den Verrechtlichungsbemühungen der frühen 1960er-Jahre eine Rolle gespielt hatten. Das MfS musste seine Rolle wieder neu definieren, wobei jetzt innerdeutsche Einflüsse und die internationale Einbindung der DDR zunehmend an Bedeutung gewannen. Ein Grundsatzpapier zur Untersuchungsarbeit betonte jetzt, dass die rechtlichen Instrumente »politisch wirksam«[77] anzuwenden seien, was dann gegeben sei, wenn die aktuelle SED-Politik unterstützt und vor allem nicht gestört werde. Dem Gegner sollten keine Angriffspunkte dafür geboten werden, das Ansehen der DDR zu beeinträchtigen. Zur Disziplinierung von Personen, die politisch unerwünschtes Verhalten an den Tag legten, sollten daher vermehrt Mittel unterhalb des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens angewendet werden, etwa strafverfahrensrechtliche Vorprüfungen mit Vorladungen oder Zuführungen, das Polizeirecht, das Ordnungswidrigkeitsrecht oder das Melderecht.[78]
Eine entscheidende Entwicklung der 1980er-Jahre war die Stärkung der Rolle der Strafverteidiger in MfS-Strafverfahren. Ausgangspunkt war, dass die DDR-Strafprozessordnung dem Verteidiger zwar grundsätzlich das Recht zugestand, mit dem Beschuldigten zu sprechen und zu korrespondieren. Der Staatsanwalt konnte jedoch während des Ermittlungsverfahrens hierfür die Bedingungen festsetzen, »damit der Zweck der Ermittlung nicht gefährdet wird«.[79] In einer entsprechenden Arbeitsanweisung des Generalstaatsanwalts war spezifiziert, was das konkret bedeuten konnte: »Begrenzung der Gespräche auf die persönlichen Belange des Beschuldigten«, »Begrenzung der Aussprache auf Sachkomplexe, zu denen die Ermittlungen im Wesentlichen abgeschlossen sind« und »Durchführung der Aussprache in Anwesenheit des Staatsanwaltes bzw. vom Staatsanwalt beauftragter Angehöriger des Untersuchungsorgans zur Kontrolle der vom Staatsanwalt festgesetzten Bedingungen«. Bei »Verdacht des Vorliegens eines staatsfeindlichen Organisationsverbrechens« konnte der Staatsanwalt »für ein bestimmtes Stadium des Ermittlungsverfahrens« die Erteilung der Sprecherlaubnis ganz versagen.[80]
In den 1970er-Jahren wurde bei MfS-Verfahren von diesen Möglichkeiten zur Einschränkung der Kommunikation zwischen Untersuchungshäftlingen und Verteidigern ausgiebig Gebrauch gemacht. Selbst das DDR-Justizministerium beklagte 1974, die Regelungen für Sprechmöglichkeiten in den Untersuchungshaftanstalten seien so eingeschränkt, dass eine ausreichende Vorbereitung auf die Verhandlungen »nicht immer möglich« sei.[81]
Mitte der 1980er-Jahre entwickelte sich dann in der DDR-Fachöffentlichkeit eine Diskussion über die anwaltliche Betreuung der Beschuldigten während des Ermittlungsverfahrens.[82] Offenbar fiel hinter den Kulissen die Entscheidung, die alte restriktive Praxis zu beenden, denn im Oktober 1985 hielt Wolfgang Vogel an der Babelsberger Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR einen Vortrag, in dem er die Tendenzen bemängelte, »die gesetzlich geregelten Fälle der Mitwirkung des Verteidigers zu eng zu behandeln«. Im Hinblick auf die Erteilung der Sprechgenehmigung sei vom Gesetzgeber gewiss keine starke Verzögerung und »schon gar nicht ein Hinhalten bis zum Abschluss der Ermittlungen gedacht« gewesen. Diese Praxis stoße bei Mandanten, deren Angehörigen und den diplomatischen Betreuern auf nur wenig Verständnis. Genau genommen gefährdeten die »Sprecher« auch ohne Auflagen den Zweck der Untersuchung nur in den seltensten Fällen. Ähnliches gelte für die Möglichkeit frühzeitiger Akteneinsicht; sie dürfe nach Abschluss der Ermittlungen auch dann nicht eingeschränkt werden, wenn die Anklage noch nicht erhoben sei. Daran müssten die Verteidiger zu oft erst erinnern. »Beklagenswert« sei auch, dass mit der in der StPO »vorgesehenen Teilnahme des Verteidigers an von ihm beantragten Beweiserhebungen im wahrsten Sinne des Wortes gegeizt« werde.[83]
Das politische Gewicht von Vogels Ausführungen wird dadurch unterstrichen, dass der Leiter des MfS-Untersuchungsorgans, Rolf Fister, das Vortragsmanuskript wenige Tage später mit der Bitte um »Durcharbeitung und Standpunktbildung« an seine Leitungskader versandte. Der Klärungsprozess mündete im März 1986 in einem mit den zentralen Justizorganen abgestimmten Standpunkt »zur Verwirklichung des Rechts auf Verteidigung«,[84] der verkündete, dass vor dem Hintergrund der westlichen »Menschenrechtsdemagogie« das »Recht des Beschuldigten, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen, […] konsequent zu gewährleisten« sei. Dem Beschuldigten sei nach der Verhaftung »unverzüglich« ein Verzeichnis der Rechtsanwälte vorzulegen. Würden Beschuldigte, insbesondere Ausländer, einen sofortigen Sprechkontakt mit dem gewählten Verteidiger fordern, könne der Staatsanwalt dies ermöglichen, »um unnötige Konfrontationen zu vermeiden«.[85] Bedingungen für die »Rechtsanwaltssprecher«[86] seien »nur insoweit und so lange festzusetzen«, wie »eine reale Gefährdung des Zwecks der Untersuchungen« bestehe. Akteneinsicht sei grundsätzlich bereits vor dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens zu gestatten, soweit das »ohne Gefährdung der Untersuchung« möglich sei. Das Gleiche gelte für die Beteiligung des Verteidigers an den Beweiserhebungen.[87]
Statistisch ist die Stärkung der Stellung der Anwälte in den MfS-Ermittlungsverfahren in der Folgezeit vor allem am Rückgang der »Rechtsanwaltssprecher« abzulesen, bei denen die Kommunikation zwischen Verteidiger und Mandant durch Auflagen eingeschränkt wurde. Wurde 1980 noch fast ein Drittel der Sprechtermine im Verantwortungsbereich des zentralen Untersuchungsorgans nur unter Auflagen erteilt, sank der Anteil dieser eingeschränkten Mandantengespräche bis 1985 auf 14 Prozent und im Folgejahr abermals drastisch auf nur noch 2 Prozent. In den Jahren 1987 und 1988 gab es insgesamt nur noch drei »Auflagensprecher«.[88]
Das letzte Jahr der SED-Herrschaft brachte weitere Begrenzungen der strafrechtlichen Repressionsmöglichkeiten, denn das im Januar 1989 verabschiedete Wiener KSZE-Abschlussdokument führte zu der Verpflichtung, »Auskunft über alle Ermittlungsverfahren an anfragende KSZE-Staaten zu geben«.[89] Auch die Strafverfahren wegen Ausreiseaktivitäten mussten jetzt einer internationalen Kontrolle standhalten, was dazu führte, dass »Handlungen, die lediglich sichtbar machten, dass die Ablehnung des Antrags nicht akzeptiert wird«, nicht mehr verfolgt wurden.[90] Konsequenz war, dass die Zahl der betreffenden Ermittlungsverfahren von Januar bis Juni 1989 auf nur noch rund 38 Prozent des entsprechenden Vorjahreszeitraumes sank.[91]
IV. Resümee
Die Staatssicherheit der DDR entstand als Hilfsorgan der sowjetischen Staatssicherheit, sie war ihr Abbild, stand unter ihrer Anleitung und kopierte ihre Praktiken, was sich in Gewalt, Willkür, Missachtung rechtlicher Normen und zuweilen auch irrationalem Handeln zeigte. Doch die besonderen Bedingungen der deutschen Teilung bremsten zuweilen den geheimpolizeilichen Verfolgungseifer. Noch unter Stalin leitete die Sowjetische Kontrollkommission, primär aus deutschlandpolitischen Motiven, einen Verrechtlichungssprozess in der MfS-Strafverfolgung ein.
Auch nach Stalins Tod folgten Milderungen und Verschärfungen sicherheitspolizeilicher Repression in der DDR zunächst den Konjunkturen sowjetischer Politik. 1956 gelang es Ulbricht jedoch, die Entstalinisierungsimpulse in der DDR effektiv zu bremsen, sodass die Auswirkungen auf die Strafverfolgungspraxis des MfS schwach und wenig nachhaltig waren. Erst nach dem Mauerbau wandelte sich Ulbricht zum justizpolitischen Reformer; ein umfassender Verrechtlichungsschub führte zu einer weiteren Normalisierung der MfS-Strafverfahrenspraxis.
Die Machtübernahme von Erich Honecker ging einher mit einer repressiven Wende, die zu Verschärfungen des Strafrechts und einer wieder instrumentelleren Rechtsanwendung durch die MfS-Untersuchungsorgane führte. Es war daher kein Zufall, dass es jetzt auch zu regressiven Tendenzen bis hin zu systematischen Aussageerpressungen und zur Verurteilung zahlreicher Unschuldiger im Rahmen eines fiktiven Ermittlungskonstruktes kam. Doch inzwischen galt ein solches Geschehen auch apparatsintern als skandalös und löste Lernprozesse aus, die auf eine weitere Verrechtlichung hinausliefen. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden internationalen Einbindung musste die Staatssicherheit auf Dauer eine Erweiterung der Beschuldigtenrechte und eine Beschränkung ihrer Sanktionsmöglichkeiten hinnehmen. So verlor sie einen Teil ihrer repressiven Fähigkeiten und damit auch ihrer Effektivität als Instrument der Diktatur.
[1] Die Ausführungen in diesem Aufsatz basieren über weite Strecken auf den empirischen Befunden der Publikation von Roger Engelmann/Frank Joestel: Die Hauptabteilung IX (MfS-Handbuch: Anatomie der Staatssicherheit – Geschichte, Struktur und Methoden, hrsg. v. BStU), Berlin 2016.
[2] Siehe Tätigkeitsberichte der Länderverwaltungen des MfS 1950–1952, Bundesarchiv (im Folgenden: BArch), Ministerium für Staatssicherheit (im Folgenden: MfS) AS 95/55, Bd. 2 u. 7.
[3] Siehe Richtlinie Nr. 4 vom 6. Januar 1951: Anfragen von Angehörigen verhafteter oder festgenommener Personen, BArch, MfS, BdL/Dok. 2368.
[4] Siehe George Hermann Hodos: Schauprozesse. Stalinistische Säuberungen in Osteuropa 1948–1954, Berlin 2001, S. 240–272; Wolfgang Kießling: Partner im »Narrenparadies«. Der Freundeskreis um Noel Field und Paul Merker, Berlin 1994.
[5] Richtlinien zur Erfassung der durch die Organe des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR verhafteten Personen vom 20. September 1950, in: Roger Engelmann/Frank Joestel (Bearb.): Grundsatzdokumente des MfS (MfS-Handbuch: Anatomie der Staatssicherheit – Geschichte, Struktur und Methoden, hrsg. v. BStU), Berlin 2004, S. 42–45.
[6] Siehe z. B. Monatsbericht der Abteilung IX der Verwaltung Groß-Berlin vom 30. Januar 1951, BArch, MfS, AS 95/55, Bl. 18–25, hier Bl. 18–21.
[7] Siehe Hermann Wentker: Ein deutsch-deutsches Schicksal. Der CDU-Politiker Helmut Brandt zwischen Anpassung und Widerstand, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 49 (2001), H. 3, S. 464–506, hier S. 493 f.
[8] Siehe Fritz Sperling: »Ich opfere mich für die Partei«, in: Hubertus Knabe (Hg.): Gefangen in Hohenschönhausen. Stasi-Häftlinge berichten, Berlin 2007, S. 149–151.
[9] Siehe Kießling: Partner im »Narrenparadies« (Anm. 4), S. 294.
[10] Siehe Andrea Herz: Die Erfurter Untersuchungshaftanstalt der DDR-Staatssicherheit 1952–1989, Erfurt 2006, S. 23.
[11] Der Artikel 136 der DDR-Verfassung enthielt die Verpflichtung zur Einholung eines richterlichen Haftbefehls »spätestens am Tage nach dem Ergreifen« sowie die Verpflichtung, dem Beschuldigten den Grund für seine Verhaftung zu eröffnen und »auf seinen Wunsch einer von ihm benannten Person« von der Verhaftung Mitteilung zu machen.
[12] Siehe Schreiben an den Generalstaatsanwalt von Sachsen-Anhalt vom 26. Mai 1951, BArch, MfS, AU 258/52, Bd. 15, Bl. 8.
[13] Siehe Christian Meyer-Seitz: Die Verfolgung von NS-Straftaten in der Sowjetischen Besatzungszone, Berlin 1998.
[14] So ging die Staatsanwaltschaft in Ost-Berlin im Januar 1951 bei allen Urteilen, die auf weniger als fünf Jahre Haft lauteten, in Berufung. Siehe Monatsbericht der Abteilung IX der Verwaltung Groß-Berlin vom 30. Januar 1951, BArch, MfS, AS 95/55, Bd. 7, Teil 1, Bl. 18–25, hier Bl. 23.
[15] Siehe Andreas Hilger/Mike Schmeitzner/Ute Schmidt (Hg.): Sowjetische Militärtribunale, Bd. 2: Die Verurteilung deutscher Zivilisten 1945–1955, Köln u. a. 2003, S. 794.
[16] Siehe Hermann Wentker: Justiz in der SBZ/DDR 1945–1953. Transformation und Rolle ihrer zentralen Institutionen, Berlin 2001, S. 531 f.
[17] Siehe Protokoll der Sitzung des Politbüros am 11. Dezember 1951, TOP Nr. 6, BArch, DY 30, IV 2/2/182, Bl. 1–8, hier Bl. 3, sowie Anlage Nr. 3 »Maßnahmen zur Verbesserung der Organe der Justiz und ihrer Arbeit in der Deutschen Demokratischen Republik und in Berlin«, ebd., Bl. 14–32.
[18] Rundverfügungen des DDR-Generalstaatsanwaltes Nr. 7/52, 9/52, 11/52 u. 12/52, alle vom 31. März 1952, Abschriften in BArch, MfS, BdL/Dok. 68, 70, 72 u. 73. Befehl Nr. 74/52 zum Beschluss des Ministerrates vom 27. März 1952, 15. 5. 1952, sowie Dienstanweisung 1/52 zum Befehl Nr. 74/52 vom 15. Mai 1952, in: Engelmann/Joestel (Bearb.): MfS-Grundsatzdokumente (Anm. 5), S. 49–57.
[19] Siehe Dienstanweisung Nr. 1/52 des Ministers für Staatssicherheit vom 15. Mai 1952, in: ebd., S. 52.
[20] Rundverfügung des DDR-Generalstaatsanwalts Nr. 7/52 vom 31. März 1952, BArch, MfS, BdL/Dok. 68, Bl. 1.
[21] Dienstanweisung Nr. 1/52 des Ministers für Staatssicherheit vom 15. Mai 1952, in: Engelmann/Joestel (Bearb.): Grundsatzdokumente des MfS (Anm. 5), S. 51–57, hier S. 53.
[22] Rundverfügung des GStA Nr. 11/52 vom 31. 3. 1952, BArch, MfS, BdL/Dok. 72, Bl. 1–4, hier Bl. 2.
[23] Ebd., Bl. 3.
[24] Siehe Dienstanweisung des Staatssekretärs Mielke vom 20. März 1952: Übergabe von Untersuchungsvorgängen an die Staatsanwaltschaften und die Gerichte, BArch, MfS, BdL/Dok. 2032.
[25] Siehe Dienstanweisung Nr. 1/52 des Ministers für Staatssicherheit vom 15. Mai 1952, in: Engelmann/Joestel (Bearb.): MfS-Grundsatzdokumente (Anm. 5), S. 51–57, hier S. 53 f.
[26] Siehe Wentker: Justiz in der SBZ/DDR (Anm. 16), S. 551 f.
[27] Siehe Dienstanweisung Nr. 38/53 des Staatssekretärs für Staatssicherheit vom 1. Dezember 1953, in: Engelmann/Joestel (Bearb.): MfS-Grundsatzdokumente (Anm. 5), S. 64–66, hier S. 65.
[28] Befehl des Ministers für Staatssicherheit Nr. 211/52 vom 18. Oktober 1952, BArch, MfS, BdL/Dok. 88.
[29] Siehe Jens Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter. Personalstruktur und Lebenswelt 1950–1989/90, Berlin 2000, S. 145–152.
[30] In Art. 6 Abs. 2 werden »Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen«, »militaristische Propaganda« und Kriegshetze als »Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches« bezeichnet, ohne die Tatbestände oder einen Strafrahmen im Einzelnen zu definieren. Die DDR-Justiz zog diese Norm generell bei der Ahndung von politischen Delikten heran, auch bei Spionage oder »feindlichen« Organisationshandlungen, und verhängte auf dieser Grundlage auch Todesurteile.
[31] Siehe Wentker: Justiz in der SBZ/DDR (Anm. 16), S. 554–556.
[32] Siehe Ilko-Sascha Kowalczuk: »Energisches ›Handeln‹ erfordert die Lage«. Politische Strafverfolgung vor und nach dem 17. Juni, in: Roger Engelmann/Ilko-Sascha Kowalczuk: Volkserhebung gegen den SED-Staat. Eine Bestandsaufnahme zum 17. Juni 1953, Göttingen 2005, S. 223.
[33] Ebd.
[34] Siehe Karl Wilhelm Fricke/Roger Engelmann: »Konzentrierte Schläge«. Staatssicherheitsaktionen und politische Prozesse in der DDR 1953–1956, Berlin 1998; Ronny Heidenreich/Daniela Münkel/Elke Stadelmann-Wenz: Geheimdienstkrieg in Deutschland. Die Konfrontation von DDR-Staatssicherheit und Organisation Gehlen 1953, Berlin 2016.
[35] Protokoll der Verhandlungen des IV. Parteitages der SED, Bd. 2, Berlin 1954, S. 703.
[36] Auszug aus dem Beschluss der Sicherheitskommission des Politbüros vom 26. Oktober 1954, BArch, MfS, HA IX 8898, Bl. 7–10.
[37] Befehl 345/54 des Staatssekretärs für Staatssicherheit, 28. Dezember 1954, BArch, MfS, BdL/Dok. 269, Bl. 1 f.
[38] Ebd., S. 3.
[39] Ebd., S. 4–6.
[40] Siehe auch Julia Spohr: In Haft bei der Staatssicherheit. Das Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen 1951–1989, Göttingen 2015, S. 307–311.
[41] Befehl Nr. 236/55 von Staatssekretär Wollweber vom 10. August 1955, BArch, MfS, BdL/Dok. 288, Bl. 2.
[42] Roger Engelmann: Staatssicherheitsjustiz im Aufbau. Zur Entwicklung geheimpolizeilicher und justitieller Strukturen im Bereich der politischen Strafverfolgung 1950–1963, in: ders./Clemens Vollnhals: Justiz im Dienste der Parteiherrschaft. Rechtspraxis und Staatssicherheit in der DDR, Berlin 1999, S. 133–164, hier S. 152 f.
[43] Protokoll der Kollegiumssitzung am 19. März 1956, BArch, MfS, SdM 1551, Bl. 26 f.
[44] Siehe Vermerk der Berater o. D., im russischen Original und Übersetzung vom 2. Mai 1956, BArch, MfS, SdM 1201, Bl. 207–212 und 225–231, hier Bl. 227 f.
[45] Ebd., Bl. 229 f.
[46] Rede Ulbrichts auf der Parteiaktivtagung des MfS am 11. Mai 1956, BArch, MfS, SdM 2366, Bl. 20–34.
[47] Siehe Engelmann: Staatssicherheitsjustiz (Anm. 42), S. 156.
[48] Referat Wollwebers auf der MfS-Dienstkonferenz am 26. April 1957, BArch, MfS, ZAIG 5604, Bl. 153–214, hier Bl. 173.
[49] Siehe Engelmann/Joestel: Hauptabteilung IX (Anm. 1), S. 225.
[50] Siehe Vorlesung zum StEG für alle Mitarbeiter des MfS, Dezember 1957, BArch, MfS, AS 153/63, Bl. 114–154, hier Bl. 120.
[51] Siehe Beschluss des Staatsrates über die weitere Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege vom 30. Januar 1961, in: Neues Deutschland, Berliner Ausgabe vom 31. Januar 1961, S. 1.
[52] Siehe Protokoll der Sitzung des Politbüros am 17. April 1962, Tagesordnungspunkt 5 und Anlage 7, BArch, DY 30, J IV 2/2/824, Bl. 1–4 u. 25–30.
[53] Ebd., Bl. 28 f.
[54] ZK-Papier o. D. (1962), BArch, DY 30, J IV 2/202/62.
[55] Ebd.
[56] Befehl Nr. 264/62 des Ministers für Staatssicherheit zur Durchsetzung des Staatsratsbeschlusses über die weitere Entwicklung der Rechtspflege vom 18. Mai 1962, in: Engelmann/Joestel (Bearb.): Grundsatzdokumente des MfS (Anm. 5), S. 137–140.
[57] Siehe BArch, MfS, HA IX 5546, Bl. 118–135.
[58] Siehe Richard Schindler: Die Erforschung der objektiven Wahrheit im sozialistischen Strafprozess, in: Neue Justiz 17 (1963), H. 19, S. 614–624, hier S. 618 f.
[59] Schreiben der HA IX an HA IX/6 vom 28. Juni 1963, betr. Anweisung des Generalstaatsanwaltes Nr. 3/63 über Anleitung und Kontrolle der Untersuchungsorgane durch die Staatsanwaltschaft, BArch, MfS, HA IX 5540, Bl. 235 f.
[60] Siehe Monatsstatistikbögen 1962, BArch, MfS, HA IX 20244, Bl. 5–16.
[61] Siehe Engelmann/Joestel: Hauptabteilung IX (Anm. 1), S. 225.
[62] HA IX: Konzeption für eine höhere Qualität der Leitungs- und Führungstätigkeit, April 1969, S. 2, BArch, MfS, HA IX MF 11634.
[63] Siehe Bericht über die Entwicklung und Bekämpfung der Kriminalität in den Jahren 1971/72, Anlage Nr. 3 zum Protokoll der Politbürositzung am 24. April 1973, BArch, DY 30/J IV 2/2/1445, Bl. 51–66.
[64] Ebd., Bl. 63 f.
[65] Siehe Johannes Raschka: Justizpolitik im SED-Staat. Anpassung und Wandel des Strafrechts in der Amtszeit Honeckers, Köln u. a. 2000, S. 176 f.
[66] Referat Mielkes vom 6. Juli 1979, BArch, MfS, ZAIG 4784 b, Bl. 17–19.
[67] Hans-Hermann Lochen/Christian Meyer-Seitz: Die geheimen Anweisungen zur Diskriminierung Ausreisewilliger, Köln/Bonn 1992, S. 110.
[68] Siehe Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten (OWVO) vom 22. März 1984, in: GBl. [Gesetzblatt] I 1984, S. 173–178.
[69] Siehe umfassend Sandra Pingel-Schliemann: Zersetzen – Strategie einer Diktatur. Eine Studie, Berlin 2002.
[70] Siehe Johannes Beleites/Frank Joestel: »Agenten mit spezieller Auftragsstruktur«. Eine Erfindung des MfS und ihre Folgen, in: Horch und Guck 17 (2008), H. 61, S. 46–49, sowie dies.: Agenten, Iglus, Diversantentaucher. Das Ende eines absurden Ermittlungs-Konstruktes des DDR-Staatssicherheitsdienstes, in: Horch und Guck 18 (2009), H. 63, S. 56–61.
[71] Harry Dahl/Herbert Pätzel/Klaus Achtenberg: Die Qualifizierung der vorbeugenden und offensiven Bekämpfung staatsfeindlicher Aktivitäten der verdeckten Kriegsführung unter den gegenwärtigen Bedingungen des Klassenkampfes (1974), BArch, MfS, JHS 21834, Bde. 1 u. 2.
[72] Zit. nach Beleites/Joestel: Agenten, Iglus (Anm. 70), S. 56
[73] Referat Mielkes auf der zentralen Dienstkonferenz am 24. Mai 1979, BArch, MfS, ZAIG 4783, Bl. 46.
[74] Ebd., Bl. 59 f.
[75] Ebd., Bl. 64.
[76] Ebd., Bl. 82 f.
[77] HA IX: Grundsätzliche Ziele und Aufgaben in den nächsten Jahren vom 16. Februar 1981, BArch, MfS, HA IX 568, Bl. 89.
[78] Siehe HA IX/8: Rechtliche Möglichkeiten außerhalb des StGB zur Absicherung von Großveranstaltungen, BArch, MfS, HA IX 8315, Bl. 105–115.
[79] § 64 Abs. 3 StPO von 1968.
[80] Arbeitsinformation Nr. 4/68 des Generalstaatsanwaltes zur Stellung des Verteidigers vom 26. Juni 1968, BArch, MfS, HA IX 542, Bl. 64 f.
[81] Zit. nach Bernd Eisenfeld: Rolle und Stellung der Rechtsanwälte in der Ära Honecker im Spiegel der Kaderpolitik, in: Engelmann/Vollnhals (Hg.): Justiz im Dienste (Anm. 42), S. 369.
[82] Siehe v. a. Gregor Gysi: Aufgaben des Verteidigers bei der Belehrung, Beratung und Unterstützung des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, in: Neue Justiz 39 (1985), H. 10, S. 416–418.
[83] Vortrag von Wolfgang Vogel: Zu Problemen der Tätigkeit des Rechtsanwalts im Strafverfahren der DDR, gehalten am 17. 10. 1985, BArch, MfS, HA IX 16248, Bl. 11–13.
[84] HA IX: Standpunkt zu ausgewählten Fragen zur Verwirklichung des Rechts auf Verteidigung und zur Erhöhung der Sicherheit im Strafverfahren, BArch, MfS, HA IX 2035, Bl. 2–14.
[85] Ebd., Bl. 3.
[86] »Rechtsanwaltssprecher« wurden die Beratungen der Rechtsanwälte mit ihren Mandanten in der Untersuchungshaft genannt.
[87] Ebd., Bl. 5–7.
[88] Siehe HA IX/AKG/Bereich Koordinierung: Jahresanalyse 1988 vom 30. Januar 1989, BArch, MfS, HA IX 519, Bl. 32–43, hier Bl. 38.
[89] Mielke auf der Kollegiumssitzung am 1. Februar 1989, BArch, MfS, ZAIG 5342, Bl. 1–50, hier Bl. 48.
[90] Orientierung des Leiters der HA IX auf der Dienstberatung am 30./31. Mai 1989, BArch, MfS, HA IX 2109, Bl. 11 f.
[91] Siehe ZAIG: Information von Juli 1989, BArch, MfS, HA IX 16313, Bl. 7–24.