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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Borusewicz, Bogdan

* 1949




Bogdan Borusewicz wurde 1949 im ermländischen Lidzbark Warmiński (Heilsberg) geboren. Als er 1968 in der vierten Klasse des Lyzeums für Bildende Kunst in Gdynia (Gdingen) war, verfasste er ein Flugblatt, das zu Demonstrationen am 1. und 3. Mai aufrief, um die nach dem *März 1968 verfolgten Studenten zu verteidigen. Von dem Text fertigte er 110 Exemplare an, die er gemeinsam mit Kommilitonen am 28. April in der Regionalbahn und am Polytechnikum in Danzig (Gdańsk) verteilte. Als ihn ein Lehrer denunzierte, wurde er am 5. Mai 1968 verhaftet. Auf seinem Transport von der Polizeistation flüchtete er jedoch und versteckte sich fünf Tage im Wald, während steckbrieflich nach ihm gesucht wurde. Im April 1969 bekam er für die Herstellung und Verteilung der Flugblätter eine Strafe von drei Jahren Gefängnis. Krysztof Włodarski, der im Oktober 1968 aufgrund der Denunziation eines Mitschülers inhaftiert wurde, erhielt für sogenannte „Flüsterpropaganda“ zehn Monate. Während Borusewicz im Gefängnis saß, konnte er sich dank seiner Lehrer Adolf Popławski, Olga Janiak und Maria Morawska auf die Abiturklasse vorbereiten. Nach einer Amnestie im Juli, die seine Strafe auf anderthalb Jahre verkürzte, kehrte er zur Schule zurück. Um sein Urteil vollständig zu vollstrecken, wurde er im Oktober 1969 noch einmal für 14 Tage ins Gefängnis gesteckt.

Im Herbst 1970 begann Borusewicz ein Geschichtsstudium an der Katholischen Universität Lublin (KUL). Gemeinsam mit Marian Piłka, Janusz Krupski und Piotr Jegliński vervielfältigte er Exemplare der Pariser Exilzeitschrift *„Kultura“. Auf Vermittlung von Janusz Bazydła gelangte die Gruppe zur katholischen Vereinigung „Więź“ (Band, Bindung), die von Zdzisław Szpakowski organisiert wurde, und war im Historikerkreis der KUL aktiv.

1973 widersetzten sich Bogdan Borusewicz, Janusz Krupski und Piotr Jegliński der Zwangsvereinigung aller studentischen Organisationen im ideologisierten Sozialistischen Polnischen Studentenverband. Sie organisierten Versammlungen und Plakataktionen und trafen sich mit dem Rektor der Hochschule. Borusewicz gehörte einer Studentendelegation an, die vom Primas von Polen, Kardinal Stefan Wyszyński, empfangen wurde. Im Ergebnis setzte sich der Primas gegen die Gründung des Sozialistischen Studentenverbandes an der KUL ein und das polnische Episkopat verfasste ein Protestschreiben gegen die Zwangsvereinigung der Jugendorganisationen.

Borusewicz beteiligte sich an der seelsorgerischen Arbeit an der Hochschule, die von Dominikanerpater Ludwig Wiśniewski geleitet wurde. Er gehörte zu den Initiatoren von Treffen, bei denen Emigrationsliteratur gelesen und frei über die polnische Geschichte diskutiert wurde. In Danzig lernte er eine Gruppe jüngerer Oppositioneller kennen, die früher mit Pater Wiśniewski verbunden gewesen war (darunter Aleksander Hall, Arkadiusz Rybicki, Wojciech Samoliński und Jan Samsonowicz).

Mitte 1975 kehrte Borusewicz nach Danzig zurück, wo er in der Seelsorgearbeit des Jesuitenpaters Bronisław Sroka mitwirkte. Dort verkehrte auch der Kreis um Aleksander Hall, der Weiterbildungen für Studenten und Jugendliche organisierte. Gleichzeitig hielt er seine Verbindung nach Lublin aufrecht.

Die Danziger Gruppe organisierte 1975/76 materielle und juristische Hilfe für Stanisław Kruszyński, einen KUL-Studenten, der für seine in privaten Briefen an die Familie geäußerte Kritik am politischen System zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Borusewicz beteiligte sich im Frühjahr 1976 in Danzig und Lublin an Unterschriftensammlungen gegen eine geplante Verfassungsänderung sowie an einem Protestbrief zur Verteidigung von Jacek Smykała, der als Student der Pommerschen Medizinischen Akademie wegen kritischer Äußerungen von der Hochschule relegiert worden war. (Dieser Brief wurde dann jedoch nicht an die staatlichen Behörden geschickt, weil zu wenig Unterschriften zusammengekommen waren.)

Nach den Streiks und Demonstrationen im *Juni 1976 schloss sich Borusewicz den Hilfsaktionen für die verfolgten Arbeiter an. Dank einer von Arkadiusz Rybicki aus dem Danziger Gericht gestohlenen Liste konnten sie Kontakt zu einer größeren Gruppe von Entlassenen aufnehmen, unter anderem aus der Danziger Lenin-Werft. Im August 1976 brachte Borusewicz in Danzig gesammeltes Geld zu den Arbeitern, die in Radom verfolgt wurden. Dabei arbeitete er mit Mirosław Chojecki zusammen, der die dortige Hilfe organisierte. Von ihm erfuhr er auch von der Idee, das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników; *KOR) ins Leben zu rufen.

Borusewicz beschrieb das Entstehen des *KOR wie folgt: „Mir erschien es als eine Verrücktheit, die alle Beteiligten schnurstracks ins Gefängnis führen musste. Es kam der Vorschlag auf, jemand von uns solle sich an dem Komitee beteiligen. Wir begannen in den Lubliner und Danziger Kreisen einen passenden Vertreter zu suchen. Niemand war bereit. Ich war der Älteste, rauchte nicht, weil ich meine Diplomarbeit abschließen wollte, und rechnete damit, eingesperrt zu werden, wenn ich mich beteiligte. Schließlich merkte ich aber, dass ich es machen musste und mich nicht länger drücken konnte.“ Borusewicz wurde im November 1976 Mitglied des *KOR.

1977 trat er in die Redaktion des unter Umgehung der Zensur erscheinenden Blattes *„Robotnik“ (Arbeiter) ein, in der er gemeinsam mit Jan Lityński, Henryk Wujec und seiner Frau Ludwika, Witold und Helena Łuczywo sowie Teodor Klincewicz arbeitete. Ab der zweiten Ausgabe stand auch seine Adresse in der Redaktionszeile. Er schrieb Texte, verteilte einige hundert bis viele tausend Exemplare der Zeitung in der Dreistadt (vor allem auf der Danziger Werft) und schuf sich mit der Zeit eine Gruppe ständiger Unterstützer. Zu dieser gehörten Andrzej Gwiazda, Bogdan Lis, Mariusz Muskat, Alina Pieńkowska (später Borusewiczs Ehefrau), Anna Walentynowicz, Błazej und Krzysztof Wyszkowski.

Borusewicz unterschrieb die „Erklärung der Demokratischen Bewegung“ (Deklaracja Ruchu Demokratycznego) vom 18. September 1977, das Programmdokument des *KOR und trat dem Komitee für Gesellschaftliche Selbstverteidigung „KOR“ (*KSS „KOR“) bei. Anfang 1978 beteiligte er sich an der vom *KSS „KOR“ organisierten Aktion zur Verteidigung von Kazimierz Świtoń. „Unsere Taktik war, den Mächtigen klarzumachen, dass wir so laut schreien, wenn sie jemanden einsperren, dass es sich für sie nicht auszahlt“, sagte er Jahre später. Im Februar 1978, als die Staatssicherheit das Treffen eines Weiterbildungskreises in seiner Wohnung auffliegen ließ, wurde er zu drei Wochen Arrest verurteilt.

Trotz anfänglicher Skepsis trat Bogdan Borusewicz den *Freien Gewerkschaften der Küste (Wolne Związki Zawodowe Wybrzeża; WZZ) bei, die am 29. April 1978 von Andrzej Gwiazda, Antoni Sokołowski und Krzysztof Wyszkowski gegründet worden waren: „In den *Freien Gewerkschaften definierten wir als unser allgemeines Ziel, eine Bewegung zu schaffen, die das kommunistische in ein demokratisches System verwandelt. Unsere Aufgabe bestand darin, die Fremdheit des uns aufgezwungenen Systems hervorzuheben und Strukturen zu schaffen, mit denen wir Druck auf dieses System ausüben konnten. Also der Aufbau einer alternativen Gesellschaft, wie sie Jacek Kuroń vorgeschlagen hatte.“ Gemeinsam mit Andrzej Bulc, Joanna Duda-Gwiazda und Andrzej Gwiazda gab er am 1. August 1978 die erste Ausgabe des „Robotnik Wybrzeża“ (Arbeiter der Küste), der Zeitung der *Freien Gewerkschaften, heraus; später schlossen sich noch Alina Pieńkowska, Anna Walentynowicz, Lech Wałęsa und 1979 Maryla Płońska der Redaktion an. Insgesamt erschienen sieben Ausgaben. Mit Joanna Duda-Gwiazda und Lech Kaczyński organisierte er unabhängige Gewerkschaftsschulungen und für die Arbeiter Vorlesungen zur neuesten polnischen Geschichte. Er verteilte unzensierte Zeitungen und Bücher, druckte Flugblätter.

Borusewicz trat im Juni 1978 gemeinsam mit Krzysztof Wyszkowski in dessen Wohnung in einen zehntägigen Hungerstreik, um sich solidarisch mit dem inhaftierten Blażej Wyszkowski zu zeigen, der im Gefängnis in den Hungerstreik getreten war (dieser war am 28. Mai während eines Treffens mit der „Robotnik“-Redaktion verhaftet und zu zwei Monaten Arrest verurteilt worden). 1979 formulierte er gemeinsam mit Kollegen vom „Robotnik“ die „Charta der Arbeiterrechte“ (Karta Praw Robotniczych), die das Programm der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung enthielt.

Auch mit dem Kreis um die *Bewegung Junges Polen (Ruch Młodej Polski; RMP) arbeitete Borusewicz zusammen. Ab 1977 war er der Hauptorganisator der Gedenkfeiern an die blutige Niederschlagung der Streiks und Demonstrationen im *Dezember 1970 (vor der Gedenkveranstaltung 1979 wurde er verhaftet und für zwei Woche nach Warschau verbracht). Außerdem nahm er an von der *Bewegung Junges Polen organisierten inoffiziellen patriotischen Veranstaltungen teil. Im Frühjahr 1980 organisierte er in Danzig eine Flugblattaktion, in der zum Boykott der Sejmwahlen aufgerufen wurde; es wurden ungefähr 30.000 Flugblätter verteilt, vor allem vor Kirchen.

Borusewicz war mitbeteiligt an der Vorbereitung des Streiks in der Danziger Lenin-Werft, der am 14. August 1980 begann; unter anderem verfasste er das Flugblatt (und druckte es gemeinsam mit Piotr Kapczyński) in dem zur Solidarität mit Anna Walentynowicz aufgerufen wurde, die ihren Arbeitsplatz verloren hatte. Er bestimmte aus den Reihen der mit den *Freien Gewerkschaften verbundenen Arbeitern eine sogenannte Initiativgruppe mit Jerzy Borowczak, Bogdan Felski, Ludwik Prądzyński und Lech Wałęsa. Außerdem rief er drei Gruppen unter Jan Karandziej, Mieczysław Klamrowski und Tomasz Wojdakowski ins Leben, die Flugblätter zur Unterstützung von Anna Walentynowicz verteilten. Als sich der Streik auf der Werft am 16. August zu Solidarisierungsprotesten riesigen Ausmaßes auswuchs, kam Borusewicz bedeutender Einfluss auf die Entwicklung der Proteste, die Zusammensetzung des Präsidiums des Überbetrieblichen Streikkomitees (Międzykładowy Komitet Strajkowy, MKS) und die Formulierung der „21 Forderungen“ der Streikenden zu.

Selbst ging er nicht in das Überbetriebliche Streikkomitee, um – wie er sich später erinnerte – die Verhandlungen mit den Machthabern nicht zu erschweren: „Am Sonntag [17. August] holte ich früh die Forderungen. Ich sortierte sie neu, denn ihre Reihenfolge war eine taktische Frage. Die erste Forderung betraf die unabhängigen Gewerkschaften, die Aufhebung der Zensur, Sicherheit für die Streikenden. Ich strich die freien Wahlen, die Tadeusz Szczudłowski eingefügt hatte, hinaus. Ich strich auch die Forderung nach Aufhebung der Zensur, ersetzte sie durch ‚Begrenzung der Zensur‘ und fügte die Übertragung von Gottesdiensten im Rundfunk hinzu. Ich wusste, dass es auch in der DDR Gottesdienste im Radio gab, die Forderung also real war. Diese Forderung zielte auch in Richtung der Unterstützung durch die Kirche“ (aus „Dzień jedności“/Tag der Einheit, in: „Gazeta Wyborcza“ vom 19/20. August 2000).

Am 2. Oktober 1980 war er Mitglied des Präsidiums des Danziger Überbetrieblichen Gründungskomitees der *Solidarność (Międzyzakłodowy Komitet Założycielski NSZZ „Solidarność“ Gdańsk), wo er sich mit der Organisationsfragen und Strategie der Gewerkschaft beschäftigte. Im Dezember 1980 und im März 1981 bereitete er eine Konzeption für den Fall einer Intervention von außen oder für die Ausrufung Ausnahmezustandes vor, und kümmerte sich um Verstecke für die Druckgeräte.

Bei den Wahlen zur Danziger Gewerkschaftsleitung im Juli 1981 kandidierte Borusewicz nicht und zog sich anschließend sogar völlig aus der Arbeit der *Solidarność zurück. Der Grund hierfür war, dass er nicht mit dem immer autokratischeren Führungsstil Lech Wałęsas einverstanden war. Stattdessen nahm er an Treffen einer wałęsakritischen Fraktion teil, die sich um Joanna und Andrzej Gwiazda sammelte.

Als Borusewicz nach Ausrufung des *Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 interniert werden sollte, konnte er dem Verhaftungskommando der Staatssicherheit noch rechtzeitig entkommen. Am 15. Dezember hielt er sich auf der noch bestreikten Danziger Werft auf, führte die streikenden Studenten der Danziger Hochschulen dorthin und bereitete die Verteidigung der Werft vor. Borusewicz rechnete damit, den Streik bis zum 16. Dezember durchhalten zu können, an dem eine Großdemonstration gegen das *Kriegsrecht vor der Werft angekündigt war. Als die Werft am Morgen des 16. Dezember von der Motorisierten Bürgermiliz ZOMO und vom Militär gestürmt wurde, konnte er entkommen. Mithilfe alter Kontakte begann Borusewicz daraufhin, die Arbeit der *Solidarność im Untergrund aufzubauen. Am 24. Dezember tauchten in Danzig seine ersten Flugblätter auf, die zum Widerstand aufriefen. Die Auflage betrug 40.000 Stück. Auch das von Piotr Kapczyński bis Ende Dezember 1981 herausgegebene „Biuletyn Informacyjny“ (Informationsbulletin) trug seinen Namen.

Anfang Februar 1982 nahm Borusewicz mit Aleksander Hall und Bogdan Lis Kontakt auf, die ebenfalls untergetaucht waren. Sie beschlossen, das *Solidarność- Bulletins für die Region Danzig künftig im Untergrund herauszugeben und Vertriebsstrukturen neu aufzubauen. Über Aleksander Hall bekam Borusewicz Kontakt zu Adam Hodysz, einem Offizier der Staatssicherheit, der mit der Danziger Opposition kooperierte. Am 16. März 1982 veröffentlichten Borusewicz, Aleksander Hall, Stanisław Jarosz, Bogdan Lis und Marian Świtek eine Erklärung über ihre Zusammenarbeit und gründeten kurze Zeit später, am 6. Mai, gemeinsam die Regionale Koordinierungskommission der *Solidarność in Danzig (Regionalna Komisja Koordynacyjna NSZZ „Solidarność“ Gdańsk).

In der Frage der Organisationsstruktur im Untergrund, die seit Anfang 1982 lebhaft geführt wurde, trat Borusewicz für die Schaffung provisorischer Gremien ein: „Unserer Meinung nach kommt es darauf an, dem eine allgemeine Form zu geben, was große Teile der Gesellschaft tun oder tun wollen. Nicht der Gesellschaft unsere Meinung aufzwingen, aber ihr dabei helfen, Konzeptionen aus dem zu formulieren, was schon irgendwo gärt. […] Der Untergrund, das sind nicht nur irgendwelche Männer, die Appelle unterschreiben. Überhaupt macht die Trennung von Untergrund und Massen keinen Sinn. Aber wieso agieren wir dann im Untergrund? Deswegen, weil die Gesellschaft es so will. Wenn der gesellschaftliche Widerstand schwächer wird oder ganz versiegt, werden auch wir aufhören, unsere Arbeit zu tun.“

Als Bogdan Lis im Juni 1984 verhaftet wurde, vertrat fortan Bogdan Borusewicz den Bezirk Danzig in der landesweiten Führung der Untergrund-*Solidarność, dem sogenannten *Provisorischen Koordinierungsausschuss (Tymczasowa Komisja Koordynacyjna; TKK). „Nach der TKK-Sitzung ging er los, um mit eigenen Händen Flugblätter zu verteilen. Das ist so seine Art: er ist ein echter Kämpfer“, urteilte Jarosław Kaczyński später.

Als Borusewicz am 8. Januar 1986 eine konspirative Druckerei aufsuchte, wo eine Ausgabe des *Solidarność-Bulletins hergestellt wurde, geriet er in eine Falle der Staatssicherheit. Erst im September desselben Jahres kam er dank einer Amnestie wieder frei.

Am 29. November 1986 wurde er Mitglied des von Lech Wałęsa einberufenen, offen agierenden Provisorischen Rates der *Solidarność (Tymczasowa Rada NSZZ „Solidarność“) und arbeitete zugleich mit Krzysztof Dowgiałła, Lech Kaczyński und Bogdan Lis in der geheim tagenden Regionalkommission RKK. Während der Streiks im Mai und August 1987 hielt er sich als Berater des Streikkomitees auf der Danziger Werft auf und wurde anschließend Vorsitzender des Provisorischen Vorstands der Region Danzig der *Solidarność (Tymczasowy Zarząd Regionu Gdańskiego NSZZ „Solidarność“). Am 12. November 1988 wurde er Mitglied des vom *Landesexekutivausschuss (Krajowa Komisja Wykonawcza; KKW) einberufenen Rates des *Solidarność-Fonds für Presseinitiativen (Fundusz Inicjatyw Pracowych „Solidarność“). In den *Landesexekutivausschuss wurde er am 29. April 1989 aufgenommen sowie in das neu geschaffene Präsidium gewählt.

Eine Teilnahme an den Gesprächen am *Runden Tisch sagte er ab, da er Verhandlungen mit den Machthabern für verfrüht hielt. Er setzte auf eine dritte Streikwelle, dank derer die *Solidarność noch bessere Verhandlungspositionen erreichen würde.

Nach dem Regimewechsel war Borusewicz ab 1990 Vorsitzender der Region Danzig der *Solidarność, Präsidiumsmitglied in der Landeskommission und 1991 erster stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft. 1991–93 saß er als Fraktionsvorsitzender für die *Solidarność im polnischen Parlament, wo er der außerordentlichen Kommission zur Untersuchung der Folgen des Kriegszustands angehörte. Borusewicz trat 1993 aus der *Solidarność aus.

1993–2001 saß er als Abgeordneter zunächst für die Demokratische Union (Unia Demokratyczna), dann für die Freiheitsunion (Unia Wolności, der er bis 2005 angehörte) im Sejm. In dieser Zeit war er 1991–93 stellvertretender Vorsitzender und 1993–97 Vorsitzender der Polnisch-Ukrainischen Parlamentariergruppe, 1993–97 Vorsitzender der parlamentarischen Kommission für die Geheimdienste. Zwischen 1997 und 2000 hatte er den Posten des stellvertretenden Innenministers inne, ab 2001 war er Mitglied der Woiwodschaftsverwaltung Pommern. 2005 errang er als unabhängiger Kandidat einen Sitz im Polnischen Senat und wurde Senatsmarschall. Bogdan Borusewicz wurde zwei Mal wiedergewählt und übt dieses Amt – mittlerweile als Mitglied der liberal-konservativen Bürgerplattform (Platforma Obywatelska; PO) – bis heute aus.

Ein Interview mit Bogdan Borusewicz gibt es im Online-Dossier „40 Jahre Solidarność“.



Małgorzata Strasz, Piotr Adamowicz
Aus dem Polnischen von Markus Pieper
Letzte Aktualisierung: 09/15

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.