x

In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Csoóri, Sándor

* 1930 ✝ 2016




Sándor Csoóri wurde 1930 in Zámoly geboren und legte am Reformierten Kolleg von Pápa sein Abitur ab. Da er eine konfessionelle Schule besucht hatte und an ungarischen Universitäten nicht studieren durfte, setzte er seine Ausbildung am Budapester Lenin-Institut fort.

Bis zur *Ungarischen Revolution von 1956 arbeitete er für die Zeitschriften „Iroldalmi Újság“ (Literaturzeitung) und „Új Hang“ (Neue Stimme). Nachdem diese ihr Erscheinen einstellten, wirkte er in erster Linie als Schriftsteller und Publizist. Nach der Veröffentlichung seines Romans „Schlammregen“ (Iszapeső) wurde er mit einem Publikationsverbot belegt; drei Jahre lang durfte er sich nicht öffentlich äußern, seine Bücher durften nicht erscheinen.

1968 wurde Csoóri Dramaturg bei der Filmproduktionsgesellschaft Mafilm. Er wirkte bei der Produktion vieler Spiel- und Dokumentarfilme mit, die in der Öffentlichkeit stets auf reges Interesse und beim Regime auf Abneigung stießen. In den Spielfilmen ging es oft um das für die Kommunisten missliebige Thema der nationalen ungarischen Identität. Im gleichen Jahr schloss er sich einer Unterschriftensammlung gegen den *Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei an. Nach der Verhaftung des tschechoslowakischen Schriftstellers Pavel Kohout unterzeichnete Csoóri die *Charta 77.

1983 versah er den Essay „In der Klemme“ (Kutyaszorítóban) des in ungarischer Sprache publizierenden slowakischen Oppositionellen Miklós Duray mit einem Geleitwort. Dieser Text gilt als erster literarischer Text, der gegen das Regime gerichtet ist. Csoóri bekam dafür ein etwa anderthalb Jahre währendes Publikations- und Redeverbot. Trotzdem wurde er drei Jahre später auf der Hauptversammlung des Ungarischen Schriftstellerverbandes zum Präsidiumsmitglied gewählt. In seiner Rede kritisierte er das politische Programm des hochrangigen MSZMP-Funktionärs János Berecz. Csoóri verstieß damit öffentlich gegen die Parteilinie. Dies war für die ungarische Intelligenz ein Zeichen dafür, dass man sich in Schriftstellerkreisen offen dem Regime widersetzte und sich von den nach der *Ungarischen Revolution von 1956 eingegangenen Kompromissen mit den Herrschenden verabschiedete.

Am 27. Oktober 1987 war Csoóri einer der maßgeblichen Organisatoren und Teilnehmer des *Treffens in Lakitelek, bei dem Vertreter der national orientierten Opposition zusammenkamen. Wie Zoltán Biró, Dénes Csengey, István Csurka, Gyula Fekete, Lajos Für, Csaba Gy. Kis und Sándor Lezsák war er Mitglied im Provisorischen Organisationsausschuss. Im Januar 1986 initiierte er gemeinsam mit Ferenc Donáth eine Unterschriftenkampagne, mit der ein Referendum über die Frage einer Staustufe in der Donau bei Bős-Nagymaros gefordert wurde. Im September 1988 wurde er Mitglied des *Ungarischen Demokratischen Forums (Magyar Demokrata Forum; MDF).

In den Jahren 1988–92 war er Leiter des Redaktionsbeirats der ersten legalen und unabhängigen literarischen Monatsschrift „Hitel“ (Glaube). Für sein literarisches Schaffen wurde er zweimal mit dem Attila-József-Preis (1954, 1970), dann 1981 mit dem Herder-Preis und 1990 mit der höchsten ungarischen Auszeichnung, dem Kossuth-Preis, geehrt. Csoóri ist seit dem Ende des Kommunismus weiterhin schriftstellerisch tätig. In den Jahren 1991–2000 war er Vorsitzender des Weltbundes der Ungarn.

Sándor Csoóri starb am 12. September 2016.



Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 02/19

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.