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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Eisler, Gerhart

* 20.2.1897 ✝ 21.3.1968

Geb. in Leipzig in einer dt.-jüd. Fam.; Vater Philosophieprof. Rudolf E., Bruder  Hanns E., Schwester Elfriede E. (Ruth Fischer); 1901 – 13 Volksschule u. Gymnasium in Wien; 1913 – 15 Studium der Volkswirtschaft, Philos. u. Rechtswiss. an der Univ. Wien, abgebrochen; 1915 – 18 Militärdienst in der k. u. k. Armee, Ltn.; 1918 KPÖ u. Rote Garde des Österr. Arbeiter- u. Soldatenrats; 1918 – 21 Journalist u. Sekr. der ungar. Emigrantenztschr. »Kommunismus«, 1920 der Ztschr. »Die Internationale« in Berlin; 1920 Heirat mit der Schauspielerin Hede Tune (später Gumperz bzw. Massing), Jan 1921 Übersiedl. nach Berlin; 1921 KPD; Instrukteur im KPD-Pressedienst, 1921/22 Red. der »Roten Fahne«, danach Journalist u. Agitator, 1922/23 Chefred. des KPD-Pressedienstes; 1923 – 29 Kand. des ZK der KPD; 1923/24 Ltr. des KPD-Oberbez. Mitteldtl.; 1924 – 27 Mitgl. KPD-BL Berlin (»Gerhart«, »Hans Berger«); Mitarb. der sowj. Nachrichtendienste GRU u. OGPU; ab 1926 Mitarb. im zentr. Parteiapp. der KPD, Abt. Information; 1927 – 29 Angeh. der Gruppe der »Versöhnler« u. aktiv bei der versuchten Absetzung des KPD-Vors. Ernst Thälmann (Wittorf-Affäre); 1929 nach Moskau; 1929 – 31 Beauftragter der KI in China; Sekr. im Fernöstl. Büro der RGI in Shanghai u. Nanking (»Robert«); 1931 – 33 im angloamerik. Sekr. der KI in Moskau; 1933 – 35 Vertreter der KI in den USA (»Edwards«, Paßn. »Samuel Liptzin«); ab 1935 Mitarb. der KPD-Auslandsltg. in Prag, Paris u. ab Nov. 1936 in Spanien; 1936/37 Aufbau des KPD-Geheimsenders Kurzwelle 29,8 in Madrid u. seiner Red. in Valencia; Juli 1937 nach Paris, dort Red. der »Dt. Volksztg.«; 1938 Ltr. der ZK-Kommission zur Vorbereitung u. Teiln. der Berner Konferenz; Aug. 1939 in Paris verhaftet; 1939 – 41 interniert in Le Vernet u. Les Milles; Mai 1941 Ausreise nach New York; interniert auf Ellis Island; Mitarb. des »Communist« u. »New Masses« (»Hans Berger«); Ltr. der GRU-Residentur in New York; 1941 – 46 Chefred. des »German American«; wegen illeg. Arbeit mehrmals verurteilt; ab 1945 Mithrsg. des »The German American«; Okt. 1946 polizeil. Verhinderung seiner Ausreise aus den USA; 1947 zu vier Jahren Haft wegen »Mißachtung des amerik. Kongresses u. Paßfälschung« verurteilt, gegen Kaution entlassen; Dez. 1948 in Abwesenheit zum Prof. für pol. u. soziale Fragen an die Univ. Leipzig berufen; 1949 vor drohender Verurteilung wegen Spionage aus den USA geflohen; kurzz. tschechoslowak. Staatsbürger.

Juni 1949 Rückkehr nach Berlin; SED; Mitarb. des PV der SED; Vors. der Kommission für Massenagit.; 1949/50 Mitgl. des PV der SED u. Abg. der Volkskammer; Herbst 1949 zus. mit  Hermann Axen Mitbegr. des Amtes für Information bei der Reg.; Okt. 1949 – Dez. 1952 dessen Ltr.; Febr. 1951 öffentl. Selbstkritik wegen seiner Zugehörigkeit zu den »Versöhnlern«; 1953 – 55 im Kontext der Field-Affäre Funktionsverbot wegen des »Verdachts der Agententätigkeit«, 1956 aufgehoben; 1953 – 55 freischaff. Journalist, Redaktionsmitgl. der »Wochenpost«; 1956 – 62 stellv. Vors. des Staatl. Rundfunkkomitees; 1962 KMO; ab März 1962 Vors. des Staatl. Rundfunkkomitees (Nachf. von  Hermann Ley); 1963 Dr. h. c. der KMU Leipzig; 1964 VVO; 1967 Mitgl. des ZK der SED; Mitgl. der Agit.-Komission beim PB; 1968 stellv. Vors. des VDJ u. Präs. der Organisation Internationale de Radiodiffusion et Télévision; gest. auf einer Reise in Eriwan (Armenien).

The Lesson of Germany (Mitverf.). New York 1945; Auf der Hauptstraße der Weltgeschichte – Artikel, Reden u. Kommentare 1956 – 68. Berlin 1981. Pritt, D. N.: Memoiren eines brit. Kronenanwalts. Berlin 1970; Hinze, S.: Antifaschisten im Camp Le Vernet. Berlin 1988; Eisler, H.: Interview. In: Engelhardt, M.: Dt. Lebensläufe. Berlin 1991; Kießling, W.: Partner im »Narrenparadies«. Berlin 1994; Lamphere, R., Shachtman, T.: The FBI – KGB War. Macon, Georgia 1995; Friedmann, R.: Ulbrichts Rundfunkmann. Eine G.-E.-Biographie. Berlin 2007.

Bernd-Rainer Barth

Handbuch Deutsche Kommunisten

Eisler, Gerhart

* 20.2.1897 ✝ 21.3.1968

Geboren am 20. Februar 1897 in Leipzig. Sohn des österreichischen Philosophie-Professors Rudolf Eisler, des Verfassers philosophischer Standardwerke, Bruder von Ruth Fischer und dem Komponisten Hanns Eisler. Als Kind 1901 Übersiedlung nach Wien, besuchte die Universität bis zur Einberufung in die k. u. k. Armee, wo er als österreichischer Offizier (Reserveleutnant) auch während des Weltkrieges diente. Wie seine Schwester und sein Bruder schloß er sich 1918 in Wien der KP an und wurde Redakteur der Zeitschrift »Kommunismus«. Mit einer Reihe anderer junger intellektueller Kommunisten kam er 1921 nach Deutschland und hat als Gerhart in der KPD eine Rolle gespielt, zunächst Sekretär der theoretischen Zeitschrift »Die Internationale«, wurde dann Chefredakteur des Abendblattes der »Roten Fahne«. Wie Ruth Fischer gehörte er zur linken Opposition in der KPD und wurde auf dem KPD-Parteitag 1923 Kandidat des ZA. Im April 1923 trennte Eisler sich (gemeinsam mit Arthur Ewert u. a.) von der Ruth-Fischer-Fraktion, stand zwischen der Brandler-Führung und der linken Opposition. Unbedingter Anhänger der Sowjetunion, bekannte sich nach der Oktoberniederlage (1923) zur Mittelgruppe. Nachdem die Linken 1924 die Parteiführung übernahmen, erhielt Eisler zweitrangige Funktionen und stieg erst nach dem »Offenen Brief« 1925 als Redakteur der »Roten Fahne« und Mitglied der Berliner BL wieder auf. Er schloß sich fest der Versöhnler-Gruppe um Ernst Meyer an und wurde vom XI. Parteitag 1927 – obwohl in Moabit in Untersuchungshaft – als Kandidat ins ZK, zugleich zum Kandidaten des Polbüros berufen. Als sich 1928 die ultralinke Wendung der KPD anbahnte, kämpfte EisIer mit den Versöhnlern dagegen. Sie nutzten Ernst Thälmanns Verhalten in der Wittorf-Affäre im September 1928 aus, um den ultralinken Kurs zu verhindern, Thälmann wurde abgesetzt. Nach Stalins Eingreifen für Thälmann wurde Gerhart Eisler in der EKKI-Erklärung neben dem Rechten Erich Hausen am schärfsten angegriffen, seiner Funktion als Kandidat des Polbüros enthoben und sofort aus Deutschland abberufen. In Moskau hat Eisler in einem Gespräch mit Stalin, im Beisein von Wilhelm Pieck und Clara Zetkin, seinen Standpunkt zunächst verteidigt. Doch rasch paßte er sich Stalin an, was besonders der schwerkranke Ernst Meyer scharf kritisierte. Nach seiner Distanzierung von den Versöhnlern kam er in den Komintern-Apparat, war von 1929 bis 1931 Komintern-Beauftragter in China, dann von 1931 bis 1933 Referent im anglo-amerikanischen Sekretariat der Komintern in Moskau und schließlich von 1933 bis 1935 KI-Vertreter in den USA.

Da die KPD dringend erprobte Funktionäre brauchte, wurde Eisler wieder zur deutschen Partei abgestellt und nachträglich ins ZK und Politbüro kooptiert. Als Mitglied der Auslandsleitung in Prag und Paris zusammen mit Lex Ende Redakteur der »Deutschen Volkszeitung«. Nach Kriegsausbruch in Frankreich (Vernet) interniert, bekam er Mitte 1940 ein Visum für Mexiko. In den USA war er legal Mitarbeiter kommunistischer Zeitungen, veröffentlichte das Buch »The Lessons of Germany«, fungierte auch als Leiter der illegalen Residentur der sowjetischen Militärspionage GRU in New York. Hier heiratete er im August 1942 Hilde Rothstein (*28. 1. 1912 – † 8. 10. 2000). Im Oktober 1946 wurde seine Ausreise polizeilich verhindert und er 1947 verhaftet. Eisler wurde zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er in den dreißiger Jahren als Komintern-Agent Hans Berger in den USA gearbeitet hatte. Gegen eine Kaution von 20000 $ freigelassen, gelang ihm im Mai 1949 die Flucht auf dem polnischen Dampfer »Batory«. Am 1. Juni 1949 in Ost-Berlin triumphal empfangen, in den PV der SED kooptiert, wurde Eisler Leiter des Amtes für Information der DDR. Bei der Stalinisierung der SED war er für den geplanten DDR-Schauprozeß als Angeklagter vorgesehen. Am 18. Februar 1951 veröffentlichte die »Tägliche Rundschau« Eislers Reueerklärung über seine Aktivitäten vor 1928. »Erst im Jahre 1929 begann ich völlig zu verstehen, daß ein Versöhnler kein ehrlicher Kommunist, kein Marxist-Leninist, kein ehrlicher Freund der Sowjetunion, kein ehrlicher Schüler der KPdSU und des Genossen Stalin sein kann.« Zugleich bezichtigte er einige Versöhnler, sie seien den Weg des »Renegatentums« gegangen, wurden »Spione und Provokateure im Lager des amerikanischen Imperialismus«.

Trotz seiner Selbstkritik wurde er am 23. Juli 1951 von Hermann Matern und Max Sens von der ZPKK »befragt«, u. a. zu seinem Verhältnis zu Hede Massing, die sich später vom Kommunismus abgewandt hatte. Eisler verschwand im Hintergrund. Am 27. September 1955 wandte er sich an Walter Ulbricht und Matern und forderte den Abschluß der Untersuchungen sowie einen Arbeitsplatz. Er wurde im Oktober 1956 stellvertretender Leiter des Staatlichen Rundfunkkomitees der DDR, am 30.März 1962 dessen Vorsitzender. Vom VII. SED-Parteitag 1967 zum Mitglied des ZK und an seinem 70. Geburtstag noch zum Held der Arbeit ernannt. Gerhart Eisler starb am 21. März 1968 während eines Aufenthalts in der Sowjetunion. 2007 veröffentlichte Ronald Friedmann eine Gerhart-Eisler-Biographie.

Bernd-Rainer Barth

Information

Mehr Hinweise zu den beiden Lexika finden Sie unter Wer war wer in der DDR? und unter Handbuch der Deutschen Kommunisten