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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Handbuch Deutsche Kommunisten

Ewert, Arthur

* 13.11.1890 ✝ 3.7.1959

Geboren am 13. November 1890 in Heinrichswalde bei Tilsit, Sohn armer Kleinbauern. Der wißbegierige Vater erregte im Dorf Aufsehen, als er das Lexikon von Brockhaus abonnierte. Bildungshunger kennzeichnete auch den Sohn, der nur die einklassige Dorfschule besuchen konnte. Arthur Ewert, schon als Junge ungewöhnlich groß und stark, aber auch jähzornig, verprügelte als 12jähriger seinen Lehrer, weil dieser einem anderen Kind Unrecht angetan hatte. Mit 14 Jahren ging er zu seinem Onkel nach Berlin, um das Sattlerhandwerk zu erlernen. Er las nicht nur viel, sondern besuchte Versammlungen von Sekten, Gesundbetern, Sterndeutern usw. Als Ewert eine sozialistische Versammlung, in der Frida Rubiner referierte, mit heftigen Zwischenrufen unterbrach, drohte sie aufzufliegen.

Frida Rubiner interessierte sich für den stiernakkigen Hitzkopf und überzeugte ihn für den Sozialismus. Er trat 1908 der Gewerkschaft und der SPD bei. Vor dem Weltkrieg wanderte Ewert nach Kanada aus und schloß sich dort sozialistischen Gruppen an. Während des Krieges wurde er aus politischen Gründen verhaftet und kam für ein Jahr ins Gefängnis. Ewert kehrte 1920 nach Deutschland zurück und trat der KPD bei, in der er – zunächst in Berlin – führende Positionen innehatte. 1922/23 war er Sekretär und Bezirksleiter der KPD Hessen. Auf dem VIII. Parteitag im Januar 1923 wurde Ewert in die Zentrale der KPD gewählt. Als Polleiter des linken Bezirks Hessen gehörte er zwar dem linken Flügel an, wurde aber von der Brandler-Zentrale mit einigen anderen Linken für die Wahl in dieses Parteigremium vorgeschlagen. Kurze Zeit nach dem Parteitag (im April 1923) trennte er sich gemeinsam mit Heinz Neumann, Gerhart Eisler und Hugo Pfeiffer von der linken Opposition. Als militärischer Leiter des Oberbezirks West 1923 aktiv an den Vorbereitungen des Aufstandes beteiligt. Nach dem Verbot der KPD im November 1923 als Angehöriger der Zentrale gesucht, dem Steckbrief war zu entnehmen, daß der »grobe und breitschultrige« Mann blond war, mit hoher Stirn und breitem Mund. Da Ewert zur Mittelgruppe gehörte, wurde er nach der Übernahme der Parteileitung durch die Linken ausgebootet und hielt sich längere Zeit in Moskau auf.

Der X. Parteitag 1925 wählte ihn als Kandidat ins ZK, die Parteikonferenz im Oktober 1925 zum Mitglied des ZK, des Polbüros und des Sekretariats. Er kam im Oktober 1926 in den Sächsischen Landtag, doch seine Wahl wurde im März 1927 annulliert, weil er sich nur pro forma in Sachsen angemeldet hatte. Noch immer polizeilich gesucht – als Zentralemitglied von 1923 –, wurde er am 2.November 1926 verhaftet, im Dezember jedoch wieder freigelassen. Bis zur Reichstagswahl 1928 lebte er unter dem Namen Braun illegal. Vom XI. Parteitag 1927 wieder ins ZK gewählt, kam er ins Polbüro und ins Politsekretariat und war einer der Spitzenfunktionäre der KPD. Ewert schloß sich politisch eng an Ernst Meyer an und war 1928 – da Meyer durch seine Krankheit behindert war – neben Ernst Thälmann der entscheidende KPD-Führer, vorübergehend hatte er in der Partei mehr Macht als Thälmann. Im Mai 1928 wurde er im Wahlkreis Potsdam II in den Reichstag gewählt. Der VI. Weltkongreß der Komintern 1928 berief ihn als Kandidat ins Präsidium des EKKI. In der Wittorf-Affäre 1928 Hauptgegner Ernst Thälmanns im Polbüro, wurde er nach Stalins Eingreifen nach Moskau abgeschoben. Als er Anfang 1929 zurückkam, war die Versöhnler-Gruppe, die er neben Ernst Meyer und Gerhart Eisler leitete, bereits geschwächt. Auf dem XII. Weddinger Parteitag 1929 nicht mehr ins ZK gewählt, begann gegen ihn, wie gegen alle Versöhnler, ein Kesseltreiben. Kurz nach dem Tode Ernst Meyers (Februar 1930) kapitulierte er vor dem ZK und löste die Gruppe der Versöhnler offiziell auf.

Ewert schied ganz aus der deutschen Parteiarbeit aus und wirkte nur mehr für die Komintern. Er war von 1932 bis 1934 EKKI-Vertreter beim ZK der KP Chinas. 1934 nach Brasilien geschickt, sollte er (Deckname Harry Berger) die KP-Brasiliens anleiten. Nach dem kommunistischen Aufstand vom November 1935 wurde Ewert zusammen mit seiner Frau Elise Saborowski (* 14. 11. 1886 – †1939), Sabo genannt, in Rio de Janeiro verhaftet. Beide wurden brutal gefoltert, um von ihnen das Versteck des Kommunistenführers Carlos Prestes zu erfahren. Der kräftige Ewert verlor in elf Monaten 50kg Gewicht. Selbst als die brasilianische Polizei Prestes im März 1936 verhaften konnte, endeten die Torturen nicht. Das Martyrium mit scheußlichsten Polizeimethoden gegen ihn und seine Frau brachten ihn an den Rand des Irrsinns. Am 8. Mai 1937 wurde Ewert, bereits geisteskrank, zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Frau (Sabo) wurde der Gestapo ausgeliefert, sie kam 1939 im KZ Ravensbrück ums Leben. Ewert wurde am 1. Mai 1945 amnestiert, er kam in eine Heilanstalt. Seine Schwester Minna erhielt im Mai 1947 die Einreiseerlaubnis nach Brasilien, um ihren Bruder nach Deutschland zurückzuholen. Im August 1947 traf Ewert in Deutschland ein und kam in ständige stationäre Behandlung zunächst in die Berliner Charité, ab August 1950 in ein Sanatorium in Eberswalde. Jede ärztliche Hilfe kam zu spät. Den inzwischen geistig Umnachteten erreichten die Beschuldigungen gegen die Versöhnler und die Tatsache, daß er in SED-Publikationen noch 1956 als »Agent« verunglimpft wurde, nicht mehr. Arthur Ewert starb am 3. Juli 1959 in Eberswalde. Von der SED hielt sein früherer enger Mitarbeiter Gerhart Eisler die Grabrede.

Information

Mehr Hinweise zu den beiden Lexika finden Sie unter Wer war wer in der DDR? und unter Handbuch der Deutschen Kommunisten