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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Frasyniuk, Władysław

* 1954




Władysław Frasyniuk wurde 1954 in Breslau (Wrocław) geboren. Nach dem Abschluss der Berufsschule arbeitete er als Busfahrer. Frasyniuk gehörte zu den Organisatoren des Streiks am 26. August 1980 auf dem VII. Betriebshof der Breslauer Verkehrsbetriebe in der Grabiszyńska-Straße und trat dem dortigen Überbetrieblichen Streikkomitee bei. Im September 1980 wurde er Präsidiumsmitglied des Überbetrieblichen Gründungskomitees (Międzyzakłodowy Komitet Założycielski) der Breslauer *Solidarność sowie dessen Pressesprecher. Frasyniuk argumentierte auf einer Diskussion des Komitees im Dezember 1980, die die Zeitschrift „Solidarność Dolnośląska“ (Niederschlesische Solidarność) organisiert hatte: „Jede Art von Machtausübung trägt Züge der Entartung und psychisch weniger stabile Menschen beginnen, auf Befehl zu handeln. Bei uns geschieht so etwas ebenfalls.“

Frasyniuk war Mitglied der Landesverständigungskommission (Krajowa Komisja Porozumiewawcza) der *Solidarność und des landesweiten Komitees zur Verteidigung Gewissensgefangener (Komitet Obrony Więzionych za Przekonania), das im Dezember 1980 von der *Solidarność gegründet worden war. Im Namen der Breslauer *Solidarność bürgte er vor Gericht für Tadeusz Jandziszak von der *Konföderation Unabhängiges Polen (Konfederacja Polski Niepodległej; KPN), der den Auguststreik in den Breslauer Verkehrsbetrieben unterstützt hatte, und forderte dessen Freilassung, jedoch ohne Erfolg.

Am 5. März 1981 wurde Frasyniuk zum Vorsitzenden des Breslauer Überbetrieblichen Streikkomitees gewählt. Am 25. Mai hielt er eine Ansprache auf dem Protestmarsch zur Verteidigung Gewissensgefangener in Breslau, der vom *Unabhängigen Studentenverband (Niezależne Zrzeszenie Studentów; NZS), der Bewegung zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (Ruch Obrony Praw Człowieka i Obywatela; *ROPCiO) und der *Solidarność organisiert worden war.

Die *Solidarność-Delegiertenversammlung der Woiwodschaft wählte Frasyniuk am 19. Juni 1981 zunächst zu ihrem Woiwodschaftsvorsitzenden. Als einige Tage darauf die Entscheidung zur Gründung größerer Schaffung größerer Solidarność-Verwaltungsbezirke gefallen war, wurde Frasyniuk Vorsitzender des *Solidarność-Vorstandes der Region Niederschlesien. Er sprach sich dafür aus, vielfältige Formen der gesellschaftlichen Selbstverwaltung zu entwickeln, um so das Gesamtsystem zu demokratisieren. Am 8. Oktober 1981 wurde er in das Präsidium der *Solidarność-Landeskommission (Komisja Krajowa) gewählt.

Frasyniuk bemühte sich darum, die niederschlesische *Solidarność auf eine mögliche Ausrufung des *Kriegsrechts vorzubereiten. Der Bezirksvorstand erhielt spezielle Instruktionen für diesen Fall; Ende 1981 traf er geheim die Entscheidung, das Geld der Gewerkschaft vom Bankkonto abzuheben und zu verstecken (was Józef Pinior erledigte).

Auf einer Sitzung der Landeskommission in Danzig sprach er sich im Dezember 1981 dafür aus, einen Kompromiss mit den Machthabern zu suchen, da er die Konsequenzen einer harten Konfrontation fürchtete. In der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember warnten ihn Eisenbahner, dass das *Kriegsrecht ausgerufen worden sei, sodass er sich rechtzeitig nach Breslau ins Regionale Streikkomitee (Regionalny Komitet Strajkowy; RKS) begeben konnte, das seinen Sitz anfangs auf dem VII. Betriebshof in der Grabiszyńska-Straße hatte. Bei ihm waren sein Stellvertreter im Bezirksvorstand, Piotr Bednarz, und Józef Pinior. Sich von einer Fabrik in die andere zurückziehend, die nacheinander von der Motorisierten Bürgermiliz ZOMO gestürmt und besetzt wurden, leitete Frasyniuk bis zum 16. Dezember den Generalstreik in Breslau. Danach ging er in den Untergrund.

Frasyniuk blieb an der Spitze des Regionalen Streikkomitees, baute geheime Betriebsstrukturen auf, sorgte sich um die Organisation von Untergrundverlagen, um die Verteilung von Literatur und traf sich oftmals mit Vertretern geheimer *Solidarność-Zellen. Die Tätigkeit in der Konspiration schreckte ihn nicht. Er nahm Kontakt mit Eugeniusz Szumiejko auf, einem Mitglied des niederschlesischen Vorstands und des Präsidiums der Landeskommission, der sich in Danzig verborgen hielt und das Gesamtpolnische Widerstandskomitee (Ogólnopolski Komitet Oporu) führte. Am 22. April 1982 gründeten er und Zbigniew Bujak, Władysław Hardek und Bogdan Lis den *Provisorischen Koordinierungsausschuss (Tymczasowa Komisja Koordynacyjna; TKK) der *Solidarność, dem sich bald auch Eugeniusz Szumiejko anschloss. Frasyniuk definierte dessen Ziele anders als Zbigniew Bujak, so etwa am 12. Mai 1982 in einem Interview für den im Untergrund erscheinenden *„Tygodnik Mazowsze“ (Masowisches Wochenblatt): „Der [*Provisorische Koordinierungsausschuss] bereitet sich auf den organisierten Widerstand vor. Bereits im Sommer müsste es zu einer landesweiten Aktion kommen, die die Aktivitäten bündelt, die Gesellschaft zusammenschließt und eine Vorbereitung auf den Generalstreik darstellt.“ Immer wieder kehrte er zur Idee der Selbstverwaltung zurück. In einem offenen Brief vom 1. Juni 1982 schrieb Frasyniuk: „Unser übergeordnetes Ziel ist die Errichtung einer selbstverwalteten Gesellschaft. […] Unsere Taktik besteht im mühsamen und nicht unbedingt effektiven Aufbau einer Organisation, die sich auf die Betriebsstrukturen stützt, einer Organisation, die imstande ist, die Interessen der Gesellschaft zu schützen, und als letztes wichtigstes Kampfmittel den Generalstreik anwendet.“ („Z dnia na dzień“/Von Tag zu Tag vom 7.–9. Juni 1982) Auf der Juni-Sitzung des *Provisorischen Koordinierungsausschusses forderte Frasyniuk, die spektakulären Demonstrationen am 31. August in Breslau und anderen niederschlesischen Städten vor Augen, die Ausrufung des Generalstreiks für den Fall, dass der Sejm die *Solidarność verbieten sollte. Er wurde jedoch von Zbigniew Bujak, Bogdan Lis und Eugeniusz Szumiejko überstimmt.

Am 5. Oktober 1982 geriet Frasyniuk in die Fänge des Staatssicherheitsdienstes und wurde am 24. November für „illegale gegen den Staat und die Gesellschaftsordnung gerichtete Handlungen“ zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilt (als mildernde Umstände, die ihm das Gericht anrechnete, gehörte der vermeintliche „irrationale, träumerische Romantismus des Angeklagten“). Frasyniuk saß seine Strafe in Gefängnissen in Łęczyca und Barczewo ab, wo er sich an Protesten und Hungerstreiks beteiligte und um die Anerkennung als politischer Gefangener kämpfte. Im Mai 1984 wurde er, noch während er seine Strafe verbüßte, wegen Beleidigung eines Offiziers der Miliz im Dienst zu weiteren zehn Monaten Haft verurteilt. Am 27. Juli 1984 kam er jedoch aufgrund einer Amnestie in Freiheit. Kurze Zeit später, am 31. August, legte er bereits während einer Demonstration zusammen mit Józef Pinior Blumen an der Gedenktafel für die *Solidarność in der Grabyszyńska-Straße in Breslau nieder. Beide wurden dabei festgenommen und noch am gleichen Tag in einem beschleunigten Verfahren zu zwei Monaten Haft wegen des „Versuchs, die öffentliche Ordnung zu stören“, verurteilt.

Am 13. Dezember wandte sich Frasyniuk in einem offenen Brief an die Mitglieder und Sympathisanten der *Solidarność: „Die derzeitige Lage wird sich nicht durch einmalige heldenhafte Taten unserer Nation ändern. Wenn wir dauerhafte politisch-gesellschaftliche Veränderungen anstreben, wenn wir eine wirklich selbstverwaltete und unabhängige Gesellschaft aufbauen wollen, müssen wir uns klar darüber sein, dass uns noch Jahre hartnäckiger Arbeit erwarten. Unsere Hoffnung muss auf uns selbst ruhen, wir selbst müssen uns schon heute als Subjekte verstehen. […] Unser übergeordnetes Ziel ist die Wiedererstehung der Gewerkschaft, die Rückkehr zu einem funktionierenden gewerkschaftlichen Pluralismus in Polen. Ich rufe dazu auf, die offene Gewerkschaftsarbeit im Rahmen legaler Institutionen aufzunehmen, in Arbeiterselbstverwaltungen und Genossenschaften, sowie dazu, Weiterbildung zu organisieren und um ein demokratisches Wahlrecht zu kämpfen.“ (*„Tygodnik Mazowsze“ vom 10. Januar 1985).

Am 13. Februar 1985 wurde Frasyniuk erneut verhaftet, dieses Mal gemeinsam mit Bogdan Lis und Adam Michnik während eines Treffens von *Solidarność-Aktivisten mit Lech Wałęsa in Danzig. Er wurde, wie die anderen auch, angeklagt, in der Führung des *Provisorischen Koordinierungsausschusses tätig zu sein, sowie für sogenannte „Aktivitäten mit dem Ziel, öffentliche Unruhe zu stiften“. Am 14. Juni 1985 verurteilte man Frasyniuk zu dreieinhalb Jahren Gefängnis, die er zunächst wieder in Łęczyca und anschließend in Lubsko in der Woiwodschaft Zielona Góra absaß. Dort waren die Haftbedingungen besonders schlecht, er wurde schikaniert und durch die Gefängnisleitung unausgesetzt bestraft. Besuche von der Familie oder dem Rechtsanwalt wurden ihm verweigert; im März 1986 schlug ihn einer der Wärter zusammen.

Als das höchste polnische Gericht das Urteil im Februar 1986 bestätigte, nahmen die Vertreter aller Gruppen des Breslauer Untergrunds den Kampf um die Freilassung Frasyniuks auf. Ab Mitte Mai fanden Aktionen zu seiner Verteidigung statt: Es gab Flugblätter, Transparente und Graffitis an Hauswänden und Straßenbahnen, Radiosendungen des *Unabhängigen Studentenverbandes und der *Kämpfenden Solidarność (Solidarność Walcząca; SW) sowie einen Boykott der öffentlichen Verkehrsmittel. Die Zeitschrift des Regionalen Streikkomitees „Z dnia na dzień“ (Von Tag zu Tag) veröffentlichte Namen von Menschen, die bereit waren, einen Teil von Frasyniuks Strafe zu verbüßen. Zahlreiche Personen, die Anfang Juli in der Stadt mit Transparenten „Władysław Frasyniuk freilassen!“ unterwegs waren, wurden von der Miliz festgesetzt und von Schnellgerichten verurteilt.

Frasyniuk kam im September 1986 aufgrund einer Amnestie auf freien Fuß. Kurz darauf trat er dem offen, nicht im Untergrund arbeitenden Provisorischen Rat der *Solidarność bei, der von Lech Wałęsa am 29. September 1986 einberufen worden war. Er nutzte dabei nicht nur die Möglichkeiten der offenen Arbeit (beispielsweise Erweiterung der Tätigkeitsfelder um ökologische Fragen), sondern trat gleichzeitig für die Stärkung konspirativer Strukturen der *Solidarność ein. Frasyniuk traf sich zwar mit niederschlesischen *Solidarność-Betriebskommissionen, schuf aber keine neuen Organisationseinheiten, obwohl sich das Regionale Streikkomitee für den Ausbau der Untergrundarbeit ausgesprochen hatte, um der offenen Konfrontation mit dem Regime aus dem Weg zu gehen. Erst am 3. Dezember 1987 rief Frasyniuk in Breslau die offen agierende Regionale Exekutivkommission der *Solidarność Niederschlesien ins Leben und stand fortan an ihrer Spitze. Gleichzeitig gehörte er dem *Landesexekutivausschuss (Krajowa Komisja Wykonawcza; KKW) der *Solidarność an, der am 25. August 1987 anstelle des *Provisorischen Koordinierungsausschusses und des Provisorischen Rates gebildet worden war. Im April 1989 zog er in das Präsidium des *Landesexekutivausschusses ein.

Zusammen mit zahlreichen weiteren Persönlichkeiten, die sich auf Einladung Lech Wałęsas am Vortag der Polenreise von Papst Johannes Paul II. trafen, unterschrieb Frasyniuk die Erklärung vom 31. Mai 1987, in der die grundsätzlichen Ziele der Opposition umrissen wurden. Im September 1988 nahm er an vertraulichen Gesprächen mit der Regierung in Magdalenka bei Warschau teil, im Dezember 1988 wurde er Mitglied des *Bürgerkomitees beim Vorsitzenden der *Solidarność (Komitet Obywatelski przy Przewodniczącym NSZZ „Solidarność“). 1989 gehörte Frasyniuk zur zentralen Verhandlungsgruppe der Opposition am *Runden Tisch (6. Februar bis 5. April), der ebenfalls in Magdalenka tagte. Frasyniuk nahm sowohl an den Plenarberatungen als auch an vertraulichen Gesprächen teil und gehörte darüber hinaus der Arbeitsgruppe für gewerkschaftlichen Pluralismus an.

Nach dem Ende des Kommunismus in Polen war Frasyniuk 1990–91 Mitglied des Präsidiums der Landeskommission der *Solidarność und 1990–93 Stadtverordneter von Breslau. Ab 1990 war er einer der Anführer der neu gegründeten Bürgerbewegung Demokratische Aktion (Ruch Obywatelski Akcja Demokratyczna; ROAD), 1991 wurde er Vorsitzender des Zentralrates dieser Organisation. Als ROAD der Demokratischen Union (Unia Wolności; UW) beitrat, wurde Frasyniuk einer von deren Vizevorsitzenden (1991–94). 1994/95 war er Mitglied des Präsidiums des Landesrates der Freiheitsunion und ab 2001 ihr Vorsitzender. 2005 war er Mitgründer und bis 2006 Vorsitzender der neu aus der Freiheitsunion hervorgegangenen Demokratischen Partei (Partia Demokratyczna; PD), aus der er 2009 austrat.

In den Jahren 1991–2001 saß Frasyniuk als Abgeordneter im Sejm und ist seit 1993 Miteigentümer der Transportfirma FF „Fracht“.

Ein Interview mit Władysław Frasyniuk gibt es im Online-Dossier „40 Jahre Solidarność“.



Małgorzata Strasz
Aus dem Polnischen von Wolfgang Templin
Letzte Aktualisierung: 10/15

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.