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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Ghimpu, Gheorghe

* 1937 ✝ 2000




Gheorghe Ghimpu wurde 1937 in dem bessarabischen Dorf Colonița (damals Rumänien) in eine bäuerliche Familie geboren. 1960 schloss er sein Physik- und Mathematikstudium am Staatlichen Pädagogischen Institut in Tiraspol, der zweitgrößten Stadt des mittlerweile an die Sowjetunion gefallenen Moldau, ab. 1962–65 arbeitete er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Gemeinsam mit Alexandru Usatiuc gründete Ghimpu im Herbst 1967 die National-Patriotische Front (Frontul Național Patriotic din Basarabia și Nordul Bucovinei; FNP), deren Ziel es war, gegen die Russifizierung der moldauischen Bevölkerung und für den Anschluss Bessarabiens und der Nordbukowina an Rumänien zu kämpfen. Er bemühte sich, junge Leute aus der Akademie der Wissenschaften sowie aus den Instituten und Technischen Hochschulen der moldauischen Hauptstadt Chișinău an die Organisation heranzuführen. 1968/69 verfasste Ghimpu zusammen mit Alexandru Usatiuc den „Bericht vom 1. Treffen der National-Patriotischen Front zur Befreiung Bessarabiens und der Bukowina vom russisch-sowjetischen Joch“ (Raport la Congresul I al Frontului national-patriotic pentru eliberaria Basarabiei si Bucovinei des sub jugul ruso-sovietic). Der Bericht erachtete es als möglich, dass Moldau in Übereinstimmung mit der sowjetischen Verfassung aus der UdSSR austreten könne, und kritisierte die Nationalitätenpolitik der KPdSU.

Im Dezember 1969 wurde Ghimpu vom Institut für Angewandte Physik der Moldauischen Akademie der Wissenschaften zum Promotionsstudium an das Moskauer Institut für Biophysik delegiert. Während seines Aufenthalts in der sowjetischen Hauptstadt schrieb er Artikel und Aufrufe zum Kampf gegen das kommunistische System, darunter 1971 den „Appell an die Jugend und die Studenten Moldaus“. Ghimpu wurde von der sowjetischen Geheimpolizei KGB überwacht und im Oktober 1971 vom Promotionsstudium ausgeschlossen. Daraufhin kehrte er nach Chișinău zurück, wo er einen „Aufruf an die Jugend und Studenten Bessarabiens, der Nordbukowina und Transnistriens“ schrieb, den Valeriu Graur, Mitglied der National-Patriotischen Front, nach Rumänien schleusen sollte. Am 7. Januar 1971 wurde Ghimpu verhaftet und am 13. Juli vom Obersten Gericht der Moldauischen Sowjetrepublik nach Artikel 67, Paragraf 1 und Artikel 69 des Strafgesetzbuches der Moldauischen SSR (siehe *Artikel 70 Strafgesetzbuch der RSFSR und *Artikel 72 Strafgesetzbuch der RSFSR) schuldig gesprochen. Unter anderem warf man ihm die „Mitgliedschaft in einer antisowjetischen Organisation“ vor. Er wurde zu sechs Jahre Gefängnis verurteilt.

Seine Strafe verbüßte Ghimpu in den *mordwinischen Lagern und in den *Permer Lagern. Während seiner Haft beteiligte er sich an Widerstandsaktionen und setzte sich weiter für die nationalen Rechte der Moldauer ein. So richtete er aus dem Lager eine Erklärung an das Präsidium des Obersten Sowjets mit der Forderung, die Sowjetunion solle in nächster Zeit „das Problem der Rückkehr Bessarabiens nach Rumänien lösen“. Außerdem kündigte an, er werde am 28. Juni, dem Jahrestag der Annexion Bessarabiens 1940 durch die Sowjetunion, in Hungerstreik treten. Er verlangte, seine Erklärung in der Presse zu veröffentlichen und sie dem rumänischen Botschafter zu schicken. 1977 protestierte er gegen einen Artikel in der belarussischen Presse, der Wladimir Bukowski verunglimpfte. Im Januar 1977 kam Ghimpu aus dem Lager frei, wurde aber weiterhin überwacht. Erfolglos versuchte er, eine Anstellung als Lehrer zu finden. Von 1978 bis 1988 war er gezwungen, als Materialverwalter zu arbeiten.

1988 nahm Ghimpu seine politische Tätigkeit wieder auf und wurde bald einer der Anführer der demokratischen und nationalen Bewegung in der Moldauischen Sowjetrepublik. Er war unter anderem Mitglied des Exekutionskomitees der Volksfront Moldaus. Am 9. November 1989 organisierte er eine Massendemonstration in Chișinău unter der Losung „Weg mit dem imperialistischen Denken! Weg mit dem Diktat der Kommunisten! Für Souveränität!“. Den Demonstranten gelang es, eine staatliche Militärparade zu verhindern, es kam zu Gefechten mit der Miliz. Am 10. November nahm Ghimpu erneut an einer großen Demonstration teil, die den Rücktritt der Regierung und die Freilassung der bei der vorangegangenen Aktion Verhafteten forderte. Die Demonstranten versuchten, das Gebäude des Innenministeriums zu stürmen.

Nach der Unabhängigkeit der Republik Moldau wurde Ghimpu 1991 Abgeordneter Parlamentsabgeordneter und arbeitete an der Gesetzesvorlage „Über die Rehabilitierung der Opfer der kommunistischen Okkupation“ mit. Er wurde Sekretärs der Parlamentarischen Kommission für Menschenrechte und Internationale Beziehungen und beteiligte sich an der Vorbereitung des Gesetzes zur „Staatsbürgerschaft der Republik Moldau“. Nicht zuletzt gehörte er zu den Gründern der Demokratischen Partei Moldaus. 1991 wurde er Kanzleichef des moldauischen Parlaments. Im Januar 1998 wurde er Vorsitzender des Verbandes der Opfer der kommunistischen Okkupation und der Kriegsveteranen der rumänischen Armee, aus dem im Juni 2000 die Rumänische Nationalpartei hervorging. 1999 veröffentlichte er ein Buch über das Nationalbewusstsein der moldauischen Rumänen.

Gheorghe Ghimpu kam 2000 bei einem Verkehrsunfall in Chișinău ums Leben.



Ion Şișcanu
Aus dem Polnischen von Beata Kosmala
Letzte Aktualisierung: 06/17

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.