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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Gwiazda, Andrzej

* 1935




Andrzej Gwiazda wurde 1935 in Pinczów in der heutigen Woiwodschaft Heiligkreuz geboren. 1940 wurde zusammen mit seiner Familie von den Sowjets nach Kasachstan deportiert, von wo er 1946 zurückkehrte. 1953–55 und 1957–66 studierte er Elektrotechnik bzw. Elektronik am Danziger Polytechnikum, wo er ab 1966 als Konstrukteur und Oberassistent tätig war. Gwiazda war am Polytechnikum an den Protesten des *März 1968 beteiligt und nahm an den Straßenprotesten im *Dezember 1970 teil. 1973 bekam er eine Anstellung im Werk für elektrische Schiffsausrüstungen und Automatik „Elmor“ in Danzig (Gdańsk).

Gemeinsam mit seiner Frau Joanna Duda-Gwiazda richtete er 1976 einen Brief an den Sejm, in dem er die Forderungen des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników; *KOR) unterstützte. Im April 1977 nahm er Kontakt zu Bogdan Borusewicz auf. Kurz danach begann er mit der Verbreitung des *„Robotnik“ (Arbeiter) und arbeitete mit dem Interventionsbüro des *KOR zusammen.

Am 29. April 1978 stellte er gemeinsam mit Antoni Sokołowski und Krzysztof Wyszkowski die Deklaration des Gründungskomitees der *Freien Gewerkschaften der Küste (Wolne Związki Zawodowe Wybrzeża; WZZ) vor, deren Vorsitzender er wurde. Kurze Zeit später schlossen sich Bogdan Borusewicz, Alina Pieńkowska, Anna Walentynowicz und Lech Wałęsa den *Freien Gewerkschaften der Küste an. Für die ab August 1978 erscheinende unabhängige Zeitung „Robotnik Wybrzeża“ (Arbeiter der Küste) beteiligte er sich an der Redaktionsarbeit, organisierte Diskussionsveranstaltungen mit Sympathisanten, druckte und verteilte unabhängige Literatur und Flugblätter und war Mitorganisator der jährlichen Gedenkfeiern zum *Dezember 1970: „Bei den Begegnungen sprachen wir nicht über Patriotismus, sondern über fehlende Arbeitshandschuhe und darüber, ob es im Buffet Grützwurst gibt, über die ökonomische Situation der einzelnen Betriebe. Aus der Analyse der Löhne und Preise erwuchs uns die Frage der Unabhängigkeit von selbst.“ Bis zum August 1980 wurde er elf Mal für 48 Stunden inhaftiert und seine Wohnung wurde durchsucht.

Am 16. August 1980 initiierte er gemeinsam mit Bogdan Lis und Janusz Satora einen Streik bei „Elmor“ und ermutigte Arbeiter aus anderen Betrieben der Dreistadt, sich dem Protest anzuschließen. Als auf der Danziger Lenin-Werft die Entscheidung fiel, den dortigen Streik fortzusetzen, ging er in das Überbetriebliche Streikkomitee und beteiligte sich an der Formulierung von 21 Forderungen. Gwiazda war an den Verhandlungen mit der Regierungsdelegation beteiligt, wo er die Forderungen nach freien Gewerkschaften und nach Freiheit für politische Gefangene vortrug.

Nach Unterzeichnung der *Danziger Vereinbarung am 31. August 1980 blieb Gwiazda in der Leitung der sich formierenden Gewerkschaft als stellvertretender Vorsitzender des Danziger Überbetrieblichen Gründungskomitees aktiv. Am 17. September wurde er auf dem Treffen von Vertretern aller Gründungskomitees in Danzig stellvertretender Vorsitzender der dort ins Leben gerufenen Verständigungskommission (ab 29. September hieß diese Landesverständigungskommission/Krajowa Komisja Porozumiewawcza; KKP) der *Solidarność. Am 12. Februar 1981 wurde er stellvertretender Vorsitzender ihres provisorischen Präsidiums und war im Sommer 1981 Mitglied der aus Regierungs- und *Solidarność-Vertretern zusammengesetzten Arbeitsgruppe für ein neues Gewerkschaftsgesetz.

Während der sogenannten „Krise von Bydgoszcz“ war er Mitglied des am 23. März 1981 gebildeten Landesstreikkomitees. Am 1. April 1981 erklärte er auf der Sitzung der KKP seinen Rücktritt vom Posten des stellvertretenden Vorsitzenden, weil er anerkannte, dass das Landesstreikkomitee seine Befugnisse überschritten hatte, als es die Vereinbarung mit der Regierung schloss. Sein Rücktritt wurde jedoch nicht angenommen. Ausdruck seiner zunehmend kritischen Haltung gegenüber Lech Wałęsa war ein offener Brief Gwiazdas an ihn, in dem er gegen die Verletzung demokratischer Prinzipien in der Führung der *Solidarność protestierte.

Bei den Vorstandswahlen in der Region Danzig am 13. Juli 1981 kandidierte Gwiazda, verlor jedoch gegen Lech Wałęsa, wurde aber Mitglied des Vorstandes. Auf dem ersten Landesdelegiertenkongress der *Solidarność im September und Oktober 1981 in Danzig war er einer der Initiatoren der „Botschaft an die Arbeiter Osteuropas“ (Posłanie do ludzi pracy Europy Wschodniej). Bei den Wahlen zum Vorsitz der Gewerkschaft unterlag er erneut Wałęsa und wurde Mitglied der Landeskommission.

Am 22. November 1981 trat Gwiazda während des II. *Solidarność-Regionalkongresses aus dem Vorstand der Region Danzig aus, um gegen die Abberufung mit ihm verbundener Gewerkschaftsaktivisten zu protestieren. Gemeinsam mit ihm verließen elf weitere Mitglieder den Vorstand.

Nach der Ausrufung des *Kriegsrechts wurde Gwiazda am 13. Dezember 1981 in Strzebielinek in der Woiwodschaft Pommern und anschließend im Warschauer Stadtteil Białolęka interniert. Gut ein Jahr später, am 23. Dezember 1982, änderte sich sein Status als Internierter in den eines Arrestgefangenen und Gwiazda wurde das Warschauer Rakowiecka-Gefängnis gebracht. Gegen ihn und sechs weitere Danziger Gewerkschaftsführer (Seweryn Jaworski, Marian Jurczyk, Karol Modzelewski, Grzegorz Palka, Andrzej Rozpłochowski und Jan Rulewski) wurde ein Prozess vorbereitet, in dem ihnen gewaltsame Aktivitäten zum Sturz der staatlichen Ordnung vorgeworfen wurden. Wie die anderen Inhaftierten, so weigerte sich auch Gwiazda, künftig auf politische Betätigungen zu verzichten oder in den Westen zu emigrieren. Im Juli 1984 kam er schließlich im Rahmen einer Amnestie frei.

Gwiazdas weitere Oppositionsarbeit spielte sich außerhalb des im Untergrund tätigen *Provisorischen Koordinierungsausschusses (Tymczasowa Komisja Koordynacyjna; TKK) der *Solidarność ab. Er war zu Vorträgen im Land unterwegs und publizierte in der Untergrundpresse. Schon im Gefängnis hatte er Kassiber geschmuggelt, die dann im Untergrundblatt „Poza układem“ (Außerhalb des Paktes) gedruckt wurden, das 1984 –86 erschien und von seiner Frau redaktionell betreut wurde.

Am 16. Dezember 1984 wurde er während des Marsches zum Denkmal der bei den Unruhen im *Dezember 1970 gefallenen Werftarbeiter in Danzig festgesetzt und von einem Kollegialgericht zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Zur Unterstützung von Gwiazda und den andern politisch Inhaftierten fand in der Stanisław-Kostka-Kirche in Danzig-Oliwa ein Hungerstreik (23.–26. Dezember) statt. In der Marienkirche organisierte Stanisław Kowalski 63 Tage lang Gebete für ihre Freilassung.

Im Februar 1985 wurde Andrzej Gwiazda in Jastrzębie in Abwesenheit zu zwei Monaten Arrest „für das Ausstoßen von Ausrufen und das demonstrative Tragen des *Solidarność-Zeichens am 7. Dezember 1984“ (er war damals zu Vorträgen unterwegs) verurteilt.

Am 15. Mai 1985 wurde Gwiazda aus dem Gefängnis entlassen und beteiligte sich am 23. Mai während des Prozesses gegen Bogdan Lis, Wladysław Frasyniuk und Adam Michnik an einer Demonstration vor dem Gerichtsgebäude in Danzig. Am 1. Juli wurde er Sprecher einer Gruppe von Rentnern, die in der Danziger Jakobskirche einen mehrtägigen Hungerstreik durchführten, mit dem sie gegen die Erhöhung der Lebensmittelpreise protestierten.

Gwiazda war Ende 1986 einer der Initiatoren einer Arbeitsgruppe der Landeskommission der *Solidarność (zusammen mit Seweryn Jaworski, Marian Jurczyk, Jerzy Kropiwnicki, Jan Rulewski, Andrzej Słowik und Stanisław Wądołowski). Diese forderte am 20. September 1987 in einem Brief an Lech Wałęsa, die Zusammensetzung der Landeskommission von 1981 wiederherzustellen. Als im Oktober 1989 die Landesarbeitskommission der *Solidarność gegründet wurde, ging die Arbeitsgruppe in Opposition zu Lech Wałęsa und seinen Mitarbeitern.

Im Juni 1988 trat Gwiazda auf Einladung der dortigen polnischen Minderheiten (Polonia) gemeinsam mit seiner Frau eine mehrmonatige Reise nach England, die USA und Kanada an, wo er sich unter anderem mit der polnischen Emigrationsregierung traf.

Gwiazda protestierte 1989 gegen die Vereinbarungen am *Runden Tisch, organisierte dazu am 1. Mai eine Demonstration in Danzig und schrieb unter anderem im wieder aufgelegten Untergrundblatt „Poza układem“ kritische Artikel. Im Juni gründete er gemeinsam mit Andrzej Kujawa, Joanna Radecka, Bogdan Spodziej und Anna Walentynowicz neue Freie Gewerkschaften, die bis 1993 existierten.

Beruflich war Gwiazda 1986–91 bei der Firma „Absolvent“ als Maler und Höhenarbeiter beschäftigt, kehrte 1991 zu seiner Arbeit bei „Elmor“ zurück und ging 1999 in Rente. 2005 organisierte er gemeinsam mit Anna Walentynowicz alternative Feiern zum 25. Jubiläum der Gründung der *Solidarność. 2007 wurde er vom Polnischen Senat in den Beirat des Instituts für Nationales Gedenken gewählt.


Zofia Płużańska
Aus dem Polnischen von Markus Pieper und Wolfgang Templin
Letzte Aktualisierung: 09/15

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.