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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Handbuch Deutsche Kommunisten

Jacob, Mathilde

* 8.3.1873 ✝ 14.4.1943

Mathilde Jacob wurde am 8. März 1873 in Berlin als älteste Tochter des jüdischen Fleischwarenhändlers Julius Jacob und seiner Frau Emilie geboren. Sie betrieb seit 1907 im Berliner Stadtteil Moabit als selbständige Stenotypistin zeitweise mit einer Angestellten und einem Lehrmädchen ein kleines Schreib- und Übersetzungsbüro. Dort ließen Rosa Luxemburg, Julian Marchlewski und Franz Mehring ihre Manuskripte abschreiben. Besonders Rosa Luxemburg schätzte Mathilde Jacob als zuverlässige und bescheidene sowie stets hilfsbereite Frau. Im Weltkrieg wurde sie Rosa Luxemburgs engste Vertraute, wie deren Zuchthausbriefe beweisen. Sie schmuggelte sowohl Rosa Luxemburgs »Spartakusbriefe« als auch die berühmte »Junius«-Broschüre aus dem Gefängnis. Die intensive Zusammenarbeit Mathilde Jacobs auch mit Leo Jogiches seit 1917 dauerte in der Revolution weiter an. Mathilde Jacob war auf dem Gründungsparteitag der KPD zumindest anwesend, vermutlich dort sogar aktiv beteiligt.

Nach der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts sowie Jogiches im Januar bzw. März 1919 war Mathilde Jacob, die zunächst weniger gefährdet schien, einige Zeit für die Finanzen der jungen Partei zuständig, von Juni bis September 1919 aber selbst inhaftiert. Nach ihrer Entlassung reiste sie nach Stuttgart zu Clara Zetkin und arbeitete in der Redaktion der Zeitschrift »Kommunistin«. Mit Paul Levi eng verbunden, teilte sie seine politischen Ansichten und verließ mit ihm 1921 die KPD. 1921/22 war sie dann verantwortliche Redakteurin der KAG-Zeitschrift »Unser Weg« und später für die von Levi herausgegebene Pressekorrespondenz »Sozialistische Politik und Wirtschaft« (SPW) tätig. Seit 1922 Mitglied der SPD, unterhielt sie in Berlin weiter ihr kleines Schreibbüro. Die sich stets im Hintergrund haltende Mathilde Jacob trat ein einziges Mal an die Öffentlichkeit. Der VII. Jenaer KPD-Parteitag im August 1921 hatte die Zentrale aufgefordert, alsbald die Herausgabe der Schriften Rosa Luxemburgs vorzunehmen. Im Zusammenhang mit der Realisierung dieses Antrages kam es zu einer böswilligen und verletzenden Bemerkung gegenüber Mathilde Jacob. Aus der Zentrale der KPD wurde verlautet: »... die praktische Ausführung wird wahrscheinlich daran scheitern, daß der Nachlaß Rosa Luxemburgs sich in den Händen eines Fräuleins befindet, das durch den Bruch der Parteidisziplin nicht mehr zur Partei gehört. Es ist fraglich, ob sie das Material an uns herausgibt.« Daraufhin veröffentlichte Mathilde Jacob Anfang September 1921 im USPD-Organ »Freiheit« einen Leserbrief, in dem sie in scharfer Form die Polemik der VKPD-Zentrale abwehrte und über ihre Tätigkeit berichtete.

»Viele Proletarier werden wohl verwundert gefragt haben, wer wohl das ?Fräulein? sein mag, die Rosa Luxemburgs Vertrauen in so hohem Maße besaß, daß sie sogar zur Hüterin ihrer politischen Hinterlassenschaft bestellt wurde. Es widerstrebt mir, von mir selbst zu sprechen. Ist es doch so selbstverständlich, daß man seine Schuldigkeit tat und sie weiter tut. Ich marschierte als einfacher Soldat im Spartakusbund, aber ich habe nie den Kampfesmut verloren, ich habe nie die Arbeit im Stich gelassen, wie so manche der Offensivhelden, die heute in der Zentrale der V. K. P. D. sitzen. Ich arbeitete vor dem Kriege lange Jahre hindurch mit Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Franz Mehring und vielen anderen. Ich leistete in der schwierigsten Zeit während des Krieges Leo Jogiches freiwillige Sekretärdienste. Denn der Spartakusbund hatte keine Mittel, und wir alle, die wir in ihm kämpften und arbeiteten, opferten unseren letzten Pfennig und unsere äußerste Kraft. Es war eine erheblich aufreibendere Arbeit als heute. Wir kamen nicht auf Festung! Wir wanderten in die Gefängnisse, in die Zuchthäuser. Wie schwierig war es, die Beiträge für die Spartakusbriefe zu bekommen! Wer schrieb außer Rosa Luxemburg für die Spartakusbriefe? Alle Mitteilungen hierfür gingen durch meine Hände, und neben ganz winzigen Beiträgen von anderer Seite schrieb außer Rosa Luxemburg nur – der ?Opportunist? Paul Levi ... Heute haben ungeheuer viele ihr revolutionäres Herz entdeckt und sprechen von mir als ?Fräulein?. Aber weshalb ist sie für diese Fräulein und nicht mehr Genossin? Wahrscheinlich, weil ich [für] die Zeitschrift Paul Levis ?Unser Weg? verantwortlich zeichne. Ja, ich bekenne mich ganz offen zur Richtung Levi ...«

Mathilde Jacob blieb bis 1933 in Berlin, lebte zurückgezogen, so daß aus dieser Zeit wenig über sie bekannt ist. Sie versuchte nach 1936 vergebens, Nazi-Deutschland zu verlassen. Es gelang ihr noch 1939, einige von und an Rosa Luxemburg gerichtete Briefe in die USA bringen zu lassen. Am 28. Juli 1942 wurde Mathilde Jacob in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie am 14.April 1943 ums Leben kam. Rosa Luxemburgs Briefe an sie wurden 1972 von Nahiriko Ito in Japan herausgegeben, 1980 (»Ich umarme Sie in großer Sehnsucht«) in Berlin und Bonn. 1985 erschien »Meine liebste Mathilde« von Heinz Knobloch in Ost-Berlin. Ottokar Luban veröffentlichte 1993 in der IWK eine biographische Skizze über Mathilde Jacob.

Information

Mehr Hinweise zu den beiden Lexika finden Sie unter Wer war wer in der DDR? und unter Handbuch der Deutschen Kommunisten