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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Krupski, Janusz

* 1951 ✝ 2010




Janusz Krupski wurde 1951 in Lublin geboren. 1970–75 studierte er an der Katholischen Universität Lublin Geschichte. Er und seine Studienfreunde Bogdan Borusewicz und Piotr Jegliński waren entschlossen, radikale Schritte zu unternehmen, um die Unabhängigkeit Polens zu erreichen. Sie hielten es für möglich, in der Tradition des antikommunistischen Untergrundes den bewaffneten Kampf aufzunehmen. Krupski versuchte sogar, sich in der paramilitärischen staatlichen Liga zur Landesverteidigung (Liga Obrony Kraju) anzumelden, um schießen zu lernen.

1973 widersetzte sich Krupski als Vorsitzender des Wissenschaftskreises der Geschichtsstudenten seiner Universität auf einer Studentenversammlung dem Plan der Behörden, alle Jugendorganisationen zu vereinigen und an der Katholischen Universität Lublin den staatlichen Sozialistischen Polnischen Studentenverband (Socjalistyczny Związek Studentów Polskich; SZSP) als einzige Vertretung aller Studenten zuzulassen. Offen kritisierte er dort das politische System Volkspolens und seiner Verbündeten. Nachdem der SZSP gegründet worden war, trafen sich Krupski, Bogdan Borusewicz und andere Studenten mit dem polnischen Primas Kardinal Stefan Wyszyński, der Kanzler der Katholischen Universität war. Wyszyński verbot, nachdem er sich ihre Argumente angehört hatte, die Tätigkeit des Sozialistischen Studentenverbandes an seiner Hochschule.

1974–76 war Krupski Vorsitzender des „Verständigungskomitees der akademischen Gesellschaften der Katholischen Universität Lublin“, wie sich die unabhängige Studentenselbstverwaltung nannte, und nahm an zahlreichen Treffen mit Studenten anderer Universitäten am Rande von wissenschaftlichen Tagungen und Workshops teil. Zusammen mit seinen Kommilitonen führte er dort manches Redegefecht, vor allem mit den die Theorie und Praxis des volkspolnischen Kommunismus verteidigenden Studenten der Politischen Militärakademie.

1974 hing er gemeinsam mit Kommilitonen am Jahrestag der Arbeiterproteste vom *Dezember 1970 öffentlich Traueranzeigen aus und organisierte einen Gottesdienst für die polnischen Offiziere, die 1940 in Katyń von der sowjetischen Geheimpolizei ermordet worden waren. Ende 1975 besuchte Krupski als Beobachter den Prozess gegen den Lubliner Studenten Stanisław Kruszyński, der angeklagt war, sich in Privatbriefen an seine Familie kritisch über das politische System Volkspolens geäußert zu haben und der dafür zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Im Frühjahr 1976 beteiligte sich Krupski an der Sammlung von Unterschriften zu Kruszyńskis Verteidigung.

Im Juni 1976 gingen Krupski und einige Kommilitonen (Janusz Bazydło, Janusz Krzemiński und andere) zur „Versammlung der Jugend und Studenten Europas“, die in Warschau tagte. Dort gaben sie sich als Vertreter eines „Komitees der Polnischen Jugend zur Überwachung der Einhaltung der Beschlüsse der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ aus und übergaben einen offenen Brief, der anhand zahlreicher Beispiele Menschenrechtsverletzungen in Polen auflistete.

Die geistlichen und intellektuellen Autoritäten waren für die unabhängigen Lubliner Studentenkreise Dominikanerpater Ludwik Wiśniewski, der die akademische Seelsorge leitete und Vorlesungen und Seminare an Universität hielt, die Historiker Władysław Bartoszewski und Zdzisław Szpakowski sowie der Pädagoge Adam Stanowski. Władysław Bartoszewski erinnerte sich später wie folgt an jene Zeit: „Für mich [...] bleibt eine wertvolle Erinnerung, dass sich unter meinen Schülern [...] Bogdan Borusewicz, Janusz Krupski, Jan Stepek, Piotr Jegliński und viele andere befanden, denen ich – wie sie mir bestätigten – erstmals vom polnischen Untergrundstaat und den damit verbundenen polnischen Traditionen erzählte, die bis heute weiter gelten.“ Es waren die Schilderungen von der funktionierenden Untergrundpresse in der Zeit der Okkupation im Zweiten Weltkrieg, die Krupski und seine Kommilitonen davon überzeugten, selbst eine eigene Verlagstätigkeit im Untergrund aufzubauen.

Die Lubliner Studenten entwickelten einen eigenen Stil, der von der Betonung der katholischen Soziallehre ebenso geprägt war wie von der Distanz zum rechtsnationalen Katholizismus und zu einem Personalismus, wie ihn die katholische Monatszeitschrift „Więź“ (Bindung) vertrat. Krupski trat erst 1976 dem Warschauer *Klub der Katholischen Intelligenz (Klub Inteligencji Katolickiej; KIK) bei, um die Gruppe um Tadeusz Mazowiecki zu unterstützen, die sich immer entschiedener der Politik der Machthaber entgegenstellte. Bis dahin interessierten sich Krupski und wahrscheinlich auch der Rest der Lubliner Gruppe noch für die Befreiungstheologie, was sie kurzzeitig Antoni Macierewicz näherbrachte, der zu dieser Zeit ähnliche Überzeugungen vertrat.

Zum Jahreswechsel 1976/77 sammelte Krupski Unterschriften für eine Petition, die die Einrichtung einer parlamentarischen Kommission zur Untersuchung der Übergriffe im *Juni 1976 in Radom und Ursus forderte.

Bereits im Sommer 1974 plante Krupski gemeinsam mit Piotr Jegliński eine Reise in den Westen, um dort einen Vervielfältigungsapparat für die Untergrund-Verlagsarbeit zu besorgen. Er erhielt jedoch keinen Pass, woraufhin Piotr Jegliński allein fuhr. Anfang 1976 erhielt Krupski Witold Wójtowicz, einem Schauspieler des Universitätstheaters Lublin, ein Spiritus-Abzugsgerät. Dieses war eines der ersten, das sich in den Händen der Opposition befand.

Krupski schickte über Piotr Jegliński mikroverfilmte Informationsmaterialien über die polnische Opposition an das Pariser Exil und an *Radio Freies Europa und fuhr mit dem gleichen Ansinnen 1977 mehrmals nach Dresden, von wo aus die Möglichkeit bestand, Bücher und Samisdat-Publikationen in den Westen schmuggeln zu lassen. Im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten wurde ein Prozess von der Obersten Militärstaatsanwaltschaft gegen Krupski wegen vermeintlicher Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten vorbereitet, der erst 20 Jahre später eingestellt werden sollte.

Dank der Vermittlung von Antoni Macierewicz konnten die ersten „Kommuniqués“ (Komunikaty) des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników; *KOR) und die ersten beiden Ausgaben der unabhängigen Literaturzeitschrift *„Zapis“ (Aufzeichnung) vervielfältigt werden. Zusammen mit Witold Wójtowicz erfand Krupski den Namen ihrer neuen Unternehmung: „Unzensierte Verlagsanstalt“ (Nieocenzurowana Oficyna Wydawnicza). Kurz darauf schlug Mirosław Chojecki vor, die Untergrundverlage in Warschau und Lublin zusammenzulegen und den Namen in Unabhängiges Verlagshaus *NOWA (Niezależna Oficyna Wydawnicza NOWA) zu ändern.

Im Herbst 1977 begann Krupski, gemeinsam mit anderen die Zeitschrift „Spotkania“ (Begegnungen) als „unabhängige Zeitschrift junger Katholiken“ herauszugeben. Außer ihm gehörten zu den Verantwortlichen Zdzisław Bradel, Wojciech Oracz, Józef Ruszar und Stefan Szaciłowski, die von verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen in Lublin, Krakau und Warschau kamen. Mit der Zeitschrift verbunden war auch Janusz Basydło. Jan Chomicki, Jegliński und Tadeusz Konopka arbeiteten mit. Krupski formulierte in dem mit einem Pseudonym unterschriebenen Einführungsartikel die politischen Ziele von „Spotkania“ wie folgt: „Unser Hauptziel, ein unabhängiges und demokratisches Polen, erfordert internationale Zusammenarbeit. Ein freies Polen in einer freien Welt! Ohne die Unabhängigkeit der Völker der Sowjetunion werden wir unsere eigene Freiheit, weder erringen noch behalten können.“ Außerdem sei es notwendig, so Krupski weiter, ungerechte Gesellschaftsstrukturen umzubauen und die Individualität der Menschen zu stärken. (O co chodzi?/Worum geht es?, „Spotkania“ Nr. 1/1977)

In der mit einer Auflage von 300–400 Exemplaren hergestellten, kostenlos verteilten Zeitschrift, die anfangs einen Umfang von einigen Dutzend (in den achtziger Jahren dann einige Hundert) Seiten hatte, schrieben unter anderen folgende Autoren Artikel und Beiträge: die Priester Franciszek Blachnicki, Adam Boniecki, Henryk Gulbinowicz, Stanisław Małkowski, Tadeusz Styczeń, Józef Tischner, Ignacy Tokarczuk, Karol Wojtyła und Stefan Wyszyński, bekannte Intellektuelle wie Władysław Bartoszewski, Stefan Kisielewski, Leszek Kołakowski, Stanisław Krajewski, Henryk Krzeczkowski, Jan Józef Lipski, Leszek Nowak, Adam Stanowski und Jacek Woźniakowski, aber auch Jüngere wie Janusz Bazydło, Wojciech Chudy und Jan Andrzej Stepek. Die „Spotkania“ zeichnete sich dadurch aus, dass sie zum ökumenischen Dialog mit anderen Konfessionen sowie mit Atheisten offen war. Thematisiert wurden Menschenrechtsfragen, die Rolle von Familie und Schule in der Erziehung und Behindertenrechte. Man druckte Erklärungen der katholischen Kirche, Dokumentationen des Pontifikats Johannes Pauls II. und Informationen über das katholische Leben in Polen, Litauen, der Ukraine und der Tschechoslowakei, deren Veröffentlichung andernorts von der Zensur verhindert wurde. Dazu gehörte beispielsweise 1980 die päpstliche Enzyklika „Redemptor hominis“ in tschechischer Sprache. Während des *Kriegsrechts propagierte die Zeitschrift unter anderem Gewaltlosigkeit, den Rückzug ins Private und die Kritik am Marxismus.

Ende 1978 stellte Krupski die Zeitschrift im größten unabhängigen Kultursalon von Anna und Tadeusz Walendowski in Warschau vor. Er war der einzige, der von der ersten bis zur letzten Ausgabe von „Spotkania“ (Nr. 35 im Herbst 1988) in der Redaktion geblieben war. Oftmals half er auch beim Druck und der Verteilung der Zeitschrift mit, als Redaktionsadresse war seine private Adresse zu Hause angegeben. Krupski wirkte bei der Gründung des Verlages „Editions Spotkania“ in Paris mit, der nicht nur ab Anfang 1978 „Spotkania“ in einer Ausgabe für das Exil herausbrachte, sondern auch eine eigene Buchreihe, in der unter anderem folgende Texte erschienen: „Erinnerungen aus Kasachstan“ (Wspomnienia z Kazachstanu) von Władyslaw Bukowiński, „Betrachtungen über Moral und die Ursachen gesellschaftlicher Unterdrückung“ von Simone Weil, „Polnische Art des Dialoges“ (Polski kształt dialogu) von Józef Tischner, „Starobilsker Erinnerungen“ (Wspomnienia starobielskie) von Józef Czapski sowie das „Kultbuch“ der demokratischen Opposition in Polen: „Die Abstammung der Hochmütigen“ (Rodowody niepokornych) von Bohdan Cywiński. Krupski wirkte außerdem am Disskussionsklub „Spotkania“ mit, der in Lublin in der Wohnung von Bożena Wronikowska stattfand.

Krupski war Mitunterzeichner des am 23. August 1979 veröffentlichten Appells für freie Wahlen in Polen des Verständigungskomitees für nationale Selbstbestimmung (Komitet Porozumienia na rzecz Samostanowienia Narodu). Während der 70er Jahre wurde er mehrmals von Miliz und Staatssicherheit verhaftet und verhört.

Von Herbst 1980 bis Dezember 1981 war Krupski Koordinator der Historischen Sektion beim Überbetrieblichen Gründungskomitee (Międzyzakłodowy Komitet Założycielski), später bei der Danziger Regionalleitung *Solidarność. Ein Ergebnis seiner dokumentarischen Arbeit war der 1987 in Paris erschienene Sammelband „Dezember 1970. Chronik. Dokumente. Berichte“ (Grudzień 1970. Kronika. Dokumenty. Relacje).

Direkt nach der Ausrufung des *Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 entkam Krupski der Internierung und hielt sich versteckt. Am 22. Oktober 1982 wurde er verhaftet und bis zum 8. Dezember in Lublin interniert. Er lehnte den Vorschlag der Staatssicherheit ab, „Spotkania“ offiziell herauszugeben.

Im Januar 1983 wurde Krupski in Warschau auf der Straße von der Staatssicherheit entführt, in die Puszcza Kampinoska, ein Waldgebiet nordwestlich von Warschau, verschleppt und dort mit einer phenolhaltigen Flüssigkeit übergossen, woraufhin er schwere Verätzungen erlitt. Ein nach dem politischen Umbruch 1994 durchgeführter Prozess führte zur Bestrafung der unmittelbaren Täter.

1990–92 war Krupski Direktor des Verlages „Editions Spotkania“ und 1991–93 Redaktionsmitglied der Wochenzeitschrift „Spotkania“. Er war 1992–95 als Experte in der außerordentlichen Parlamentarierkommission zur Untersuchung des *Kriegsrechts und 1995–97 in der Parlamentarierkommission für die Anwendung des Verfassungsrechts (Komisja Odpowiedzialności Konstytucyjnej; KOK).

1993–2000 leitete Krupski den Verlag „Krupski und S-ka“, 2000–06 war er stellvertretender Präsident des Institut für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej; *IPN) und anschließend Leiter der Behörde für Kriegsveteranen und Opfer von Repressionen (Urząd do spraw Kombatantów i Osób Represjonowanych).

Janusz Krupski starb 2010 beim Absturz eines polnischen Regierungsflugzeuges in der Nähe der westrussischen Stadt Smolensk.


Agata Kunicka-Goldfinger, Marek Kunicki-Goldfinger
Aus dem Polnischen von Markus Pieper
Letzte Aktualisierung: 11/15

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.