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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Lindau, Rudolf

* 28.3.1888 ✝ 18.10.1977

Geb. in Riddagshausen (Krs. Braunschweig) in einer Arbeiterfamilie; Transportarb.; 1906 – 19 SPD; 1916 Teiln. der Reichskonferenz der Spartakusgr.; 1919 – 46 KPD; seit 1920 ltd. KPD-Funktionär; 1923 Mitarb. der Zentr. der KPD; nach 1925 Mitarb. der Abt. Agit. u. Prop.; ab 1926 Pol.-Ltr. des KPD-Bez. Wasserkante; 1921 – 24 u. 1927/28 Abg. der Hamburger Bürgerschaft; 1927 – 33 Chefred. versch. KPD-Ztg.; während der Weimarer Rep. publizist. Tätigkeit zur Geschichte der dt. Arbeiterbew., Mitautor der »Illustrierten Geschichte der Dt. Rev.« (1929); 1933/34 Teiln. am illeg. Widerstandskampf in Sachsen (»Rudolf Grätz«); 1934 – 45 Emigr. in die UdSSR; dort tätig als Lehrer an Partei- u. Antifa-Schulen, Autor von Artikeln u. Abhandlungen zur Geschichte der KPD, Mitarb. im NKFD.

1945/46 Mitarb. im ZK der KPD; 1946 SED; 1946 – 50 erster Dir. der PHS; im Okt. 1950 auf Beschluß der SED-Führung abgelöst; von 1950 bis zu seinem Tod wiss. Mitarb. am IML; 1958 KMO; 1963 u. 1973 VVO; Verleihung des Doktor- u. des Prof.-Titels; gest. in Berlin.

Publ. zur Geschichte der Arbeiterbew., u. a. Veröff. einer Biogr. Ernst Thälmanns (1956); als Zeitzeuge beriet R. L. Historiker u. Politiker der SED zu Fragen der Geschichte der Arbeiterbew., wobei es insbes. mit Walter Ulbricht wiederholt zu Auseinandersetzungen über die Person Ernst Thälmanns u. die Novemberrev. kam.

Schröder, J.: R. L. (1888 – 1977). In: Jahrbuch für histor. Kommunismusforschung. Berlin 1997.

Ilko-Sascha Kowalczuk

Handbuch Deutsche Kommunisten

Lindau, Rudolf

* 28.3.1888 ✝ 18.10.1977

Geboren am 28. März 1888 in Riddagshausen/ Braunschweig, Sohn eines Sattlers; zunächst Arbeiter in einer Bäckerei in Braunschweig, dann Gießereiarbeiter. 1907 siedelte er nach Hamburg über, Transportarbeiter. 1904 trat er der Gewerkschaft bei, 1907 der SPD. 1910/11 arbeitete Lindau als Privatsekretär von Heinrich Laufenberg, der dem historisch Interessierten in seiner »Geschichte der Hamburger Arbeiterbewegung« für die geleistete Hilfe dankte. Im Juli 1911 begann Lindau hauptamtlich als Jungredakteur am »Hamburger Echo«. Mit Kriegsausbruch im August 1914 opponierte er gegen die Politik des PV und zählte in Hamburg zur Richtung der Bremer Linksradikalen. Er leitete die illegale Jugendarbeit der Linksradikalen und war Vertreter Hamburgs auf der I. Reichskonferenz der Spartakusgruppe am 1. Januar 1916. Von September 1916 bis November 1918 Armierungssoldat. Dann von Februar 1919 bis Sommer 1919 Chefredakteur der »Kommunistischen Arbeiterzeitung« in Hamburg, anschließend bis zur Abspaltung von der Richtung um Laufenberg und Fritz Wolffheim im März 1920 Sekretär der Hamburger KPD-Organisation. Lindau gehörte zu den wenigen Hamburger Funktionären, die auch nach der Abspaltung der KAPD bei der KPD verblieben und war für sie bis Dezember 1920 Wanderredner. 1921 Sekretär des VKPD-Bezirks Wasserkante und bis Mai 1923 Redakteur der »Hamburger Volkszeitung«. Er kam 1921 (bis 1924) als Abgeordneter in die Hamburger Bürgerschaft. Auf dem VIII. Parteitag 1923 wurde Lindau, der auf dem linken Flügel der Partei stand, aber kein fanatischer Anhänger von Fischer-Maslow-Thälmann war, in die Zentrale der Partei gewählt. Dort erhielt er, da er von der Brandler-Führung und auch von der linken Opposition unterstützt wurde, die meisten Stimmen. Ab Mai 1923 war er Mitglied des Orgbüros der KPD in Berlin und Redakteur der Zeitschrift »Parteiarbeiter« sowie Herausgeber der »Kommunistischen Parteikorrespondenz«.

Nachdem er zur Mittelgruppe übergeschwenkt war, blieb er bis Mai 1924 Polleiter des Bezirks Nordwest (Bremen). Im Mai 1924 mußte Wilhelm Deisen, der als Reichtagsabgeordneter gewählt worden war, zurücktreten, und Lindau erhielt dessen Mandat. Doch noch vor dem Zusammentritt des Reichstags wurde Lindau im Mai 1924 als Mitglied der Zentrale von 1923 verhaftet und verbrachte fast zwei Jahre in Untersuchungshaft. Im Dezember 1924 kein Reichstagsabgeordneter mehr, saß er länger im Gefängnis als alle anderen damals festgenommenen Führer der KPD. Da der vorgesehene Prozeß gegen die KPD-Zentrale von 1923 nie eröffnet wurde, kam er Ende 1925 wieder frei. Ab März 1926 Polleiter des Bezirks Wasserkante, trat energisch gegen Korruption und Mißwirtschaft auf, die schon seinerzeit Ernst Thälmanns Freunde in diesem Bezirk betrieben. Deshalb wurde er im Februar 1927 abgesetzt und John Wittorf zum Nachfolger ernannt. Lindau war 1927/28 nochmals Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft. Zunächst in der Agitpropabteilung des ZK, zeitweise auch Chefredakteur der »Bergischen Arbeiterstimme« in Remscheid. 1929/30 Mitarbeiter an der »Illustrierten Geschichte der deutschen Revolution«, im August 1930 Chefredakteur des »Kämpfers« in Chemnitz, im Dezember 1931 des »Illustrierten Volksechos« für Sachsen in Leipzig. Anfang 1933 Sekretär der BL Sachsen, hielt Lindau sich bis Januar 1934 in Ostsachsen auf. Ende Februar 1934 emigrierte er in die âSR, von dort in die Sowjetunion, wo er anfangs Lehrer an der Leninschule und später an Antifa-Schulen war. Sein Sohn Rudolf Lindau (*18.5. 1911) wurde am 10. Januar 1934 in Hamburg hingerichtet. Das Gericht beschuldigte ihn, als Funktionär des KJVD am »Altonaer Blutsonntag« im Juli 1932 SA-Leute erschossen zu haben. Lindau lehrte in der Sowjetunion und arbeitete im Nationalkomitee Freies Deutschland mit.

1945 zurückgekehrt, bis Oktober 1947 Hauptreferent in der Abteilung Parteischulung des ZK der KPD bzw. ab April 1946 des ZS der SED. Da er seine bedeutenden Funktionen schon Ende der zwanziger Jahre schrittweise verloren hatte, rückte er auch in der SED nicht mehr in den Vordergrund. Im Oktober 1947 wurde der wortkarge Altrevolutionär Direktor der Parteihochschule »Karl Marx«. Dort im Oktober 1950 abgelöst, Mitarbeiter am IML. Ein ZK-Beschluß beauftragte Lindau mit der Erarbeitung einer Thälmann-Biographie, die er nie fertigstellte. Zur Geschichte des Kommunismus publizierte er einige Broschüren (»Probleme der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung«, Berlin 1947 und »Revolutionäre Kämpfe 1918/19«, Berlin 1960). Die letztere Arbeit wurde von Walter Ulbricht und dessen Anhängern angegriffen und Lindau als »Dogmatiker« verdammt. Er hatte – im Gegensatz zu den damaligen SED-Thesen – die Novemberrevolution 1918 in Deutschland noch immer als sozialistische und nicht als bürgerliche Revolution bezeichnete. Der starrköpfige Lindau hat allerdings (als einziger der angegriffenen Historiker) jede »Selbstkritik« verweigert. Dennoch bekam er von der SED zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1958 den Karl-Marx-Orden. Rudolf Lindau starb am 18.Oktober 1977 in Ost-Berlin.

Ilko-Sascha Kowalczuk

Information

Mehr Hinweise zu den beiden Lexika finden Sie unter Wer war wer in der DDR? und unter Handbuch der Deutschen Kommunisten