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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Marvanová, Hana

* 1962




Hana Marvanová wurde 1962 im mährischen Rýmařov geboren. Ihr Vater war Versicherungsvertreter, die Mutter Lehrerin. Sie studierte 1981–86 Jura an der Karls-Universität in Prag und arbeitete anschließend für kurze Zeit am Institut für Informationssysteme der Kultur. 1987–90 war sie als Juristin bei einem Unternehmen der städtischen Wohnungswirtschaft in Prag tätig.

Bereits während ihres Studiums hatte sie Kontakt zu Personen der alternativen Kulturszene. Unter dem Einfluss František Stáreks, den sie 1986 während des Prozesses gegen Heřman Chromý kennengelernt hatte und der einer der führenden Figuren der Underground-Szene war, besuchte sie Privatseminare der verfolgten Philosophen Milan Machovec und Egon Bondy. Sie beteiligte sich ebenfalls an der Redaktionsarbeit und am Druck der Samisdatzeitschriften *„Vokno“ (Fenster) und „Voknoviny“ (in etwa „Fenster-Nachrichten“). 1983 lernte sie den Veranstalter der inoffiziellen John-Lennon-Gedenklesungen Tomáš Dvořák kennen. Diese Veranstaltungen fanden regelmäßig am 8. Dezember zum Jahrestag von Lennons Tod vor einem seiner Mauerporträts auf der Prager Moldauinsel Kampa statt. Dort wurden antimilitaristische Parolen gerufen und spontan verfasste Petitionen unter anderem zum Verbot der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen unterschrieben.

Im April 1988 wurde Marvanová gemeinsam mit Tomáš Dvořák Mitglied der *Unabhängigen Friedensbewegung – Initiative zur Demilitarisierung der Gesellschaft (Nezávislé mírové sdružení – Iniciativa za demilitarizaci společnosti; NMS-IDS). Sie engagierte sich, indem sie an der Entstehung aller möglichen Schriften und Texte im Umfeld der Bewegung mitwirkte, Demonstrationen und Diskussionsveranstaltungen organisierte, Kontakte ins Ausland aufbaute und bei der Herausgabe der Samisdatzeitschrift „Bulletin NMS-IDS“ mithalf. Am 21. August 1988 organisierte sie gemeinsam mit Tomáš Dvořák und Luboš Vydra die erste große Demonstration gegen das kommunistische Regime, woraufhin sie am 28. Oktober 1988 verhaftet und wegen „Rowdytums“ verurteilt wurde. Später wurde das Gerichtsurteil in „Teilnahme an einer Aufwiegelung“ abgeändert und Marvanová am 17. März 1989 zu zehn Monaten Haft verurteilt, wogegen sie erfolglos Widerspruch einlegte. Am 3. Mai 1989 kam sie frei. Der Plan, sie auch aus ihrer Arbeit zu drängen, wurde durch die *Samtene Revolution verhindert. Aus Solidarität mit der Verhafteten gründete sich am 1. Dezember 1988 das Prager Komitee zur Verteidigung Hana Marvanovás mit Luboš Vydra, Tomáš Dvořák und Tomáš Tvaroch.

Während der *Samtenen Revolution nahm sie am 17. November 1989 an Demonstrationen in Prag in der Albertovstraße und im Zentrum teil und war im *Bürgerforum (Občanské fórum; OF) aktiv. Auch nach dem Sieg der *Samtenen Revolution hörte sie nicht auf, sich für die politischen Fragen einzusetzen, mit denen sie sich schon in ihrer Zeit in der *Unabhängigen Friedensbewegung – Initiative zur Demilitarisierung der Gesellschaft beschäftigt hatte, und engagierte sich fortan im Gesetzgebungsprozess zum Zivildienst und zur Kürzung der Wehrpflicht.

Im Juli 1990 kam sie als Abgeordnete des *Bürgerforums durch Kooptation in das tschechoslowakische Parlament (Föderalversammlung). Ihr Abgeordnetenmandat konnte sie in den folgenden Parlamentswahlen (1990, 1992 und 1996) verteidigen. Nach der Teilung der Tschechoslowakei 1993 war sie Mitglied des Abgeordnetenhauses, dem tschechischen Parlament, von 1991-1998 als Mitglied der Demokratischen Bürgerpartei (Občanská demokratická strana; ODS). Im Februar 1998 war sie an der Gründung der Freiheitsunion – Demokratische Union (Unie svobody – Demokratická unie; US-DEU) beteiligt und 2001–02 Parteivorsitzende. Sie trat aus Protest gegen die Koalition mit den Sozialdemokraten zurück. Im September 2003 gab sie ihr Abgeordnetenmandat auf, arbeitete fortan als Anwältin und engagierte sich gesellschaftlich gegen Korruption.


Petr Pospíchal
Aus dem Polnischen von Jonas Grygier
Letzte Aktualisierung: 05/15

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.