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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Handbuch Deutsche Kommunisten

Maslow, Arkadi

* 9.3.1891 ✝ 20.11.1941

Der am 9. März 1891 in Jelisawetgrad/Südrußland geborene Isaak Jefimowitsch Tschemerinsky entstammte einer begüterten jüdischen Kaufmannsfamilie. Die Mutter Ljuba kam aus einem wohlhabenden Kaufmannshaus, sie ließ sich um die Jahrhundertwende scheiden und übersiedelte mit den Kindern nach Deutschland. Der Sohn wurde 1899 nach Dresden in die Kreuzschule geschickt und machte das Abitur. Danach besuchte er das Konservatorium, legte die Prüfungen als Pianist ab und ging auf Konzertreisen. 1912 begann er mit dem Studium der Naturwissenschaften (u. a. bei Albert Einstein und Max Planck) in Berlin. Bald zeigten sich seine glänzenden Fähigkeiten auf dem Gebiet der Physik. Zur Arbeiterbewegung hatte er vor dem Weltkrieg keine Beziehungen. Während des Krieges als russischer Staatsangehöriger zunächst Zivilgefangener, meldete er sich freiwillig für die Arbeit unter den russischen Kriegsgefangenen und kam als Dolmetscher in eine Sondereinheit der deutschen Armee. Im Krieg wie so viele radikalisiert, soll er im Dezember 1918 dem Spartakusbund beigetreten sein. Dann setzte er seine Studien an der Berliner Universität fort. 1919 lernte er in Berlin Ruth Fischer und Paul Levi kennen, die ihn endgültig für den Kommunismus gewinnen konnten.

In Berlin für die KPD aktiv, nahm er den Namen Arkadi Maslow an und ließ diese Namensänderung später legalisieren. Auf dem V. Parteitag der KPD (November 1920) als Vertreter der »russischen Sektion« (Kriegsgefangene) in den ZA der Partei gewählt. Ab 1921 leitete Maslow gemeinsam mit Ruth Fischer die starke Berliner Parteiorganisation und die linke Opposition in Deutschland. Der musisch, theoretisch und politisch gleichermaßen begabte Maslow wurde zum Theoretiker des linken Flügels der KPD, Mitarbeiter am theoretischen Organ der KPD »Die Internationale« und 1921 Redakteur für außenpolitische Fragen bei der »Roten Fahne«. Auf dem VII. Jenaer Parteitag 1921 für die Berliner Organisation erneut in den ZA gewählt, wuchs seine Bedeutung in der KPD. Seine Position festigte sich, da er sehr rasch arbeitete und als Russe die Diskussionen in der Sowjetrepublik anhand der Quellen direkt verfolgen konnte. Aber gerade die russischen Kommunisten übten bald Kritik an Maslow. Im Februar 1922 in Berlin verhaftet, machte er bei der Polizei falsche Angaben, er behauptete als russischer Agent und Vertrauensmann Trotzkis und Radeks nach Deutschland gekommen zu sein. Er hoffte bei der damaligen guten Verbindung zwischen Deutschland und Rußland damit eher freizukommen. Später wurde er wegen dieser Lüge vor ein Parteischiedsgericht gestellt. Ein Berliner Gericht verurteilte ihn 1922 zudem wegen Besitzes eines falschen Passes (auf den Namen Maslow) zu acht Monaten Gefängnis. Als er 1923 aus Deutschland ausgewiesen werden sollte, tauchte er in der Illegalität unter. 1923 verschärften sich die Gegensätze zwischen der linken Opposition und der KPD-Führung unter Heinrich Brandler.

Auf dem VIII. Leipziger Parteitag trat Maslow gemeinsam mit Ruth Fischer als Wortführer für die linke Opposition auf und wurde wieder in den ZA sowie in die Redaktionskommission gewählt. Im September 1923 kam er nach Moskau, er sollte dort an der Diskussion über die Vorbereitung des deutschen Oktoberaufstandes teilnehmen, wurde statt dessen von der Komintern vor die Internationale Kontrollkommission gestellt. Schon lange kursierten in der KPD und der Komintern Gerüchte, nach denen Maslow als Polizeiagent verdächtigt und ihm seine Haltung vor der deutschen Polizei im Jahre 1922 besonders angelastet wurde. Nach langen Debatten rehabilitierte ihn zwar eine Kommission unter Vorsitz Stalins, aber er wurde dennoch in Moskau festgehalten. Erst nachdem im Januar 1924 eine Konferenz in Moskau die Ablösung der Brandler-Führung beschlossen hatte, durfte Maslow nach Deutschland zurück.

Hier stand er zusammen mit Ruth Fischer an der Spitze der Linken, die im April 1924 die Führung übernahmen. In die Zentrale und ins Polbüro gewählt, galt er nun als Kopf der Partei. Aber schon am 20. Mai 1924 wurde Maslow bei der Fahndung nach einem Handtaschendieb im Berliner Lunapark zufällig zur Sistierung festgenommen und nach Ermittlung seiner wahren Identität festgehalten. Vom Gefängnis aus leitete er weiterhin die politische Arbeit der KPD. In der Diskussion gegen Trotzki schrieb er ein umfangreiches Werk: »Die zwei Revolutionen des Jahres 1917«, das von der KPD mit großem Propagandaaufwand verbreitet wurde. Auch der X. Parteitag im Juli 1925 wählte Maslow ins ZK und ins Polbüro. Er wurde Ehrenvorsitzender der marxistisch-leninistischen Zirkel und auch mit vielen anderen Ehrungen bedacht. Am 1. September 1925 begann der Prozeß gegen Maslow, Anton Grylewicz, Paul Schlecht und Wilhelm Schumacher. Am gleichen Tage druckte die »Rote Fahne« den »Offenen Brief« der Komintern, in dem Maslow und Ruth Fischer heftig kritisiert wurden. Während des Maslow-Prozesses herrschte in der KPD-Presse ein heilloses Durcheinander; einerseits wurde Maslows Freilassung gefordert und seine Verdienste herausgestellt, andererseits mußte er aufgrund des »Offenen Briefes« verdammt werden. Das Gericht verurteilte Maslow schließlich zu vier Jahren Gefängnis. Als die Komintern die alten Gerüchte wiederholte, verteidigte Ruth Fischer, die seit Jahren mit Maslow nicht nur politisch, sondern auch persönlich eng liiert war, in Moskau ihre und Maslows Haltung und Person. Im Juli 1926 wurde er wegen seines schlechten Gesundheitszustandes aus dem Gefängnis beurlaubt und die vom Gericht ausgesprochene Ausweisung aufgeschoben.

Am 20. August 1926 schloß die KPD Maslow und Ruth Fischer aus ihren Reihen aus. Schon am 4. August hatte die KPD-Presse die bekannten Vorwürfe aufgewärmt und geschrieben: »Maslow – ein Agent in den Händen der deutschen Bourgeoisie?« Während des Prozesses gab es kaum Kritik an Maslows Verteidigung, doch nun wurde er beschuldigt, sich vor Gericht »unproletarisch« verhalten zu haben. Die sowjetische Nachrichtenagentur TASS meldete sogar aus Berlin (aus angeblich zuverlässigen Quellen), Maslow habe die Behörden ersucht, ihn nicht aus Deutschland auszuweisen, ein weiterer Aufenthalt in Deutschland sei »zugebilligt« worden. »Die Einwendungen gewisser Kreise gegen die Genehmigung des Maslowschen Gesuches wurden durch die Erwägung einflußreicher Beamter im Justizministerium entkräftet, die darauf hingewiesen haben, daß Maslow zur Bildung von Fraktionen innerhalb der Kommunistischen Partei nützlich sei.« Mit Rufmord wollte die KPD-Führung Maslow gerade an solcher Tätigkeit hindern. Er schloß sich der linken Opposition an und gehörte zu den Mitbegründern des Leninbundes. Gemeinsam mit Ruth Fischer zog er sich schon vor den Wahlen im Mai 1928 – nachdem Sinowjew vor Stalin kapituliert hatte – aus dem Leninbund zurück. Er trat bis 1933 politisch wenig hervor, seinen Lebensunterhalt bestritt er durch Übersetzungen (z. B. Pokrowskis »Geschichte der russischen Revolution«).

1933 floh er zusammen mit Ruth Fischer nach Paris, wo sich beide bis 1940 aufhielten. Sie arbeiteten 1934 eng mit Trotzki zusammen, bis es 1936 zum Bruch kam. 1936 gründeten sie die kleine Gruppe Internationale (Marxisten-Leninisten), die bis Januar 1939 ein gleichnamiges Mitteilungsblatt herausgab, für das Maslow die wichtigsten Artikel schrieb. Während der Stalinschen Moskauer Schauprozesse wurde er erneut als »Agent« diffamiert. 1940 konnte Maslow nach Kuba entkommen, es glückte ihm aber nicht, wie Ruth Fischer, in die USA zu gelangen, da er kein Visum erhielt. Am 20. November 1941 kam Arkadi Maslow in Havanna ums Leben, wurde auf der Straße eines berüchtigten Viertels tot aufgefunden. Obwohl laut ärztlichem Befund einem Herzschlag erlegen, nahm Ruth Fischer an, Maslow sei von Stalins Agenten ermordet worden. Das meinten auch andere. Franz Pfemfert schrieb 1946 an Ruth Fischer: »Daß er in Havanna ermordet wurde – weil der dem Moskauer ?Großen? und seinen Knechten sehr, sehr gefährlich war –, daran habe ich nie eine Sekunde gezweifelt.« Die Biographie Maslows, an der Ruth Fischer arbeitete, hat sie nicht mehr zu Ende führen können. Der von Peter Lübbe 1990 veröffentlichte Briefwechsel (»Abtrünnig wider Willen«) gibt Einblicke in Maslows Leben. Die These von der Ermordung ist nach heutigen Kenntnissen der Stalinschen Praktiken und Verbrechen durchaus wahrscheinlich.

Information

Mehr Hinweise zu den beiden Lexika finden Sie unter Wer war wer in der DDR? und unter Handbuch der Deutschen Kommunisten