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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Nakow, Wolodja

* 1953 ✝ 1985




Wolodja Nakow wurde 1953 in Lom geboren. 1962–66 besuchte er eine französische Schule in Tunesien. 1966 kehrte er nach Bulgarien zurück, bekam jedoch Probleme mit den Schulbehörden, die ihn 1967 für ein Jahr völlig vom Schulbesuch ausschlossen. 1974/75 arbeitete er als Reiseleiter. Durch den ständigen Kontakt mit ausländischen Touristen festigten sich seine oppositionellen Überzeugungen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er außerdem als Arbeiter auf Baustellen und in Fabriken.

Ab 1980 lieferte Nakow regelmäßig Informationen an die Rundfunksender *Radio Freies Europa, Voice of America und Deutsche Welle, wodurch er zunehmend ins Visier der Sicherheitsorgane geriet. Immer häufiger wurde er vorgeladen, verhört und verwarnt. Zu allen wichtigeren kommunistischen Feiertagen und in der Zeit von Staatsbesuchen westlicher Politiker verwiesen die Behörden ihn als „gefährlichen Feind des Sozialismus“ zwangsweise der Stadt.

Nakow wandte sich daraufhin in Appellen an die Staatsmacht und verlangte das Recht zur ständigen Ausreise aus Bulgarien. Über westliche Botschaften schickte er auch Briefe an *Amnesty International und an die UNO. Während des Besuches des bundesdeutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher in Bulgarien gelang es Nakow, diesem ein Schreiben zu übermitteln, in dem er schwere Bürgerrechtsverletzungen und politische Verfolgungen in Bulgarien anprangerte und seine eigene hoffnungslose Situation schilderte. Genscher zeigte diesen Brief dem bulgarischen Außenminister Petar Mladenow und kündigte an, dass es eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Bulgarien nur geben könne, wenn sich das Land strikt an die KSZE-Vereinbarungen halte.

Nur wenige Stunden später wurde Nakow unter dem Vorwand verhaftet, er sei psychisch krank und stelle eine Gefahr für seine Umgebung dar. Es folgte die Zwangseinweisung in die psychiatrische Klinik in der Ortschaft Kurilo. Die dortigen Ärzte ließen sich jedoch von den Sicherheitsorganen nicht unter Druck setzten und weigerten sich, Nakow für psychisch krank zu erklären. Schon bald nach der Entlassung aus der Klinik wurde er jedoch erneut verhaftet, diesmal zusammen mit seiner Familie. Nach Protesten der amerikanischen Botschaft kam er wieder frei.

Im Februar 1984 verurteilte ihn ein Gericht auf Grundlage fingierter Anschuldigungen zu einem Jahr Verbannung in das nordbulgarischen Dorf Kajnardscha. Am 19. August 1984 leistete er anlässlich einer völlig unbegründeten Festnahme Widerstand gegen die Beamten des Staatssicherheitsdienstes, was ihm in einem Schnellprozess eine Anklage wegen „Rowdytums“ einbrachte. Am 28. August 1984 fiel das Urteil über vier Jahre Freiheitsentzug. Zur Begründung hieß es, Nakows Taten zeigten „einen evidenten Mangel an Respekt gegenüber der Gesellschaft, sind durch Zynismus und Unverschämtheit gekennzeichnet und mit Widerstand gegen die Staatsgewalt verbunden“. Erschwerend kämen seine Kontakte zu Botschaften westlicher Staaten hinzu.

Die Strafe verbüßte Nakow im Gefängnis Belene und später unter extremen Haftbedingungen in Pasardschik, wo es in seiner Zelle nicht einmal eine Pritsche gab. Nakow trat in einen fünfmonatigen Hungerstreik. Von der Gefängnisverwaltung wurde er entgegen den geltenden Vorschriften zusammen mit einem schwerkriminellen Wiederholungstäter zusammen in einer Zelle untergebracht, der ihn am 25. September 1985 auf bestialische Weise ermordete. Fünf Stunden lang war Nakow niemand zu Hilfe gekommen. Am nächsten Tag starb Wolodja Nakow auf dem Weg ins Krankenhaus.

Auf seinem Totenschein fand sich die zynische Todesursache: „Tod nach Schlägerei im Suff“. Einige Zeit später wurde der Mörder Nakows auf der Grundlage einer Geheimverfügung von Parteichef Todor Schiwkow rehabilitiert.


Iwan Spassow
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 06/17

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.