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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Handbuch Deutsche Kommunisten

Rühle, Otto

* 23.10.1874 ✝ 24.6.1943

Geboren am 23. Oktober 1874 in Groß-Voigtsberg bei Freiberg/Sachsen, Sohn eines Eisenbahnbeamten. Ab 1889 studierte er am Lehrerseminar in Oschatz. Noch während des Studiums Funktionär der Freidenkerbewegung. Er war 1895/96 Hauslehrer bei einer Gräfin von Bühren bzw. Lehrer in Öderan bei Chemnitz. 1896 trat er in die SPD ein und begründete eine sozialistische Sonntagsschule. Nach der Entlassung als Volksschullehrer ab 1902 Schriftsteller und Redakteur sozialdemokratischer Zeitungen u. a. in Hamburg, dann in Breslau, Chemnitz, Pirna und Zwickau. Rühle war früh gegen überholte Schulmethoden eingetreten und leitete um die Jahrhundertwende die sozialdemokratische Bildungsgesellschaft in Hamburg und Umgebung. 1907 wurde er Wanderlehrer des PV der SPD und dadurch in der Partei bekannt, ebenso durch seine sozialkritischen pädagogischen Schriften (u.a. »Arbeit und Erziehung«, 1904, »Die Aufklärung der Kinder über geschlechtliche Dinge«, 1907), machte sich vor allem aber 1911 mit der Monographie »Das proletarische Kind« weithin einen Namen. 1912 wurde Rühle im Wahlkreis Pirna-Sebnitz als Abgeordneter in den Reichstag gewählt, dem er bis 1918 angehörte.

Er stand auf dem äußersten linken Flügel der SPD. Zusammen mit Karl Liebknecht stimmte er ab März 1915 gegen die Kriegskredite. Aus Solidarität mit Liebknecht trat er 1916 aus der SPD-Fraktion aus, wurde Mitbegründer der Spartakusgruppe und war Teilnehmer der Konferenz am 1. Januar 1916. Als er sich am 12. Januar 1916 in einem Brief an den »Vorwärts« für die Parteispaltung einsetzte, geriet er in Gegensatz zu Rosa Luxemburg. 1917 ging er nicht zur USPD, sondern wurde in Dresden und Pirna Führer der Linksradikalen, später der IKD. Am 9. November 1918 übernahm Rühle den Vorsitz des Revolutionären Arbeiter- und Soldatenrates und war einen Tag später Mitvorsitzender des Vereinigten Revolutionären Arbeiter- und Soldatenrates von Groß-Dresden. Schon am 16.November 1918 legte er mit den anderen IKD-Mitgliedern seine Funktion nieder, da er eine Zusammenarbeit mit SPD und USPD ablehnte. Ende Dezember 1918 sprach sich Rühle als Delegierter der IKD auf dem Gründungsparteitag der KPD scharf gegen die Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung aus, er war einer der Oppositionsführer der neuen Partei. Anfang 1919 noch mit dem Aufbau der KPD in Sachsen beauftragt, trat er im Laufe des Jahres mit Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim an die Spitze der linken Opposition. Auf dem II. Parteitag der KPD im Oktober 1919 in Mannheim mußten Rühle und andere ultralinke Delegierte die Tagung verlassen, weil sie gegen die »Leitsätze über kommunistische Grundsätze und Taktik« gestimmt hatten. Der III. Parteitag im Februar 1920 in Karlsruhe schloß Rühle aus der KPD aus. Er wurde im April 1920 Mitbegründer der KAPD. Noch im Juni 1920 nahm er als Delegierter der KAPD am III. Weltkongreß der Komintern in Moskau teil.

Nach der Rückkehr widersetzte er sich öffentlich nicht nur dem Führungsanspruch Moskaus, sondern war auch gegen jede Zusammenarbeit. Deshalb wurde er im Dezember 1920 aus der KAPD ausgeschlossen. Nun führender Theoretiker eines Rätekommunismus und der »Einheitsorganisation« anstelle von Partei und Gewerkschaft. Zusammen mit Franz Pfemfert wirkte Rühle in der AAU, von der er sich wieder trennte, blieb aber bis 1923 Mitarbeiter der Zeitschrift »Die Aktion«. Als Herausgeber pädagogischer Zeitschriften wie: »Am anderen Ufer«, »Grundfragen der proletarischen Erziehung« war er danach vor allem als Schriftsteller und Kursuslehrer aktiv. Durch seine Frau war er mit der Individualpsychologie Alfred Adlers bekannt geworden und versuchte, deren Kategorien auf Marx anzuwenden. Seine 1927 publizierte Biographie von Karl Marx war stark umstritten, das dreibändige Werk »Die Revolutionen Europas« (1927) und die »Illustrierte Kultur- und Sittengeschichte des Proletariats« (1930) fanden hingegen weitgehende Anerkennung. Ab 1931 bemühte er sich, unter dem Pseudonym Karl Steuermann wieder Einfluß auf die Politik zu nehmen (u. a. »Weltkrise-Weltwende. Kurs auf den Staatskapitalismus«). Nachdem SA-Horden 1933 sein Haus verwüsteten, emigrierte er nach Prag, zusammen mit seiner Frau (seit 1921) Alice Rühle-Gerstel (* 1894 – † 1943), einer bekannten, berühmten Psychologin und Publizistin.

Durch Vermittlung seines Schwiegersohnes Fritz (Frederico) Bach wurde er von der mexikanischen Regierung als Erziehungsberater berufen und übersiedelte 1936 nach Mexiko. Dort mit Leo Trotzki verbunden, war er 1937 Beisitzer im Tribunal, dem Untersuchungsausschuß unter dem amerikanischen Philosophen John Dewey, der die Lügen in Stalins Schauprozeß enthüllen sollte. Deshalb verlor er auf Betreiben der mexikanischen Stalinisten seine Beraterfunktion und lebte als Maler (Carlos Timonero). Otto Rühle starb am 24. Juni 1943 in Mexiko, seine Frau beging noch am gleichen Tag Selbstmord. An den Gräbern von Alice und Otto Rühle sprachen u. a. Franz Pfemfert und Fritz Fränkel.

Otte Rühle, lange in Vergessenheit geraten, wurde dann durch die antiautoritäre Studentenrebellion nach 1968 als Rätekommunist wiederentdeckt und populär, zahlreiche seiner Werke wurden (z. T. als »Raubdrucke«) verbreitet. 1971 erschienen seine Schriften mit vorher unveröffentlichten Texten, etwa »Brauner und Roter Faschismus« von 1939 mit der These, Privatkapitalismus wie Staatskapitalismus (Faschismus und Bolschewismus) seien bankrott.

Information

Mehr Hinweise zu den beiden Lexika finden Sie unter Wer war wer in der DDR? und unter Handbuch der Deutschen Kommunisten