x

In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Rzchiladse, Wiktor

* 1941




Der 1941 geborene Wiktor Rzchiladse entstammt einer angesehenen Intellektuellenfamilie: Sein Großvater, sein Vater (sowjetischer Meister im Kunstturnen) und zwei seiner Onkel sind auf dem Pantheon Didube, einem Ehrenfriedhof für Schriftsteller und verdiente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Norden von Tiflis, begraben.

Rzchiladse studierte Geschichte an der Universität Tiflis und lernte hier Swiad Gamsachurdia kennen. Nach seinem Abschluss 1964 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kulturministerium der Georgischen SSR und leitete später die Inspektion für Denkmalschutz. 1974 gründete er zusammen mit Merab Kostawa und Swiad Gamsachurdia die *Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in Georgien und die *Georgische Helsinki-Gruppe. Er war an der Herausgabe der unabhängigen Zeitschriften *„Okros Sats‘misi“ und *„Sakartvelos Moambe“ beteiligt, wo er eigene Texte publizierte. In *„Okros Sats‘misi“ (Nummer 2/1976) erschien zudem ein anonym von ihm verfasster Nachruf auf den Kommandeur der Georgischen Legion der deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs Schalwa Maglakelidse.

Viele Jahre widmete sich Rzchiladse der Frage der Turk-Mescheten. Im Juli 1976 reiste er nach Kabardino-Balkarien, wo er sich mit der Situation des unter Stalin aus Georgien dorthin deportierten Volkes beschäftigte. Auf einer von ihm organisierten Zusammenkunft ergriff er im Namen der georgischen Intellektuellen das Wort und sammelte Unterschriften für eine Petition, in der gefordert wurde, die Turk-Mescheten erneut als der georgischen Nation zugehörig anzuerkennen und ihnen die Rückkehr in die angestammte Heimat zu ermöglichen. In einem Aufsatz für das Bulletin *„Sakartvelos Moambe“ (Nummer 2/1976) schilderte er die Tragödie der Turk-Mescheten und verfasste einen Beitrag zu diesem Thema für die in Moskau erscheinende *„Chronik der laufenden Ereignisse“ (Nummer 43/1976). Er engagierte sich außerdem für die Rettung der mittelalterlichen Klosteranlage Dawit Garedscha, an der es durch Artillerieübungen zu Zerstörungen gekommen war. Zusammen mit dem Direktor des Klostermuseums Wiktor Bazazaschwili wandte er sich mit einer Petition an den Generalstaatsanwalt der UdSSR, in der die Bestrafung der Verantwortlichen verlangt wurde.

Im März 1977 erhielt Rzchiladse eine Kündigung aus disziplinarischen Gründen. Die *Georgische Helsinki-Gruppe und die *Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in Georgien setzten sich für ihn ein. Am 7. April 1977 wurde er (zusammen mit Swiad Gamsachurdia und Merab Kostawa) festgenommen, kam aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes jedoch kurze Zeit später wieder frei, um am 25. Januar 1978 erneut verhaftet zu werden. Die Anklageerhebung am Obersten Gericht der Georgischen SSR beschuldigte Rzchiladse der Autorschaft der Artikel „Kritika“ (Kritik) und „Informacija“ (Information). Die mit dem Pseudonym Wachtang Inataschwili unterzeichneten Texte richteten sich gegen die Verleumdungskampagne der offiziellen Presse gegen die Dissidenten und lieferten zugleich einen Bericht über die Verhöre der Ehefrauen Gamsachurdias und Kostawas durch den KGB. Der Angeklagte, so der Vorwurf, habe zudem von der Zensur nicht freigegebene Zeitschriften verbreitet und Samisdat-Erzeugnisse bei sich aufbewahrt, darunter Arbeiten von Andrei Amalrik und Alexander Solschenizyn. Rzchiladse bekannte sich schuldig und „zeigte Reue“. Das Gericht verurteilte ihn nach Artikel 71 Paragraf 1 Strafgesetzbuch der Georgischen SSR (entspricht *Artikel 70 Strafgesetzbuch der RSFSR) zu zweieinhalb Jahren Freiheitsentzug und zwei Jahren Verbannung, die er in Kasachstan zubrachte.

Nach seiner Rückkehr arbeitete Rzchiladse als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Museum in Tiflis. 1988 übernahm er den Vorsitz der Gesellschaft Orthodoxer Christen Georgiens, die sich später in Bund Georgischer Christen „Heiliger David der Erbauer“ umbenannte. Gemeinsam mit Merab Kostawa gründete er die Zeitschrift „Dzeli Cheshmariti“ (Baum des Lebens), in der er theologische und auch politisch-publizistische Beiträge veröffentlichte. Über die Niederschlagung der *Kundgebung vor dem Regierungsgebäude vom 4. bis. 9. April 1989 benachrichtigte er telefonisch die Vertreter der georgischen Exilgemeinde in Paris und verfasste gemeinsam mit dem ehemaligen politischen Häftling Awtandil Imnadse einen Bericht über den tragischen Ausgang der Proteste. Während der Regierungszeit von Swiad Gamsachurdia war er in oppositionellen Organisationen aktiv, zum Beispiel als Mitglied des Nationalkongresses Georgiens und des Koordinierungszentrums der Nationalen Befreiungsbewegung Georgiens. Er veröffentlichte philosophisch-theologische Arbeiten und hielt 1991 und 1992 ein Seminar zur Geschichte der Theologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Tiflis. 1992 wurde er Chefredakteur der von ihm gegründeten Zeitschrift „Religia“, in der er viele eigene Aufsätze und Übersetzungen publizierte. Im selben Jahr übernahm er die Leitung des Staatlichen Amtes für Druck- und Buchwesen. Er veröffentlichte zwei Bücher zu historischen und theologischen Themen sowie den Roman „Tbilisi“.



Teimuras Tschanturischwili
Aus dem Polnischen von Gero Lietz
Letzte Aktualisierung: 01/19

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.