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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Wer war wer in der DDR?

Salum, Vello

* 1933 ✝ 2015




Vello Salum wurde im Dorf Elistvere im Bezirk Tartu (Dorpat) geboren. 1952 beendete er die Höhere Schule in Jõgeva und studierte danach bis 1957 an der Estnischen Landwirtschaftsakademie im Fachbereich Melioration. Von 1957 bis 1959 war er als leitender Meliorationsfachmann bei einer Station für Landwirtschaftsmaschinen beschäftigt.

Am 10. Mai 1960 wurde er verhaftet. Man warf ihm vor, in der Stadt Põltsamaa rote Fahnen abgerissen zu haben. Das Bezirksgericht ließ ihn im Juni in die Psychiatrie einweisen, die er im November wieder verlassen konnte.

1963–70 arbeitete er in der Bezirksabteilung für Melioration in Türi und studierte gleichzeitig am Theologischen Institut der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tallinn (Reval). 1970 wurde er zum Pfarrer ordiniert und in den mittelestnischen Gemeinden Ambla und Järva-Madise eingesetzt. In seinen Predigten geißelte er die Verletzung der Menschenrechte und der Rechte der estnischen Nation durch die sowjetischen Behörden. Er appellierte an die Vertreter der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, sich nicht auf die religiöse Mission zu beschränken, sondern nach dem Beispiel der katholischen Geistlichkeit in Litauen aktiv für die Interessen der Nation einzutreten.

In der Pfarrgemeinde Järva hielt er 1980 eine Predigt, in der er seiner Kirche Gleichgültigkeit gegenüber Leben und Schicksal, Bestrebungen und Hoffnungen des Volkes vorwarf. Der Predigttext mit dem Titel „Kirche und Volk“ (Kirik ja rahvus) wurde sowohl im Samisdat als auch in Emigrantenverlagen publiziert. Die Behörden stuften den Text als antisowjetisch ein, woraufhin Vello Salum in Jämejala (Bezirk Viljandi) erneut in die Psychiatrie zwangseingewiesen wurde. Im Mai 1981 wurde er entlassen. Anfang April 1982 erhielt er ein Predigtverbot, das erst im November 1983 aufgehoben wurde, woraufhin er aus Järva-Madise in die Gemeinde Pilistvere versetzt wurde. Vello bemühte sich vergeblich um eine Ausreisegenehmigung aus der Sowjetunion.

In dem Propaganda-Fernsehfilm „Kes on kes“ (Wer ist wer), der Menschenrechtsaktivisten in der Sowjetunion diskreditieren sollte, wurde Salum als Geistlicher vorgeführt, der antisowjetische Ideen verbreite. Am 3. April 1985 fand im Zusammenhang mit der Verhaftung des evangelisch-lutherischen Pastors Harri Möttsnik wegen antisowjetischer Propaganda auch bei Salum eine Hausdurchsuchung statt.

Seit Ende der 80er Jahre setzte sich Vello Salum aktiv für die Unabhängigkeit Estlands ein. Er engagierte sich im Estnischen Denkmalschutzverein und war Mitgründer der Estnischen Nationalen Partei der Unabhängigkeit, deren Gründungsversammlung am 20. August 1988 in seiner Gemeindekirche in Pilistvere stattfand. In den Jahren 1988 bis 1995 war er Mitglied des Parteivorstands, 1993 wurde er ihr stellvertretender Vorsitzender. 1990–92 wurde er in den *Kongress Estlands und das *Estnische Komitee gewählt. In der Verfassunggebenden Versammlung hatte er den Vorsitz der Kommission zur Erarbeitung der Präambel inne (1991–92). Als Vorsitzender des Bezirksrats von Viljandi und Mitglied des Gemeinderats von Kõo war er in der lokalen Selbstverwaltung aktiv. 1999 beteiligte er sich ohne Erfolg an den Parlamentswahlen.

Seit dem Rückzug aus der Politik lebte er in der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Pilistvere. Am 23. Februar 2000 wurde er für seinen Einsatz zur Wiederentstehung Estlands mit dem Orden des Staatswappens III. Klasse ausgezeichnet.

Vello Salum starb am 30. November 2015 im estnischen Viljandi.



Viktor Niitsoo
Aus dem Polnischen von Beata Kosmala
Letzte Aktualisierung: 02/19

Information

Die Sonderzeichen * und # erscheinen lediglich aus technischen Gründen im Text. Auf der Ursprungs-Webseite dissidenten.eu finden sie weiterführende Links sowie die vollständige Version der Biografien mit Glossarerklärungen, Chroniken und ausführlichen Darstellungen der Oppositionsgeschichten aller Länder.