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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Handbuch Deutsche Kommunisten

Schneider, Josef

* 18.3.1882 ✝ 18.11.1939

Geboren am 18. März 1882 in Hontheim in der Eifel, Sohn eines Försters. Er ging auf eine streng katholische Schule und sollte nach dem Willen des Vaters Pfarrer werden, statt dessen fuhr er zur See, war dann 14 Jahre Schiffsjunge, Leicht- und Vollmatrose und Quartiermeister. Nach Besuch der Steuermanns- und Schiffsschule erhielt er das Große Schiffspatent. Von 1901 bis 1904 leistete er Militärdienst, nun begann auch seine politische Entwicklung. Zeitweise hatte sich Schneider den Anarchisten angeschlossen und organisierte auf einem Schlachtschiff eine kleine Meuterei, wofür er 18 Monate Festungshaft erhielt (fünf wegen guter Führung erlassen). 1905 in Hamburg Mitglied der SPD, seine Arbeitskollegen wählten ihn 1909 zum Sekretär des Seemannsverbandes. 1914 zur Kriegsmarine einberufen, diente er auf verschiedenen Schiffen und war am Ende des Krieges Signalmaat in einer Kaserne in Wilhelmshaven. Mit Ausbruch der Revolution stand Josef Schneider, der 1917 der USPD beigetreten war, an der Spitze des Arbeiter- und Soldatenrates in Wilhelmshaven und wurde Mitglied des 21er Rates, der dort als eine Art Präsidium des Arbeiter- und Soldatenrates die Macht ausübte. Einige Zeit gehörte er zur Führung der am 7. November 1918 ausgerufenen Republik Oldenburg-Ostfriesland, deren Präsident der USPD-Funktionär Paul Kuhnt war. Wegen seines Engagements während der nur eintägigen Herrschaft der »Sozialistischen Räte-Republik Wilhelmshaven« wurde Schneider am 1. Februar 1919 verhaftet, nach Berlin gebracht, wo er bis Juni 1919 im Gefängnis saß. Im Auftrag der USPD-Führung ging er im September 1919 als Redakteur an die »Mansfelder Volkszeitung« nach Eisleben und wurde sehr schnell zu einem unter der Arbeiterschaft anerkannten Vertrauensmann.

Während des Kapp-Putsches im März 1920 Mitglied im Aktionsausschuß für den Generalstreik und Leiter des Sicherheits- und Polizeiwesens. Ende 1920 war Schneider für den Anschluß an die III. Internationale und für die Vereinigung mit der KPD zur VKPD. Dank seines Einsatzes kam er im März 1921 an die Spitze des aus VKPD, KAP und Betriebsräten gebildeten Aktionsausschusses, der sich am 19. März nach dem Einmarsch der Sicherheitspolizei ins Mansfelder Land konstituiert hatte. Hier traf Schneider am 22. März 1922 erstmals mit Max Hoelz zusammen und wurde in der Folgezeit dessen Stellvertreter. Hoelz berichtete darüber in seinem Buch »Vom ?weißen Kreuz? zur roten Fahne«: »Schneider war Redakteur an der Parteizeitung in Eisleben und leitete dort die Bewegung. Es war zum Schreien komisch, wenn dieser auffallend kleine, überfette Mensch in einem kleinen Wanderauto, daß er irgendwo requiriert hatte, durch die von streikenden Arbeitern angefüllten Straßen fuhr. Wer ihn nicht persönlich kannte, mußte ihn für einen kapitalistischen Ausbeuter halten. Trotz seines ungeheuren Körperumfangs war Schneider von einer erstaunlichen Beweglichkeit. Bei den in den folgenden Tagen stattfindenden Kämpfen zeigte es sich, daß er organisatorisch begabt war. Ich übertrug ihm die Verpflegung der Truppe sowie die Verwaltung der beschlagnahmten Gelder. Beide Aufgaben erledigte er mit Geschick.«

Im Unterschied zu Hoelz, der verhaftet und verurteilt wurde, gelangte Schneider nach Sowjetrußland, wurde aber in Abwesenheit wegen »Hochverrats, Mordes oder Mordversuchs, Freiheitsberaubung, schweren Raubs« u. a. angeklagt. Erst nach der 1928 erlassenen Amnestie hielt sich Schneider 1930 – nur für vier Wochen – in Deutschland auf. In Moskau kam er zunächst in die Presseabteilung der Komintern und schrieb 1921 die Broschüre »Die blutige Osterwoche im Mansfelder Land«. Darin lobte er im Auftrag der Komintern und der KPD einerseits Hoelz als mutigen Revolutionär, kritisierte ihn aber auch wegen seiner anarchistischen »nichtkommunistischen« Auffassungen. Schneider ging 1922 nach Leningrad, arbeitete in der Hafenverwaltung, wurde als Betriebsleiter einer heruntergekommenen Fabrik für deren Mißmanagement verantwortlich gemacht und sogar verhaftet. Anschließend in die Tatarische ASSR entsandt und – im Auftrag der Hungerhilfe – einige Zeit Leiter eines großen Staatsgutes in der Gegend von Kasan, dessen Erträge und Gewinne der IAH zugute kamen. Ab 1930 bei der Verwaltung der Staatsverlage angestellt und zeitweilig Sekretär der deutschen Sektion des sowjetischen Schriftstellerverbandes. Wegen seiner langjährigen journalistischen und schriftstellerischen Tätigkeit wurde die kleine Wohnung der Schneiders (1933 übersiedelten Frau und Tochter in die Sowjetunion) in der Moskauer Gorkistraße ein beliebter Treffpunkt deutscher Emigranten.

Bereits Ende 1935 geriet er in die Mühlen der stalinistischen Säuberungen, verlor zunächst seine Anstellung im Schriftstellerverband und wurde am 5. Januar 1936 aus der KPdSU ausgeschlossen. Am 5. November 1936 vom NKWD verhaftet, wurde er mit Hans Rogalla und Paul Scholze der »konterrevolutionären trotzkistisch-faschistischen Tätigkeit« bezichtigt und am 10. Juli 1937 von einem NKWD-Sondertribunal zu fünf Jahren Arbeitslager verurteilt. Während Rogalla und Scholze 1938 nach erneuter Anklage, Sabotage verübt zu haben, erschossen wurden, starb Josef Schneider am 18.November 1939 infolge Unterernährung und fehlender medizinischer Betreuung. Schneiders Tochter Annemarie (verheiratete Raddünz) erfuhr 1991 erstmals von Fridolin Seydewitz, selbst einst Gulaghäftling: »Deinen Vater traf ich 1939 im Lager für Invaliden ... Ich kam im September dorthin und nicht allzu lange Zeit [danach] ist er, offensichtlich wegen seines kranken Herzens, verstorben. Er war am ganzen Körper geschwollen, ging am Stock und gab in der Speisehalle Löffel aus, so daß er wenigstens in der letzten Zeit nicht übermäßig hungern mußte.«

Information

Mehr Hinweise zu den beiden Lexika finden Sie unter Wer war wer in der DDR? und unter Handbuch der Deutschen Kommunisten