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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Handbuch Deutsche Kommunisten

Thalheimer, August

* 18.3.1884 ✝ 19.9.1948

(* 1884 – † 1948)

Über seine Jugend schrieb Thalheimer selbst: »Geb. am 18. März 1884 als Sohn des Moritz Thalheimer, Kaufmannes zu Affaltrach, Oberamt Weinsberg, Württemberg und im jüdischen Glauben erzogen, bezog ich nach Absolvierung des Realgymnasiums Stuttgart WS 1902/03 die Universität München, zunächst als Angehöriger der medizinischen Fakultät; vom 2. Semester (Sommersemester 1903) ab aber trat ich zur philosophischen Fakultät über, um mich der allgemeinen Sprachwissenschaft, der Völkerkunde und den neueren Sprachen zu widmen. Anfang August 1903 bis Ende März 1904 war ich in Oxford und London. Vom SS 1904 bis SS 1905 besuchte ich die Universität Berlin, wo ich am Kgl. Museum für Völkerkunde unter Leitung von Herrn Geheimrat Prof. Dr. von Luschan praktischen ethnographischen Übungen oblag und ethnographische und anthropologische Vorlesungen hörte, auch bei Herrn Privatdozent Dr. N. Finck, Steinthals Nachfolger, der in der allgemeinen Sprachwissenschaft beflissen war. Von SS 1905/06 bis WS 1906/07 besuchte ich die Universität Straßburg i. E.« Thalheimer promovierte 1907 zum Dr. phil. mit einem Beitrag zur »Kenntnis der Pronomina personalia und possessiva der Sprachen Mikronesiens«. 1904 Mitglied der SPD, 1909 Chefredakteur am radikalen Organ der SPD, der Göppinger »Freien Volkszeitung«. Danach kam er in Verbindung mit Karl Radek, der Mitarbeiter seiner Zeitung wurde. 1912 Austritt aus der Redaktion, da eine Zusammenlegung mit revisionistischen Zeitungen erfolgte. Dann gehörte er zum linksradikalen Flügel der SPD, er war nicht nur mit den Württemberger Linken ( Clara Zetkin, Friedrich Westmeyer usw.), sondern auch mit den Berlinern Rosa Luxemburg, Franz Mehring und Karl Liebknecht u. a. politisch und persönlich eng befreundet. Am 20. März 1914 verschickte er einen Brief (Absender Dr. A. Thalheimer, Berlin NW 87, Wullenweberstraße 7) mit der Offerte, ab April »eine regelmäßige Korrespondenz über auswärtige Politik zu beziehen«. Er bot monatlich zwei Artikel »mit besonderer Berücksichtigung der sozialen und politischen Hintergründe« an, Abonnement »monatlich M 35,-«.

Bei Kriegsausbruch schloß sich Thalheimer sofort der Gruppe Internationale an, arbeitete an der ersten Nummer der »Internationale« mit und war Teilnehmer der I. Reichskonferenz der Linken im Januar 1916 in Berlin. Ganz im Sinne der Spartakusgruppe leitete er 1915/16 als Chefredakteur das Braunschweiger SPD-Organ »Volksfreund«. Als Liebknecht zur Zuchthausstrafe verurteilt wurde und sein Reichstagsmandat verlor, erklärte dieser, als Nachfolger kämen nur Franz Mehring oder Thalheimer in Frage. Nach dem großen Streik im Mai 1916 wurde Thalheimer zum Militär eingezogen. Er kam an die Front, wurde verwundet und kehrte 1918 nach Stuttgart zurück. Kurz vor Kriegsende noch verhaftet, doch durch die Revolution befreit, übersiedelte er nach Berlin, wurde in die Zentrale des Spartakusbundes aufgenommen und auf dem Gründungsparteitag der KPD in die erste Zentrale der Partei gewählt. Dort für die theoretische Arbeit der Partei verantwortlich, wurde Thalheimer auf allen folgenden Parteitagen bis 1923 ununterbrochen in die Zentrale berufen.

Nach der Ermordung Rosa Luxemburgs galt er (zunächst neben Paul Levi) als der theoretische Kopf der KPD, war Redakteur des Organs »Internationale« und zeitweise Chefredakteur der »Roten Fahne«. Thalheimer war 1921 einer der Begründer der »Offensivtheorie«, die von Lenin getadelt wurde. Nach dieser linken »Entgleisung« blieb er immer auf dem rechten Flügel der Partei. 1922 verfaßte er den Entwurf des Parteiprogramms der KPD, ging im Juni/Juli des gleichen Jahres als politischer Berater der KPF nach Frankreich. 1922/23 traten Heinrich Brandler als politischer und Thalheimer als theoretischer Kopf der KPD auf, so daß immer von der Brandler-Thalheimer-Führung gesprochen wird. Nach der Oktoberniederlage 1923 verteidigten beide die Taktik der Zentrale und Thalheimer rückte an die Spitze der Rechten, die auf dem IX. Parteitag 1924 keinen Anhang mehr hatten. Von der Polizei 1924 gesucht (Steckbrief: »1,70-1,75 groß, hohe Stirn, graue Augen, schwäbische Mundart«), mußte er wie Brandler nach Moskau, wo sie bis 1927 in einer Art »Verbannung« lebten.

Thalheimer arbeitete am Marx-Engels-Institut, war Professor an der Sun Yat-sen Universität und veröffentlichte damals das Buch »Einführung in den dialektischen Materialismus« (Wien-Berlin 1928), eine Zusammenfassung von Vorträgen. Im gleichen Jahr erschien: Thalheimer-Deborin »Spinozas Stellung in der Vorgeschichte des dialektischen Materialismus«. Thalheimers Frau Cläre, geboren 1892 in Idar-Oberstein, Tochter eines reichen Juweliers, begleitete ihren Mann in das Moskauer Zwangsexil. Ende 1927 erkrankt, reiste sie zur Behandlung nach Deutschland. Da das ZK der KPD der Rückkehr Brandlers und Thalheimers nach Deutschland grundsätzlich zugestimmt hatte, durfte auch er im Mai 1928 nach Berlin. Schon zuvor hatte er insgeheim mit Bucharin ausgemacht, nicht mehr in die Sowjetunion zurückzukommen. In Deutschland sammelte Thalheimer wieder die rechte Gruppe in der KPD um sich und war vor allem nach der Wittorf-Affäre aktiv. Im Januar 1929 aus der Komintern und der KPdSU, der er seit 1924 angehörte, ausgeschlossen. 1928/29 Mitbegründer der KPO, in deren Reichsleitung er führend tätig war und für die er verschiedene Schriften, darunter »Das Jahr 1923«, herausgab. Zusammen mit Brandler leitete er die KPO auch, nachdem sich eine Minderheit unter Paul Frölich und Jacob Walcher von ihr getrennt hatte und zur SAP gegangen war.

Nach der Machtübernahme Hitlers emigrier-

te Thalheimer auf Beschluß der KPO-Leitung, von Robert Siewert noch mit Geld ausgestattet, nach Frankreich. Bis Kriegsausbruch leitete er mit Brandler die KPO in der französischen Emigration und in der deutschen Illegalität. Von den französischen Behörden 1939 interniert, konnte er 1941 nach Kuba entkommen. Er lebte in Havanna und verfaßte mehrere politische Werke.

Die alliierten Besatzungsbehörden verweigerten ihm nach 1945 die Einreise nach Westdeutschland. Von Kuba aus gab Thalheimer der deutschen Gruppe Arbeiterpolitik, der Nachfolgeorganisation der KPO, in den »Briefen aus der Ferne« politische Empfehlungen. 1946 verbreiteten seine Anhänger in Deutschland eine Broschüre, in der er (unter dem Pseudonym Aldebaran) das Potsdamer Abkommen kritisch beleuchtete. August Thalheimer starb am 19.September 1948 in Havanna.

Zu seinem 100. Geburtstag 1984 veröffentlichte die »Arbeiterpolitik« (Bremen) eine Sondernummer mit einer knappen Biographie. Thalheimers Anhänger hatten bereits 1982 das Grab auf dem jüdischen Friedhof bei Havanna restaurieren lassen. Cläre Thalheimer, 1933 nach Straßburg und Paris emigriert, wurde wie ihr Mann nach Kriegsausbruch interniert, gelangte 1941 ebenfalls nach Kuba. Nach Thalheimers Tod zog sie 1949 zu ihrem Sohn nach Australien, lebte in dem Bergarbeiterstädtchen Wandiligong und arbeitete als Lehrerin im nahen Bright (Ovens Valley, Victoria), wo sie am 6.Februar 1990 starb.

Information

Mehr Hinweise zu den beiden Lexika finden Sie unter Wer war wer in der DDR? und unter Handbuch der Deutschen Kommunisten