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In der Kategorie BioLex sind drei wichtige Lexika mit über 5500 Biografien von überzeugten Kommunistinnen und Kommunisten, Renegatinnen und Dissidenten im Volltext recherchierbar.

 

Das Handbuch „Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945“ wird von Andreas Herbst und Hermann Weber in der 8. aktualisierten Ausgabe herausgegeben. Auf breiter Quellenbasis werden die Schicksale deutscher Kommunisten knapp geschildert, von denen etwa ein Drittel während der NS-Diktatur und durch den Stalinistischen Terror gewaltsam ums Leben kam.

Kurzbiografien zu Personen des politischen Lebens in der DDR stellt das von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix herausgegebene Lexikon ostdeutscher Biographien „Wer war wer in der DDR?“ Ch. Links Verlag, 5. Aufl. 2010 bereit.

Zudem ist das Online-Lexikon www.dissdenten.eu ebenfalls auf unserer Seite aufrufbar. Die über 700 Biografien mit umfangreichen Informationen zu Oppositionellen, Bürgerrechtlern und  Dissidenten aus vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas werden laufend erweitert.

 

Handbuch Deutsche Kommunisten

Wittfogel, Karl August

* 6.9.1896 ✝ 25.5.1988

(* 1896 – † 1988)

Geboren am 6. September 1896 in Woltersdorf/Krs. Lüchow in der Lüneburger Heide, Sohn eines Dorfschullehrers. 1904 übersiedelte die Familie nach Lüneburg, dort besuchte er ein humanistisches Gymnasium und trat 1912 der Lüneburger Ortsgruppe des Wandervogels bei. Während des Weltkrieges entwickelte er sich zum überzeugten Kriegsgegner. Er studierte zunächst in Leipzig, dann ab 1915 an der Münchner Universität, später auch in Berlin. Obwohl 1917 zum Militär einberufen, konnte er weiter studieren. Die russische Revolution 1917 zeigte eine starke Wirkung in Kreisen der Jugendbewegung, Wittfogel gehörte in Berlin zu einem Zirkel studentischer Revolutionäre, in dem sich u. a. Alexander Schwab und die drei Brüder Reichenbach ( Bernhard Reichenbach) engagierten. Im November 1917 Mitglied der USPD, schloß er sich 1920 der KPD an. Anfang 1920 holte Engelbert Graf, einer der bekanntesten Vertreter der Arbeiterbildung in der Weimarer Republik, Wittfogel an die sozialistische Heimvolksschule Schloß Tinz bei Gera. Dort lernte er den späteren Herausgeber der »Internationale« Karl Korsch kennen, nahm im Mai 1923 an der »Ersten Marxistischen Arbeitswoche« in Thüringen teil. 1925 ging Wittfogel an das Frankfurter Institut für Sozialforschung, wo er mit Franz Borkenau, Rudolf Schlesinger ( Gerber) und Béla Forgasi zusammentraf. Bereits 1922 hatte er im Verlag Junge Garde seine Schrift »Vom Urkommunismus bis zur proletarischen Revolution« publiziert.

Auf dem VIII. Parteitag der KPD 1923 in Leipzig war er Lüneburger Delegierter, verfaßte gemeinsam mit Gertrud Alexander und Hermann Duncker das »Kulturpolitische Notprogramm«. Wittfogel war publizistisch produktiv, schrieb unzählige Artikel in zirka 30 Zeitungen und Zeitschriften. Der Malik-Verlag brachte 1924 sein umfangreiches Werk »Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft« heraus. Das wurde von der Agitpropabteilung des EKKI in der »Inprekorr« kritisiert, solche »skandalösen Erzeugnisse« wie die Schrift Wittfogels seien »vernichtend« abzulehnen, schließlich handele es sich um »Literatur allerübelsten Charakters«. Die Redaktion der »Internationale« veröffentlichte hingegen ein positives Gutachten, das durch einen Mitarbeiter des Moskauer Marx-Engels-Instituts erstellt worden war. Wittfogel blieb umstritten, auch wegen seiner Nähe zu Georg Lukács. 1925 als Anhänger Ruth Fischers Kulturredakteur der »Roten Fahne«, verfaßte ein 180 Seiten starkes Manuskript »Das erwachende China«. Das Buch erschien 1926 in Wien und fand begeisterte Zustimmung in der Fachwelt. In der Folge wurde das Thema zum Hauptforschungsgebiet Wittfogels. Ab 1929 Mitglied des Vorstandes des Schutzverbands Deutscher Schriftsteller, dem er seit 1925 angehörte, ebenso aktiv im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller, für dessen Zeitschrift »Linkskurve« er (neben Georg Lukács) einer der wichtigsten Theoretiker war. Außerdem begann er mit der regelmäßigen Lehrtätigkeit an der Berliner »Marxistischen Arbeiter-Schule« und gab dort gemeinsam mit Hermann Duncker und Alfons Goldschmidt die Selbststudienhefte der MASCH heraus.

Nach Abschluß seiner Promotion im Juli 1928 besuchte Wittfogel die Sowjetunion und war von den russischen Verhältnissen geschockt. Der erste Teil seines Werks »Wirtschaft und Gesellschaft in China« erschien 1931 als Publikation des Frankfurter Instituts für Sozialforschung (der zweite wurde nie veröffentlicht). Im Februar 1931 hatte in Leningrad eine Konferenz stattgefunden, die sich mit der Frage der »asiatischen Produktionsweise« beschäftigte. Dort wurde Wittfogel vorgeworfen, in seiner Untersuchung die Klassenanalyse vollständig ignoriert zu haben, die Hoffnung auf eine russische Übersetzung seines Bandes zerschlug sich.

Ende Januar 1933 war er deprimiert von der kampflosen Niederlage der KPD und ging verbittert zu Georg Lukács, um ihm von seinem Widerspruch zur KPD zu berichten. Lukács hörte ihm zu und machte den bekannten, berüchtigten Ausspruch, er »werde lieber Dreck fressen«, als sich »von der Bewegung losreißen zu lassen«. Beim Versuch, die Schweizer Grenze zu überqueren, wurde Wittfogel festgenommen und kam in »Schutzhaft«. Seinen Aufenthalt im KZ verarbeitete er in dem autobiographischen Roman »Staatliches Konzentrationslager VIII. Eine ?Erziehungsanstalt? im 3. Reich«, der 1936 erschien. Kurz vor Weihnachten 1933 freigelassen, emigrierte er über England in die USA, wurde dort Professor für Sinologie. 1939 erfolgte sein definitiver Bruch mit der KPD. Sein Werk »Die asiatische Despotie« wurde 1957 veröffentlicht. In der antikommunistischen McCarthy-Ära machte Wittfogel Aussagen, die ihm in liberalen Kreisen der USA verübelt wurden. Erst die 68er-Studentenbewegung nahm seine Ideen, vor allem das Problem der »asiatischen Produktionsweise« wieder auf, viele seiner Schriften wurden neu verlegt. Karl August Wittfogel starb am 25. Mai 1988 in New York.

Sein erste Frau Rose Wittfogel, geborene Schlesinger (* 1. 8. 1889 in Halle), besuchte das Lyzeum, wurde Bibliothekarin. Sie studierte Kunstgeschichte und Philosophie, seit 1917 nebenberuflich Bildhauerin, 1918 Mitglied der FSJ, 1919 der KPD. 1921 Heirat mit Karl August Wittfogel (1932 Scheidung). Später arbeitete sie in der Zentrale der KPD in Berlin, leitete bis 1929 das Forschungsarchiv des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Von 1931 bis 1934 in Moskau Leiterin des Forschungsarchivs des Internationalen Agrarinstituts, dann bis 1941 Lektorin. Sie lebte mit dem Schauspieler der »Kolonne Links« Friedrich Voss (* 25. 8. 1903) zusammen. Dieser wurde am 11. Februar 1938 vom NKWD verhaftet und am 11. April 1938 erschossen. Sie selbst wurde aus der Partei ausgeschlossen, später wieder aufgenommen. Von 1941 bis 1945 in Usbekistan als Lehrerin und Dozentin tätig, blieb Rose Wittfogel nach Kriegsende in der Sowjetunion.

Information

Mehr Hinweise zu den beiden Lexika finden Sie unter Wer war wer in der DDR? und unter Handbuch der Deutschen Kommunisten