Volkspolizei (1953)
Siehe auch:
- Deutsche Volkspolizei: 1969
Die V. wurde am 28. 11. 1946 als Grenzpolizei und Schutzpolizei begründet und hat seitdem erhebliche Wandlungen durchgemacht. Im Sommer 1948 wurde eine Bereitschaftspolizei gebildet, die sich aus parteipolitisch zuverlässigen Polizisten mit militärischen Kenntnissen rekrutierte. Ihre Stärke belief sich zunächst auf 7.500 Mann. Nach Errichtung der „DDR“ wurde die Bereitschaftspolizei als „Hauptverwaltung Deutsche V.“ dem Innenministerium angegliedert; seit 1950 ist diese HVDVP die oberste Spitze eines zentralistisch ausgerichteten Polizeiapparates mit überwiegend militärischem Charakter.
[S. 161]Verwaltungsmäßig selbständig ist die politische Geheimpolizei, der Staatssicherheitsdienst (SSD), dessen Verbindungsoffiziere sowohl in den V.-Dienststellen als auch bei den ausgesprochen militärischen Verbänden als Abwehrbeauftragte fungieren.
Die Hauptverwaltung für Ausbildung (HVA) wurde Ende 1950 einer „Säuberung“ unterzogen und war nach der Umstellung oberste Kommandobehörde der Heereseinheiten mit etwa 60.000 Mann und (später) der Marineeinheiten mit etwa 6.000 Mann. Fliegende Verbände werden auch heute noch grundsätzlich von der sowjetischen Besatzungsmacht gestellt, während der HVA die Ausbildung von technischem und Bodenpersonal inzwischen zugestanden worden ist. Seit Ende 1951 gibt es für die drei Formationen Heer, Marine, Luftwaffe V.-Schulen mit systematischem militärischem Ausbildungsbetrieb, so in Naumburg eine Pionierschule und in Dessau-Kochstedt eine Höhere Offizierschule, deren Absolventen zum Generalstabskursus auf die Kriegsakademie Saratow (SU) abkommandiert werden.
Im Frühjahr 1952 erfolgte die Umrüstung der V. auf sowjetische Waffen. Es stehen u. a. zur Verfügung: Karabiner 38, MP mit Trommeln (72 Schuß), LMG „Deterow“, SMG „Maxim“, Pak 4,5 cm, Pak/LFK 7,62 cm, Granatwerfer 5, 8,8 und 12,2 cm.
Die Artillerieeinheiten werden ebenfalls an sowjetischen Waffen verschiedener Art ausgebildet, von der leichten Flak, 2 cm, an bis zur Feldhaubitze mit Kaliber 15,2 cm. Auch Panzerwagen und Panzerspähwagen modernster Typen, neuerdings fast ausschließlich sowjetischer Bauart, fehlen nicht. Die Erprobung der Truppe erfolgt in kombinierten Manövern, in Verbindung mit Heereseinheiten der Satellitenstaaten und auf Truppenübungsplätzen, wie z. B. Kummersdorf, oder in der Tschechoslowakei.
Die Seepolizei ist in Schulen, Bataillone und Flottillen gegliedert. In den Ostseebädern Ahlbeck und Heringsdorf liegen heute je 2–3 Seebataillone, während im benachbarten Zinnowitz eine SP-Flottille stationiert ist, die über 5 Schnellboote mit je 18 Mann (Marschgeschwindigkeit 23–25 Knoten) verfügt. Die gesamte SP besitzt 31 Fahrzeuge mit schwerer Bewaffnung, darunter 20 Küstenschutzboote, 6 Räumboote, 1 Vorpostenboot, 1 Flakkreuzer, 1 U-Boot-Mutterschiff, 1 Aufklärungsschiff und 1 Navigationsfahrzeug.
Der Hauptverwaltung Luftpolizei (HVL, seit 1951) unterstehen in Zerbst, Rechlin, Perleberg, Dessau, Burg bei Magdeburg. Brandenburg (Havel) und Erfurt-Bindersleben Fliegerschulen zur Grundausbildung des fliegenden Personals. Erfurt-Bindersleben bildete 1951 130 Flugschüler und 350 Kursusteilnehmer als technisches und Bodenpersonal aus. Spezialausbildungen wie Blindflug usw. erfolgen grundsätzlich nur in der SU. Die Ausbildung der Langstreckenflieger erfolgte in der Mandschurei. In Wittstock (Dosse) ist eine Fallschirmspringerschule stationiert, die je Kursus 1.800 Schüler ausbildet.
Im Jahre 1952 machte die Entwicklung von der militärischen Volkspolizei zur „Nationalarmee“ unter sowjetischem Kommando erhebliche Fortschritte. Die militärischen Verbände, die im Nov. 1952 eine Stärke von über 100.000 Mann erreichten, wurden in Divisionen nach sowjetischem Muster gegliedert; ihre Zusammenfassung zu Armeekorps ist im Gange. Anläßlich des 3. Jahrestages der Gründung der „DDR“ traten Anfang Okt. 1952 Formationen der militärischen V. zum erstenmal in neuen Uniformen auf, die in Schnitt und Farbe den sowjetischen angepaßt sind. Gleichzeitig wurde die Durchsetzung der V. mit sowjetischen Offizieren so verstärkt, daß jedem deutschen Offizier ein gleichrangiger Offizier der Sowjetarmee vorgesetzt ist. Die Methoden der Rekrutierung kommen einer verschleierten Dienstpflicht nahe.
Die Generalinspekteure der drei Waffengattungen, Heinz Keßler (Luftwaffe), Heinz Hoffmann (Heer), Waldemar Verner (Marine), und der „Chef des Generalstabs“, Vincenz Müller, wurden zu stellvertretenden Innenministern der„DDR“ ernannt, womit die Bedeutung ihrer Funktion für das „friedliebende“ Staatswesen der „DDR“ besonders betont wurde.
Fast täglich setzen sich Volkspolizisten nach dem Westen ab; sie werden begreiflicherweise bei der Aufnahme besonders sorgfältig überprüft. Relativ selten sind unter den Überläufern höhere Polizeioffiziere, zahlreich dagegen weibliche Volkspolizisten, die aber vorwiegend in der Verwaltungspolizei tätig sind und im allgemeinen über den Majorsrang nicht hinauskommen.
Fundstelle: SBZ von A–Z. Bonn, 1953: S. 160–161