DDR von A-Z, Band 1953

Volksrichter (1953)

 

 

Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Ausdruck des Pj. Die Forderung nach einer umfassenden „Demokratisierung der Justiz“ führte 1945 zu den ersten V.-Lehrgängen. Der Man[S. 162]gel der fehlenden akademisch-wissenschaftlichen Ausbildung sollte durch große Lebenserfahrung dieser neuen Richter ausgeglichen werden. Das Mindestalter beträgt 23 Jahre, das Höchstalter 45 Jahre. Das notwendige juristische Grundwissen sollte den Schülern während des Lehrganges beigebracht werden. Der erste Lehrgang dauerte 6 Monate, der zweite 8 Monate, die nächsten drei dann jeweils ein Jahr. Lehrgänge zunächst in allen Ländern der Zone; seit Juni 1950 Zentrale Richterschule in Potsdam-Babelsberg. Diese wurde durch Verordnung vom 2. 5. 1952 (GBl. S. 361) zur „Deutschen Hochschule der Justiz“ umgewandelt. Lehrgangsdauer jetzt zwei Jahre. Internatsbetrieb. Vorschlagsrecht zur Teilnahme am Lehrgang haben die politischen Parteien und „Massenorganisationen“. Seit 1948 sind die Teilnehmer fast ausschließlich SED-Mitglieder. Entscheidend ist die soziale Herkunft, ehemalige Studenten und Abiturienten werden zurückgewiesen. Werbeveranstaltungen für Ergreifung der V.-Laufbahn werden durch die Justizverwaltung in den VEB durchgeführt.

 

Das Schwergewicht der Ausbildung liegt auf der Gesellschaftswissenschaft, d. h. der Lehre vom leninistisch-stalinistischen Marxismus. „Die Formung nach den Bedürfnissen der Gesellschaft setzt voraus, daß sich die Schüler in den zwei Jahren nicht vom politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kampf der werktätigen Menschen isolieren, sondern daß sie politische Menschen bleiben oder werden, die mit dem Kampf ihres Volkes für ein demokratisches, friedliebendes und unabhängiges Deutschland zutiefst verbunden sind, die stets Partei ergreifen für den gerechten Kampf um die Sache des Friedens an der Seite der stärksten Friedensmacht der Welt, der großen Sowjetunion“ (Scheele in „Neue Justiz“ 1950, S. 185). Der V., der seine Erkenntnisse nicht juristisch-wissenschaftlich untermauert, sondern diese mit politisch-gesellschaftswissenschaftlichen Ausführungen begründet, ist der ideale „Richter neuen Typus“.


 

Fundstelle: SBZ von A–Z. Bonn, 1953: S. 161–162


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.