Pressewesen (1954)
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Die Presse ist im kommun. Bereich eines der wichtigsten Mittel zur Massenbeeinflussung (Propaganda und Parteipresse) und zur Verbreitung der kommun. Ideologie. Die gesamte Presse ist Lizenzpresse (Lizenzerteilung: in den ersten Besatzungsjahren durch die SMAD, später [S. 124]durch das Amt für ➝Information, seit Januar 1953 durch das Presseamt beim Ministerpräsidenten der „DDR“). Zeitungslizenzen erhalten ausschließlich die SED, die Massenorganisationen und die in der Blockpolitik gleichgeschalteten Parteien. (Einzige Ausnahmen: „Berliner Zeitung“ und „BZ am Abend“ — Herausgeber: Hermann Leupold, SED.) Presseerzeugnisse unterliegen einer Nachzensur, die zum Verbot der Auslieferung führen kann. Da zudem die gesamte Presse streng an die vom ZK der SED und vom Presseamt beim Ministerpräsidenten herausgegebenen politischen Richtlinien gebunden ist, kann von der in der Verfassung der „DDR“ (Art. 9) proklamierten freien öffentlichen Meinungsäußerung keine Rede sein.
In der SBZ erscheinen 40 Tageszeitungen und 2 Montagsausgaben, davon 9 Tageszeitungen im Sowjetsektor Berlins. Bis 1952 war die Lizenzvergebung so gehandhabt, daß neben Zentralorganen in Berlin jeweils ein Blatt jeder Partei in den fünf Landeshauptstädten erschien. Seit der sog. Verwaltungsreform im Juli 1952 erscheinen in allen 14 Bezirken SED-Blätter, mit Lokalteilen für fast alle Kreise. Die Höhe der Auflagen wird seit langem nicht mehr veröffentlicht, sie wird vor allem von der SED geheimgehalten. Der weitaus größte Teil der Gesamtauflage entfällt auf die SED-Blätter. Das Zentralorgan „Neues Deutschland“ wird in 500.000 Exemplaren gedruckt, das Sprachrohr der Sowjets, „Tägliche Rundschau“, hat 500.000 Auflage. Andere SED-Blätter: „BZ am Abend“, Berlin (180.000); „Märkische Volksstimme“, Potsdam (110.000). Demgegenüber fällt die P. der Blockparteien nicht ins Gewicht: Die 6 Blätter der CDU werden in 194.000 Stück gedruckt (davon die „Neue Zeit“, Berlin, mit 65.000 und die „Union“, Dresden, mit 42.000). Die 5 Zeitungen der LDP haben eine Auflage von 193.000 (davon „Der Morgen“, Berlin, 60.000 und das „Sächsische Tageblatt“, Dresden, 50.000). Die 5 Organe der NDP erreichen zusammen 174.000 Exemplare (davon „National-Zeitung“, Berlin, 68.000). Das Organ der FDJ, „Junge Welt“, soll eine Auflage von 1 Mill. haben. Bei den Auflagen der SED-Presse ist zu berücksichtigen, daß ganze Berufsstände zum Abonnieren von SED-Blättern verpflichtet sind und daß der Abonnentenkreis der bürgerlichen Presse durch Papierzuteilung begrenzt wird.
Inhaltlich unterscheiden sich die Zeitungen kaum (bindende Richtlinien von Regierung und ZK, Sprachregelung durch das „Presseamt“ und ausschließliche Nachrichtenversorgung durch ADN). Der Nachrichtenteil unterliegt in gleicher Weise wie die redaktionellen Meinungsäußerungen der zentralen Lenkung. Lediglich „Neues Deutschland“, „Tägliche Rundschau“ und „Berliner Zeitung“ dürfen andere als mit „ADN“ gezeichnete Meldungen bringen. Auslandsmeldungen werden von der sowjetamtlichen Agentur TASS und von den Agenturen der Ostblockstaaten übernommen.
Gekennzeichnet ist das P. in der SBZ durch die Einförmigkeit des Inhalts. Neben den tendenziösen Nachrichten nehmen umfangreiche Leitartikel, mehrseitige Wiedergaben von Reden der Funktionäre und von Parteibeschlüssen, Kritik und Selbstkritik im Rahmen des kommun. Überwachungssystems, Anprangerungen nicht erfüllter Normen, Aufrufe zu Wettbewerben und Selbstverpflichtungen und gelenkte Leserzuschriften den Hauptraum der Zeitungen ein. Auch der kulturelle Teil wird von den Maximen der Partei her bestimmt. Eine Auflockerung durch Kurzgeschichten und Humor hat Walter Ulbricht am 26. 7. 1953 auf der 15. Tagung des ZK der SED im Rahmen des Neuen Kurses angekündigt.
Ebenso wie die Tagespresse sind die Wochen- und Monatszeitschriften der Massenorganisationen gelenkt. Sogar die Fach- und Sportpresse usw. besitzt einen umfangreichen politischen und ideologischen Teil.
Das Fehlen von objektiven Nachrichten und der eintönige Stil und Inhalt der sowjetzonalen Presse begründen ein starkes Bedürfnis nach westlicher Publizistik. Bezug und Besitz westlicher Presse werden als Boykotthetze und „Hetze gegen die antifaschistisch-demokratische Ordnung“ aufgefaßt und unter Anwendung des sog. Friedensschutzgesetzes mit hohen Zuchthausstrafen bedroht. Der journalistische Nachwuchs — soweit er nicht in die Kategorie der Volkskorrespondenten fällt — wird an der Leipziger Journalistenschule, dem ehemaligen Institut für Publizistik der Universität, ausgebildet. Das Institut erhält seine Richtlinien vom „Presseamt beim Ministerpräsidenten“. ADN und große Zeitungen haben eigene Schulen für journalistischen Nachwuchs.
Fundstelle: SBZ von A–Z. Zweite, durchgesehene und erweiterte Auflage, Bonn 1954: S. 123–124
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