DDR von A-Z, Band 1954

Schulen (1954)

 

 

Siehe auch:


 

Die Sch. der SBZ sollen nach den „Schulpolitischen Richtlinien für die deutsche demokratische Schule“ (1949) das Bildungsniveau in Stadt und Land durch Vermittlung einer wissenschaftlichen Allgemeinbildung heben. Die Berufsschule hat die Arbeitskräfte zu „qualifizieren“; die Oberschule hat eine „neue demokratische Intelligenz“ heranzubilden. Neue Schulformen sind: 1. Zentralschulen zur Beseitigung der wenigstufigen Landschulen. 2. Zehnjahresschulen zur Sicherung des Technikernachwuchses. Die durch Propaganda bestimmten Aufgaben der Sch. werden durch ein Schulsystem realisiert, dessen Aufgabe die Erziehung „aktiver Erbauer“ der „neuen demokratischen Gesellschaft“ sein soll. Dem entspricht eine radikale Politisierung der Unterrichts- und Erziehungsarbeit, als deren oberstes Ziel seit 1950 der „glühende Patriot“ erscheint, der Liebe zur sowjetisierten „DDR“ mit Haß gegen ihre Feinde und Freundschaft für die SU und die Volksdemokratien verbinden soll. Jede Unterrichtsstunde steht unter der Forderung der „Gegenwartsbezogenheit“ (Gegenwartskunde), die die Parteinahme für die totalitäre Ordnung einschließt. Der Unterricht in den einzelnen Fächern wird durch häufig abgeänderte Lehrpläne, die den Stoff fast jeder Stunde verbindlich festlegen, auf das politische Ziel ausgerichtet. Die Sch. haben sich außerdem ständig an den politischen Aktionen in der SBZ zu beteiligen. Die Politisierung wird durch eine geistige und weltanschauliche Erziehung verstärkt, die seit 1950/51 eindeutig vom Marxismus-Leninismus bestimmt wird, nachdem die Entwicklung schon seit 1946 stark auf dieses Ziel hinwies. Der Kern des verzerrten Weltbildes, das der Jugend vermittelt wird, ist das Geschichts- und Gesellschaftsbild des Stalinismus, das der SU den höchsten Platz einräumt und die nichtsowjetische Welt mit allen Prädikaten des Rückschritts und der Verdorbenheit belegt Den Anforderungen der Wirtschaft versucht man durch Verbesserung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts gegenüber der alten Volksschule zu entsprechen.

 

Die Bindung der Schüler an die bestehende Machtordnung und die Mobilisierung für die „DDR“ wird durch ein System von Zwängen und Chancen erstrebt. Durch ein Kontrollsystem wird der Lehrer zur Gleichschaltung gezwungen; durch die Unterrichtsmethode wird die systematische Aneignung der genormten Kenntnisse in den Mittelpunkt der Schularbeit gestellt und die autoritäre Führung des Unterrichts durch den Lehrer erzwungen Weitere Kennzeichen sind: alljährliche Zwischenprüfungen, die den Leistungsstand kontrollieren; Abschlußprüfungen für Grund- und Oberschulen; eine strenge Ordnung des Zensierens und des Eintragens in das Klassenbuch; Schultagebücher, die den Leistungsstand des Kindes widerspiegeln sollen; strenge Disziplin und besonders die Erziehung zum Kollektivismus. Gleichzeitig wird versucht, durch Diplome und Medaillen für gute Leistungen den individuellen Wetteifer anzukurbeln und durch Einsatz aller Propagandamittel mit Hilfe der Jugendorganisationen den Vorrang des Lernens zu behaupten. Der Aktivierung dienen die Aufstiegschancen, die allen anpassungsbereiten Kindern gegeben werden, wenn auch Arbeiter- und Kleinbauernkinder bevorzugt werden. (Arbeiterkind)

 

Gutes „Lernen“ in Verbindung mit „gesellschaftlicher Betätigung“ bei den Jungen Pionieren oder bei der FDJ aber ermöglichen auch den Kindern des Mittelstands den Übergang zur Oberschule und zur Universität. Die „neue demokratische Intelligenz“ ist eine sorgfältig nach SED-Gesichtspunkten ausgelesene Intelligenz.

 

Im Zuge der zunehmenden Sowjetisierung der Sch. werden die leitenden Posten ausschließlich mit aktiven Mitgliedern der SED oder der FDJ besetzt Besonders stark ist der Einfluß der mobilisierten Jugend. 35 Jugendliche aus der FDJ waren schon 1951 als Schulräte und 6.500 als Schulleiter an etwa 50 v. H. der Sch. tätig. Etwa 35.000 Grundschullehrer gehörten 1951 der FDJ an.

 

Die Sowjetisierung der Sch. ist seit der 2. Parteikonferenz in raschem Tempo fortgesetzt worden. Die Lehrerkollegien wurden in „pädagogische Räte“ umbenannt (Lehrerbildung). In den Oberschulen stieß die Sowjetisierung auf stärksten Widerstand. (Erziehungswesen)


 

Fundstelle: SBZ von A–Z. Zweite, durchgesehene und erweiterte Auflage, Bonn 1954: S. 144


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.