Richter, Unabhängigkeit der (1954)
Siehe auch:
„Ein Richter muß nach seiner Persönlichkeit und Tätigkeit die Gewähr dafür bieten, daß er sein Amt gemäß den Grundsätzen der Verfassung ausübt und sich vorbehaltlos für die Ziele der Deutschen Demokratischen Republik einsetzt“ (§ 11 des Gerichtsverfassungsgesetzes). Die Richter beim Obersten Gericht werden für fünf Jahre gewählt, die übrigen Richter auf drei Jahre vom Justizminister ernannt. Alle Richter können vorzeitig abberufen werden, wenn sie „gegen die Verfassung oder andere Gesetze verstoßen oder sonst ihre Pflichten als Richter gröblich verletzen“ (§§ 16, 17 GVG).
Art. 127 der Verfassung und § 5 GVG lauten:
„Die Richter sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur der Verfassung und dem Gesetz unterworfen.“ Entgegen diesem Grundsatz werden laufend und planmäßig Weisungen an die Richter der SBZ erlassen. Haftentlassungen von sogenannten Wirtschaftsverbrechern werden für unzulässig erklärt und bedürfen der Genehmigung des Ministeriums (Rundverfügung Nr. 98/50 des sächsischen Justizministeriums, Rundverfügung Nr. 355/VI/1947 des brandenburgischen Justizministeriums). Richter, die sich diesen Rundverfügungen nicht fügten, sind entlassen oder gar selbst inhaftiert worden. Die Kontrollkommission ist berechtigt, von den Gerichten den Erlaß von Haftbefehlen zu verlangen. Haftentlassungen solcher Personen sind ohne Anhörung der Kontrollkommission verboten (Rundverfügung Nr. 11/51 der Hauptabteilung Justiz des Landes Brandenburg). Damit wird der Richter zu einem weisungsgebundenen Organ der Kontrollkommission. Mit der Rundverfügung Nr. 105/50 des sowjetzonalen Justizministeriums vom 10. 8. 1950 wird in die Urteilsfindung der Gerichte selbst eingegriffen. Danach wird verlangt, daß die Richter mehr als bisher in ihren Entscheidungen den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprechen. In Sachsen müssen die Richter nach der dortigen Rundverfügung Nr. 141/50 berichten, inwieweit sie sich an diese Anordnung gehalten haben. In wichtigen Strafprozessen wird den Richtern seitens der SED, der Justizverwaltung, der Polizei oder des SSD vor der Verhandlung mitgeteilt, welche Strafe verhängt werden muß. Von diesen Weisungen abweichende Erkenntnisse werden als Begünstigung der Angeklagten angesehen und strafrechtlich verfolgt. (Rechtswesen, Gerichtsverfassung, Volksrichter)
Literaturangaben
- Rosenthal, Walther, Richard Lange, und Arwed Blomeyer: Die Justiz in der Sowjetzone. (BB) 1953. 100 S.
Fundstelle: SBZ von A–Z. Zweite, durchgesehene und erweiterte Auflage, Bonn 1954: S. 139