DDR von A-Z, Band 1956

Handwerk (1956)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

In der SBZ gelten alle Gewerbebetriebe, die nicht mehr als 10 Arbeitskräfte beschäftigen (im Baugewerbe 15–20) als H.-Betriebe. Vor dem Kriege gab es auf dem Gebiet der SBZ 322.000 H.-Betriebe mit 980.000 Beschäftigten. Bei gleichbleibender Beschäftigtenzahl zuzüglich 185.000 Lehrlingen gab es Ende 1951 nur noch 300.000 Betriebe.

 

Bis Anfang 1950 lag das H. außerhalb des besonderen Interesses der sowjetzonalen Wirtschaftspolitik. Mit dem „Gesetz zur Förderung des H.“ vom 9. 8. 1950 begann die Einbeziehung des H. in das Planwirtschaftssystem. Das Gesetz schreibt vor: „Die Beziehungen zwischen dem H. und der übrigen Wirtschaft sind durch Verträge zu regeln.“ Dadurch wird das H. — wie die private Industrie — als Zulieferer an die volkseigene Wirtschaft gebunden. Gleichzeitig wurden Verordnungen über die Preisbildung im H., enthaltend Kalkulationsschemata und Höchstpreise, erlassen. Die Bildung von Einkaufs- und Liefergenossenschaften zur Vereinfachung der Auftragsvergebung durch die volkseigene Wirtschaft und zur wirksamen Kontrolle über die Betriebe wurde gefördert. Die Genossenschaften erhalten staatliche Vergünstigungen und vorteilhaftere Kreditbedingungen. Fast sämtliche H.-Betriebe haben sich inzwischen den Genossenschaften angeschlossen, da das die Möglichkeit gibt Aufträge und Material zu erhalten. Das Handwerk wird über Kontingente, die den H.-Genossenschaften zugeteilt werden, mit Material versorgt. Herstellkontingente gibt es nur für plangebundene Produktion; die Reparatur-Kontingente sind unzureichend.

 

Das H.-Steuergesetz (Handwerkssteuer) vom Frühjahr 1951 verhindert durch progressive Besteuerung fremder Arbeitskräfte die weitere Entfaltung des H. Den 1950 gegründeten Landes-H.-Kammern bzw. den durch Ministerratsbeschluß vom 28. 8. 1953 neu organisierten Bezirks-H.-Kammern und ihren Kreisgeschäftsstellen müssen alle H.-Betriebe, die H.-Genossenschaften und die Kleinindustrie mit weniger als 10 Beschäftigten an[S. 107]gehören. Die H.-Kammern unterstehen seit Ende 1953 der Dienstaufsicht des Staatssekretariats für Örtliche Wirtschaft.

 

Als Folge der Beschränkung der Betriebsgrößen in. Auswirkung des Handwerksgesetzes vom Aug. 1950 ging auch die Zahl der Handwerksbetriebe bedeutend zurück.

 

 

Bereits vor dem Neuen Kurse wurde durch die SED die Einführung von H.-Produktionsgenossenschaften (HPG) angestrebt. Nach dem Juni-Aufstand ist dieses Vorhaben zunächst zurückgestellt worden. Durch VO. vom 18. 8. 1955 wurde jedoch die Bildung von H.-Produktionsgenossenschaften angeordnet. In dem vorgelegten Musterstatut wird betont, daß die Handwerker durch die gemeinschaftliche Nutzung von Maschinen und Werkzeugen rentabler arbeiten und sich durch den Abschluß langfristiger Verträge mit den VEB stetige Aufträge sichern könnten. — Ähnlich wie bei den LPG gibt es verschiedene Stufen. In der Stufe 1 wird mit eigenen Maschinen in der eigenen Werkstatt des Handwerkers produziert. Für die Benutzung der Maschinen usw., die in die HPG eingebracht wurden, zahlt der Handwerker der HPG eine Nutzungsgebühr. In der Stufe 2 findet die Produktion sowohl in der eigenen als auch in anderen Werkstätten statt. Der Handwerker verliert in dieser Stufe völlig seine Selbständigkeit. Die Leitung der HPG bestimmt, wo und an was er jeweils arbeiten muß. — Im Falle des Austritts erhält der Handwerker eine Werterstattung, und zwar in Stufe 1 innerhalb von drei Jahren, in Stufe 2 sogar erst innerhalb von 10 Jahren in Raten, aber auch nur dann, „wenn die HPG dadurch nicht in finanzielle Schwierigkeiten kommt“. Das heißt praktisch: es gibt bei Stufe 2 keine Austritts- und Erstattungsmöglichkeit.

 

Mitglieder der HPG können nicht nur selbständige Handwerker und Inhaber von kleineren Betrieben werden, sondern auch Gesellen, Arbeiter, Ingenieure, Techniker, Angestellte, Heimarbeiter und mithelfende Familienangehörige. — Die endgültige Abschaffung des H. als selbständigen Berufsstand ist nunmehr eingeleitet.

 

Literaturangaben

  • Plönies, Bartho: Die Sowjetisierung des mitteldeutschen Handwerks. Ein Bericht über die Lage des Handwerks in der sowjetischen Zone. 2., erg. Aufl. (BB) 1953. 136 S. m. 19 Anlagen.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1956: S. 106–107


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.