DDR von A-Z, Band 1956

Herrenloses Gut (1956)

 

 

Siehe auch das Jahr 1954


 

Begriff wird nicht im Sinne der Legaldefinition des BGB gebraucht, sondern nach der Vorstellung, die im sowjetischen Recht maßgebend ist. Die Voraussetzungen liegen besonders dann vor, wenn Eigentümer, Inhaber, Besitzer, Verwalter, Organ (Vorstand) eines Vermögens nicht in der SBZ wohnt, gleichgültig ob er sich um die ordnungsgemäße Verwendung seines Vermögens kümmert, bekümmern kann bzw. will oder nicht.

 

Ursprünglich wurden „Schutz und Verwaltung“ ausländischen Vermögens durch Kontrollratsdeklaration Nr. 2 und sowjetische Instruktionen und Befehle, dann durch Regierungsverordnung lt. GBl. 111/51 geregelt. Verantwortlich waren damals die Wirtschaftsministerien der Länder, welche Treuhänder bestellten. Jetzt wird „Schutz und Verwaltung“ durch Rechtsträger von Volkseigentum durchgeführt. (Eigentum)

 

Das Vermögen Deutscher, die nicht in der SBZ wohnen (gleichgültig ob sie nicht dort gewohnt haben, oder die Zone legal oder illegal verlassen haben), wird nach einer Verordnung vom 17. 7. 1952 und den hierzu ergangenen Richtlinien und Anweisungen beschagnahmt und unter „Schutz und Verwaltung“ gestellt. Bank- und Sparkonten und Zahlungen gehen auf ein sog. Westzonensperrkonto bei der Deutschen ➝Notenbank. Bestimmte Verpflichtungen innerhalb der SBZ werden aus diesen Konten erfüllt. Das Privatvermögen (Hausrat usw.) verwalten „Abwesenheitspfleger“ (nicht im Sinne der Legaldefinition des BGB zu verstehen). Ihre wichtigste Aufgabe ist der Verkauf des zu Schleuderpreisen taxierten Hausrats an Funktionäre und sowjetzonale Institutionen. Der Erlös geht nach Abzug der Verwaltungsgebühren auf Westzonensperrkonten. — Grundstücke verwalten grundsätzlich die „volkseigenen“ Grundstücksunternehmen, während die Betriebe von den Verwaltungen der „volkseigenen“ Wirtschaft in „Schutz und Verwaltung“ genommen werden.

 

Mit der Verordnung vom 17. Juli 1952 sind alle Hypotheken und sonstigen grundbuchlich gesicherten Ansprüche an Flüchtlingsvermögen untergegangen. In einer Geheimanweisung wird festgelegt, daß auch Rechte aus Sicherungsübereignungsverträgen, aus Pfändungen, Miet- und Pachtverträgen und sonstigen entsprechenden Vereinbarungen erlöschen. Selbst ein bereits eröffnetes Konkursverfahren ist kein Hindernis für den Übergang des Vermögens in „Volkseigentum“. Alle Ansprüche der Gläubiger auf die zurückgelassenen Werte sind aufgehoben, und die Verfügungsgewalt des Konkursverwalters gilt als zurückgenommen. Ansprüche von Ausländern sind von dieser Regelung ausgenommen.

 

Auf Grund zahlreicher Beschwerden und Proteste dürfen nach einer sogen. Billigkeitsregelung kleinere Zahlungen für Forderungen an Personen, die vor dem 10. Juni 1953 die SBZ verlassen haben (wie Handwerkerrechnungen, Hypothekenzinsen, Lohn- und Gehaltsforderungen) an sozial schwache Berechtigte geleistet werden.

 

Bei Beteiligungen gehen die Vermögensanteile republikflüchtiger Personen einer Gesellschaft in „Volkseigentum“ über, wobei die Deutsche ➝Investitionsbank als Gesellschafter auftritt.

 

Im Zuge des Neuen Kurses wurde zwischen dem 11. Juni 1953 und dem 7. Juli 1953 ein Teil der Betriebe usw. an Bevollmächtigte herausgegeben, gleichgültig ob der Eigentümer flüchtig war oder schon immer seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in Westberlin hatte. Diese Vermögen wurden jedoch durch steuerpolitische Maßnahmen, durch Einsetzung „vertrauenswürdiger Treuhänder“ usw. allmählich liquidiert. Geheime Anweisungen des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten schränkten bereits kurz nach den Ministerratsbeschlüssen die Vermögensrückgabe ein. Die Freigabe an Bevollmächtigte wurde völlig unterbunden und gewährte Erleichterungen widerrufen, so daß die „Raubverordnung“ vom 17. Juli 1951 und die hierzu ergangenen Geheimbestimmungen überwiegend wieder in Kraft gesetzt wurden. Solche Personen, die auf Grund des „Neuen Kurses“ ihren Wohnsitz im Westen aufgeben und in die SBZ übersiedeln, sollen nach politischer Überprüfung ihr Eigentum zurückerhalten, und zwar den Teil des Vermögens, der noch zu ermitteln ist, während für den anderen Teil Wertersatz geliefert [S. 111]werden soll, der aber bei weitem nicht dem wirklichen Wert entspricht.

 

Literaturangaben

  • Die Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone und die Verwaltung des Vermögens von nicht in der Sowjetzone ansässigen Personen. Bonn 1955. 240 S. m. 57 Anlagen.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1956: S. 110–111


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.