DDR von A-Z, Band 1956

Rechtsanwaltschaft (1956)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Rechtsanwälte gelten in der SBZ im allgemeinen als „Verfechter überholter bürgerlich-kapitalistischer Rechtsansichten“. 40 v. H. der Rechtsanwälte sind parteilos, etwa je 16 v. H. verteilen sich auf SED, CDU und LDP, der Rest gehört der NDPD oder der DBD an. Der Erlaß eines schon 1951 geplanten Rechtsanwaltsgesetzes wurde zurückgestellt; man ging zunächst mit Einzelmaßnahmen gegen die Anwälte vor: Entziehung der Zulassung, Auftrittsverbote, Teilnahme an der politischen Schulung der Justizbehörden, Strafverfolgung und Verhaftung. In der R. wurden die „langsamste Vorwärtsentwicklung und die unentwickelsten Formen einer neuen Gestaltung“ festgestellt (Hilde ➝Benjamin in „Neue Justiz“ 1951, S. 51). Mit der Justizreform wurde die Struktur der R. noch nicht geändert, obwohl in der SU seit 1929 und in den Satellitenstaaten seit 1948 bzw. 1950 die Rechtsanwälte in Kollektivs zusammengeschlossen sind. Man versuchte erfolglos, die Bildung von Anwaltskollektivs auf freiwilliger Basis herbeizuführen. Unter dem ständig zunehmenden Druck auf die R. stieg die Zahl der aus der SBZ flüchtenden Rechtsanwälte erheblich.

 

Am 15. 5. 1953 erging die „VO. über die Bildung von Kollegien der Rechtsanwälte“ (GBl. S. 725) mit einem „Musterstatut für die [S. 209]Kollegien der Rechtsanwälte“ als Anlage. „Als Offizialverteidiger und als beigeordneter Rechtsanwalt in Zivilprozessen kann nur ein Rechtsanwalt bestellt werden, der Mitglied eines Kollegiums der Rechtsanwälte ist“ (§ 3 der VO.). Die staatlichen Dienststellen und Institutionen sind angewiesen, „in allen Rechtsangelegenheiten, die die Mitwirkung eines Rechtsanwalts erfordern, nur Mitglieder der Kollegien der Rechtsanwälte zu beauftragen“ (§ 4 Abs. 1 der VO.). Freiberuflich tätige Rechtsanwälte werden nicht mehr neu zugelassen. Weil der Widerstand gegen die Kollegien innerhalb der R. zu stark war, wurden vielerorts Volksrichter aus dem Justizdienst entlassen und mit der Bildung und Leitung der Kollegien beauftragt. Auch ein Teil des akademisch ausgebildeten Nachwuchses (Rechtswissenschaft) wurde in die Anwaltskollegien gelenkt. Dadurch hat sich die Zahl der in der SBZ tätigen Anwälte, die schon auf etwa 600 herabgesunken war, wieder auf etwa 800 erhöht. Freiberuflich tätig sind davon ungefähr 450.

 

Literaturangaben

  • Rosenthal, Walther, Richard Lange, und Arwed Blomeyer: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1955. 160 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1956: S. 208–209


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.