DDR von A-Z, Band 1956

Sozialfürsorge (1956)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

[S. 237]Nach der VO. über S. für die Bevölkerung der SBZ vom 22. 4. 1947 („Arbeit und Sozialfürsorge“, S. 220), erlassen auf Grund des Befehls Nr. 92 der SMAD, wird S. für alle hilfsbedürftigen Personen, einschließlich der Personen, die keine Zahlungen aus der Sozialversicherung erhalten, gewährt. Als hilfsbedürftig im Sinne der S. wird angesehen, wer den notwendigen Lebensbedarf für sich und seine arbeitsunfähigen Familienangehörigen nicht verdienen kann und wer keine ausreichenden Mittel von anderer Seite erhält oder erhalten kann. Hilfeleistung aus den Mitteln der S. wird nicht gewährt in den Fällen, in denen der Hilfsbedürftige Einnahmen aus seinem Vermögen oder ihm eine Hilfeleistung in Höhe des für den betreffenden Ort festgesetzten Existenzminimums durch Dritte gewährt wird, die zum Unterhalt des Hilfsbedürftigen gesetzlich verpflichtet sind. Die S. wird durch die Referate Sozialfürsorge in den Abteilungen für ➝Arbeit und Berufsausbildung der Kreis- und Stadtverwaltungen gewährt. Die Aufsicht führt das Ministerium für Arbeit und Berufsausbildung, Hauptabt. Sozialwesen. Die Referate S. entscheiden über die Hilfsbedürftigkeit. Sie werden dabei von ständigen Kommissionen für Gesundheitswesen und S. unterstützt. Gegen die Ablehnung eines Antrages auf S. ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, das innerhalb von 2 Wochen beim Hauptreferat S. in der Abt. Arbeit und Berufsausbildung des Bezirkes eingelegt werden muß. Dieses hat über die Beschwerde innerhalb zweier Wochen zu entscheiden.

 

Die S. gliedert sich in den allgemeinen Rahmen der Arbeits- und Sozialpolitik ein, das heißt: auch sie wird dem Fünfjahrplan dienstbar gemacht: „Fünfjahrplan und S. stehen in engster Wechselbeziehung. Die erforderlichen Maßnahmen der S. werden bestimmt und weitestgehend beeinflußt vom Stand unserer demokratischen Wirtschaft. Wir können nicht einen Plan aufstellen, der die Zahl der Hilfsbedürftigen in der S. für die Plandauer um einen bestimmten Prozentsatz reduziert, aber wir müssen den Personenkreis der Hilfsbedürftigen in seiner Zusammensetzung dauernd nach Arbeitsfähigen und Arbeitsunfähigen überprüfen und kontrollieren, um sie den Organen für Arbeitskraftreserven in der Staatlichen Planung zur Kenntnis zu bringen“ („Arbeit und Sozialfürsorge“, S. 328/1951). Die S. ist daher nicht karitativ, sondern „produktiv“: „Sie unterscheidet sich grundsätzlich von dem Begriff der bisherigen Wohlfahrtspflege, indem sie sich zu einer produktiven Fürsorge entwickelt hat, deren erste Maßnahmen im Arbeitsamt beginnen. So stehen Berufsausbildung, Umschulung und der Arbeitsplatznachweis an vorderster Stelle fürsorgerischer Maßnahmen, die durch die Organe der Kreisverwaltungen angestrebt und durchgefünrt wurden“ („Arbeit und Sozialfürsorge“, Berlin Ost, S. 327) Die Barunterstützungen sind deshalb sehr gering und betragen für Hauptunterstützungsempfänger 55 DM Ost, für ihre erwachsenen Angehörigen 30 DM Ost, für ein Kind 32,50 DM Ost monatlich. Eine Mietbeihilfe kann je nach Ortsklasse und Zahl der Familienangehörigen im Betrag von 12 bis 30 DM Ost gewährt werden.

 

In einer Geheimanweisung vom 20. 12. 1952 wurde verboten, daß S.-Unterstützung an Personen gezahlt wird, die nicht invalide im Sinne der Sozialversicherung, also nicht, mindestens zu 66⅔ v. H. erwerbsbeschränkt sind. Selbst Frauen und Kindern sollte die Unterstützung entzogen werden. Auch nach Verkündung des Neuen Kurses wurde die Anweisung nicht aufgehoben. In der Praxis wurde sie indessen nicht so rigoros durchgeführt.

 

Das Referat S. betreut außer den Unterstützungsempfängern die Insassen von Alters-, Pflege- und Siechen- sowie Blindenheimen, für die ganz oder teilweise die Kosten der Heimaufnahme von den Angehörigen nicht getragen werden können. Die Bewohner der Heime erhalten neben Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung ein geringes monatliches Taschengeld. Auch die Betreuung der Haftentlassenen gehört zum Aufgabengebiet des Referats. Praktisch geschieht in dieser Beziehung sehr wenig. Die S. zahlt ferner an Arbeitslose Differenzbeträge bis zur Höhe der Fürsorgerichtsätze. (Arbeitslosenversicherung)

 

Literaturangaben

  • Haas, Gerhard, und Alfred Leutwein: Die rechtliche und soziale Lage der Arbeitnehmer in der Sowjetzone und in Ost-Berlin. 4., erw. Aufl. (BB) 1957. 312 S. m. 24 Anlagen.
  • Leutwein, Alfred: Die sozialen Leistungen in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1956. 296 S. m. 65 Anlagen.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1956: S. 237


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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