DDR von A-Z, Band 1956

Staatsanwaltschaft (1956)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Nach sowjetischem Vorbild selbständiges und seit 1952 unmittelbar dem Ministerrat unterstelltes Staatsorgan mit besonderen, über den engeren Justizbereich hinausgreifenden Aufgaben und Vollmachten. Nach dem „Gesetz über [S. 245]die St. der DDR“ (StAG) vom 23. 5. 1952 (GBl. S. 408) ist es Aufgabe der St., „die Aufsicht über die strikte Einhaltung der Gesetze und Verordnungen der DDR zu führen“ (§ 1, Abs. 2, StAG). „Diese Aufsicht erstreckt sich auf alle Ministerien, Ämter und ihnen unterstellte Dienststellen und Einrichtungen, auf Betriebe und ebenso auf alle Funktionäre des Staatsapparates und Bürger“ (§ 10, Ab. 2, StAG); diese Bestimmung deckt sich bezeichnenderweise fast wörtlich mit dem Art. 113 der Sowjetverfassung. Die St. führt das Ermittlungsverfahren in Strafsachen; ihr „obliegt die Aufsicht über alle Untersuchungen, die von den einzelnen Untersuchungsorganen durchgeführt werden“ (§ 17 StAG). Die St. erhebt die Anklage und vertritt sie vor Gericht. Sie ist zur „Wahrung der demokratischen Gesetzlichkeit berechtigt, in jedem Zivilrechtsstreit und in jedem Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Einreichung von Schriftsätzen und durch Teilnahme an Gerichtsverhandlungen mitzuwirken“ (§ 20). Sie hat auch in Zivilsachen das Recht, die Kassation zu beantragen. Die St. überwacht die Strafvollstreckung und übt die Aufsicht über alle Haft- und Strafvollzugsanstalten (Strafvollzug) aus. Sie wirkt im Begnadigungsverfahren (Gnadenrecht) mit und führt das Strafregister. — Die St. wird von dem Generalstaatsanwalt der „DDR“ geleitet, dem in den Bezirken der Staatsanwalt des Bezirkes (Bezirksstaatsanwalt) und in den Kreisen der Staatsanwalt des Kreises (Kreisstaatsanwalt) unterstehen. Jede dieser St. gliedert sich in fünf Abteilungen: I — politische Sachen, II — Wirtschaftsstrafsachen, III — sonstige Kriminalität, IV — Zivilsachen, V — Allgemeine Aufsicht (über die Einhaltung der Gesetzlichkeit und Bearbeitung von Beschwerden). Sämtliche Staatsanwälte sind den Weisungen des Generalstaatsanwaltes unterworfen; er ernennt und entläßt alle Staatsanwälte. Bereits Ende 1953 waren mehr als 98 v. H. aller Staatsanwaltsstellen mit der SED angehörenden Absolventen von Volksrichter-Lehrgängen besetzt. Generalstaatsanwalt der „DDR“ ist seit Schaffung dieses Amtes Melsheimer (SED).

 

Die St. war in den Ländern der SBZ nach dem Zusammenbruch 1945 hinsichtlich Organisation und Zuständigkeit zunächst im wesentlichen in der herkömmlichen Weise wiederaufgebaut worden; der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht (1951–1952 Landesstaatsanwalt) als höchstes Strafverfolgungsorgan des Landes unterstand dem jeweiligen Justizminister. Nach Errichtung der „DDR“ wurde durch Gesetz vom 8. 12. 1949 (GBl. S. 111) außer dem Obersten Gericht auch eine Oberste Staatsanwaltschaft geschaffen, deren durch die Volkskammer zu wählender Leiter als „Generalstaatsanwalt der DDR“ Weisungsbefugnis gegenüber den Staatsanwälten der Länder erhielt. Durch die in Widerspruch zu Art. 131 Abs. 1 der Verfassung stehende „VO. über Maßnahmen zur Vereinfachung der Justiz“ vom 27. 9. 1951 (GBl. S. 877) wurde die St. unter der Leitung des Generalstaatsanwaltes der „DDR“ ein in seiner „Organisation und Tätigkeit selbständiges Organ der Justiz“ (§ 1). Mit dem StAG fand die Herauslösung der St. aus der Justiz 1952 ihren Abschluß; seither entsprechen Organisation und Aufgaben der St. im wesentlichen dem sowjetischen Vorbild. (Rechtswesen, Gerichtsverfassung, Strafverfahren)

 

Literaturangaben

  • Hellbeck, Hanspeter: Die Staatsanwaltschaft in der sowjetischen Besatzungszone. 2., erw. Aufl. (BMG) 1955. 104 S. m. 7 Anlagen.
  • Rosenthal, Walther, Richard Lange, und Arwed Blomeyer: Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone. 3., erw. Aufl. (BB) 1955. 160 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1956: S. 244–245


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.