DDR von A-Z, Band 1956

Außenpolitik (1956)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Von einer A. der SBZ kann erst seit Errichtung der „DDR“ (7. 10. 1949) gesprochen werden. Innerhalb der Richtlinien der Verfassung soll der Außenminister die auswärtige Politik „selbständig unter eigener Verantwortung“ gegenüber der Volkskammer (Art. 98, 2 der Verfass.) leiten. Die A. der SBZ ist jedoch völlig nach der sowjetischen A. ausgerichtet und vollkommen von ihr abhängig. Die SBZ unterhält diplomatische Beziehungen nur zu den Staaten des Ostblocks, und ihre Botschafter und Gesandten haben im wesentlichen nur repräsentative Pflichten. Wie im gesamten Ostblock, besteht auch in der SBZ eine Zweigleisigkeit der A., da unabhängig vom Außenministerium und über dieses hinweg die SED (Abt. Internationale Verbindungen im ZK der SED) mit den kommun. Parteien der Oststaaten auch über außenpolitische Fragen verhandelt.

 

[S. 33]Die enge außenpolitische Bindung an den Ostblock hat ihren Niederschlag in einer Reihe von Verträgen mit der SU und den Volksdemokratien gefunden. Die wichtigsten dieser Verträge sind: 1. die Abkommen mit Polen vom 6. 6. und 6. 7. 1950; sie gliedern sich in einen Vertrag über technisch-wissenschaftliche und über kulturelle Zusammenarbeit sowie das Grenzabkommen (Oder-Neiße-Linie), 2. der Vertrag mit der Tschechoslowakei vom 23. 6. 1950, der bestätigte, „daß es zwischen beiden Staaten keine Streitigkeiten und offene Fragen gibt“, und daß die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei „unabänderlich, gerecht und endgültig“ sei. Sämtliche Abkommen wurden durch Wirtschaftsverträge ergänzt (Außenhandel). Mit der Teilnahme der Regierung der SBZ an der Prager Konferenz der Ostblockstaaten, deren Ergebnisse in den sog. „Prager Beschlüssen“ vom 21. 10. 1950 niedergelegt sind, ist die außenpolitische Einbeziehung der SBZ in den Ostblock auch formell beendet (wichtigster Inhalt der Prager Beschlüsse: Die Deutschland-Beschlüsse der New-Yorker Außenministerkonferenz der drei Westmächte vom 19. 9. 1950 werden für rechtswidrig und international ungültig erklärt). Praktisch sind alle außenpolitischen Beziehungen der SBZ nur im Rahmen der sowjetischen Besatzungspolitik zu werten, obwohl die SU die „DDR“ (seit 25. 3. 1954) der Form nach als „souveränen Staat“ bezeichnet.

 

Die Prager Konferenz von Vertretern der undemokratisch gewählten Einlisten-Parlamente Polens, der Tschechoslowakei und der „DDR“ (Dez. 1954) verstärkte die Abhängigkeit der SBZ vom Sowjetlager, indem sie gemeinsame Rüstungsvorkehrungen gegen die westeuropäische Abwehrorganisation beschloß. Nur eine formale Geste war es, als die SU den Kriegszustand mit Deutschland für beendet erklärte (25. 1. 1955) und Polen, die Tschechoslowakei u. a. „Volksdemokratien“ diesem Beispiel folgten. Am 14. 5. 1955 schlossen die Staaten des Sowjetblockes, zu denen als 8. Staat die SBZ herangezogen war, in Warschau einen Beistands- und Rüstungspakt (Warschauer Beistandspakt) gegen die Abwehrbemühungen der nichtkommun. Staaten Europas und unterstellten sich auch offen dem Oberbefehl eines Sowjetmarschalls (Konjew). Um die Empfindlichkeit der Westmächte zu schonen, und weil die SU an der Zuverlässigkeit der Waffenträger der SBZ zweifelte, wurde die „DDR“ — zum Bedauern der SED — noch nicht offen in die im engeren Sinne militärischen Abmachungen einbezogen. Dies wurde am 28. 1. 1956 nachgeholt. Damit sollte die „DDR“ noch fester an das Sowjetlager gebunden werden, sollte der Wiedervereinigung ein weiterer Stein in den Weg gelegt werden.

 

Der Moskauer Vertrag zwischen der SU und der „DDR“ (20. 9. 1955) bestätigte die „Souveränität“ der DDR und erklärte, die sowjetzonale Republik sei „frei in der Entscheidung über Fragen ihrer Innenpolitik und Außenpolitik“. Diese formelle Anerkennung wurde ergänzt durch die Zusicherung der gegenseitigen Hilfe, der Zusammenarbeit und des Ausbaues der „wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen und kulturellen Verbindungen“. Die Besetzung der SBZ wurde als „zeitweilig … mit Zustimmung der Regierung der DDR“ bezeichnet. Damit wollte die SU 1. die Stellung der SED stärken; 2. im Hinblick auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der SU und der Bundesrepublik (13. 9. 1955) die „DDR“ als gleichberechtigten Verhandlungspartner gegenüber der Bundesrepublik hinstellen; 3. in Bezug auf die „entspannende“ Konferenz der Regierungschefs in Genf (August 1955) der „DDR“ eine internationale souveräne Rolle zu spielen. — Um die Finanz- und Wirtschaftsnot der „DDR“ zu beheben und um sie wettbewerbsfähig gegen die Bundesrepublik zu machen, erließ ihr die SU am 17. 7. 1956 die Hälfte der Besatzungskosten und gewährte ihr beträchtliche Kredite. Zugleich wollte die SU mit diesem Abkommen den Eindruck erwecken, als ob sie die „DDR“ als gleichberechtigten Verbündeten betrachte. Wie auf allen internationalen Konferenzen seit 1954 betonte die Regierung der SU auch bei dieser Gelegenheit, die „DDR“ habe den Anspruch darauf, unberührt von gesamtdeutschen Wahlen und bereits vor solchen, als rechtmäßiger und gleichberechtigter deutscher Teilstaat anerkannt zu werden und paritätisch mit der Bundesrepublik eine Wiedervereinigung auszuhandeln. — Die „DDR“ war und ist ständig bemüht, auch mit nichtkommun. Staaten Handelsabkommen abzuschließen, um auf diesem Wege allmählich auch als souveräner diplomatischer Partner anerkannt zu werden.

 

Literaturangaben

  • : Die Bemühungen der Bundesrepublik um Wiederherstellung der Einheit Deutschlands durch gesamtdeutsche Wahlen. Dokumente und Akten, 4., erw. Aufl., Bonn 1953. 153 S. Desgl. Neue Folge, Bonn Juli 1955. 204 S. Je eine englische und eine französische Ausgabe in einem Bande enthält die in den beiden deutschen Sammlungen zusammengestellten Dokumente und Akten bis Januar 1954.
  • Duhnke, Horst: Stalinismus in Deutschland — Die Geschichte der sowjetischen Besatzungszone (Rote Weißbücher 15). Köln 1955, Kiepenheuer und Witsch. 378 S.
  • Erfurt, Werner: Die sowjetrussische Deutschlandpolitik 1945 bis 1955. Eßlingen 1956, Bechtle. 129 S.
  • Lukas, Richard: 10 Jahre sowjetische Besatzungszone … Mainz 1955, Deutscher Fachschriften-Verlag. 215 S.
  • Meissner, Boris: Rußland, die Westmächte und Deutschland. Die sowjetische Deutschlandpolitik 1943–1953. Hamburg 1953, Nölke. 375 S.
  • Chronologische Materialien zur Geschichte der SED 1945 bis 1956. Berlin 1956, Informationsbüro West. DIN A4, 640 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1956: S. 32–33


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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