DDR von A-Z, Band 1956

Eherecht (1956)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Nach der Verfassung sind Mann und Frau gleichberechtigt. Alle entgegenstehenden Bestimmungen sind aufgehoben (Art. 7, Abs. 2; Art. 30, Abs. 2). Aufgehoben ist auch wie alle übrigen Kontrollratsgesetze das Ehegesetz vom 20. 2. 1946 (Gesetz Nr. 16) durch den der Delegation der Sowjetzonen-Regierung am 19. 9. 1955 verkündeten Beschluß der Sowjetregierung.

 

Das bereits 1954 im Entwurf fertiggestellte neue Familiengesetzbuch ist mit Ausnahme der durch die „Verordnung über Eheschließung und Eheauflösung“ vom 24. 11. 1955 (GBl. S. 849) in Kraft gesetzten Bestimmungen über die Voraussetzungen der Eheschließung und die Auflösung der Ehe noch nicht Gesetz geworden. Die nur 21 Paragraphen umfassende VO. vom 24. 11. 1955 befaßt sich im wesentlichen mit der Ehescheidung und deren Folgen. Eine Scheidung ist nur noch möglich, wenn „ernstliche Gründe hierfür vorliegen und die Ehe ihren Sinn für die Eheleute, für die Kinder und für die Gesellschaft verloren hat“. Hierbei ist zu beachten, daß eine Ehe, die für die Gesellschaft wertlos geworden ist, auch keinen Sinn mehr für die Eheleute und und die Kinder haben kann.

 

Weitere besondere Scheidungsgründe gibt es ebensowenig wie einen Schuldausspruch im Scheidungsurteil. Damit entfallen sämtliche an das Verschulden geknüpfte Rechtsfolgen, insbesondere hinsichtlich des Sorgerechts für die Kinder und des Unterhalts der geschiedenen Ehegatten. Ein Unterhaltungsanspruch besteht grundsätzlich nur für eine Übergangszeit von zwei Jahren und nur dann, wenn ein Ehegatte außerstande ist, seinen Unterhalt aus seinen eigenen Arbeitseinkünften oder aus sonstigen Mit[S. 68]teln selbst zu bestreiten. Nur in Ausnahmefällen kann das Gericht in Durchbrechung des auch für die bestehende Ehe geltenden Grundsatzes, daß jeder arbeitsfähige Mensch seinen Unterhalt durch eigene Arbeit verdienen soll, eine Fortdauer der Unterhaltszahlung anordnen.

 

Die noch nicht ausdrücklich in Kraft gesetzten sonstigen Rechtsgrundsätze des neuen Familiengesetzbuches sind in dem Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau vom 27. 9. 1950 (GBl. S. 1037) und den bereits im November 1951 von einer Kommission aus Vertretern des Justizministeriums, des Obersten Gerichts und der Obersten Staatsanwaltschaft für die Behandlung von Familienrechtsstreitigkeiten aufgestellten Richtlinien enthalten. Sie werden von den Gerichten als geltendes Recht angewendet. Sie beseitigen das Entscheidungsrechts des Ehemannes in allen die Frau oder das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten. So darf eine Frau durch die Eheschließung nicht gehindert werden, einen Beruf auszuüben und ihrer gesellschaftlichen und politischen Fortbildung nachzugehen, auch wenn hierdurch eine zeitweilige örtliche Trennung der Eheleute bedingt wird. Die Behinderung der gesellschaftspolitischen Tätigkeit galt demgemäß bisher als eine schwere Eheverfehlung (Oberstes Gericht, Urteil vom 13. 4. 1953). Als Eheverfehlungen können außerdem Kriegsgefangenschaft, politische Haft oder Republikflucht des Ehegatten angesehen werden. Daran ist im Grundsatz durch die VO. vom 24. 11. 1955 nichts geändert worden. Die bisherigen „Eheverfehlungen“ heißen seitdem „ernstliche Gründe, die der Ehe den Sinn für die Gesellschaft genommen haben“.

 

Die gesetzlichen und vertragsgemäßen Güterstände sind entsprechend den obenerwähnten Richtlinien durch die Verfassung außer Kraft gesetzt worden. Sämtliche Ehegatten leben in Gütertrennung. Nach dem Entwurf des Familiengesetzes wird das von den Ehegatten nach der Eheschließung durch Arbeit erworbene Vermögen gemeinsames Eigentum der Ehegatten. Das übrige Vermögen unterliegt der freien Verwaltung und Verfügung jedes Ehegatten. Sonstige Vereinbarungen vermögensrechtlicher Art sind zulässig. Sie sind jedoch nichtig, wenn sie gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau verstoßen. Der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Vermögens der Frau durch den Ehemann ist ausdrücklich verboten.

 

Die Zuständigkeit in Ehesachen ist durch VO. vom 21. 12. 1948 (ZVBl. S. 588) am 1. 4. 1949 den Amtsgerichten übertragen worden, an deren Stelle seit Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 2. 10. 1952 die Kreisgerichte getreten sind (Gerichtsverfassung).

 

Die örtliche Zuständigkeit richtet sich unter Berücksichtigung der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach § 606 ZPO. An die Stelle eines hiernach etwa zuständigen westdeutschen oder Westberliner Gerichts tritt jedoch nach der Rundverfügung Nr. 76/52 des Ministers der Justiz vom 9. 7. 1952 das sowjetzonale Kreisgericht, in dessen Bezirk der klagende Ehegatte seinen ständigen Aufenthalt hat. (Familienrecht)

 

Das Verfahren in Ehesachen ist durch die Anordnung zur Anpassung der Vorschriften über das Verfahren in Ehesachen an die VO. über Eheschließung und Eheauflösung — Eheverfahrensordnung — vom 7. 2. 1956 (GBl. S. 145) unter Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen der ZPO neu geregelt worden. In allen Scheidungssachen ist eine vorbereitende Verhandlung „zur Aussöhnung und Erziehung der Parteien“ durchzuführen. Erst in einem zweiten Termin darf in das streitige Verfahren eingetreten und eine Entscheidung getroffen werden. Die Verhandlung in Ehesachen ist öffentlich. Gleichzeitig mit dem Scheidungsverfahren sind das elterliche Sorgerecht und der Unterhalt der Kinder und der Ehegatten zu regeln.

 

Literaturangaben

  • Hagemeyer, Maria: Zum Familienrecht der Sowjetzone — Der „Entwurf des Familiengesetzbuches“ und die „Verordnung über die Eheschließung und Eheauflösung“. 2., überarb. Aufl., Bonn 1956. 71 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1956: S. 67–68


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.