DDR von A-Z, Band 1956

Eigentum (1956)

 

 

Siehe auch die Jahre 1954 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Einen einheitlichen Eigentumsbegriff gibt es nicht mehr. Man unterscheidet zwischen drei Eigentumsformen: Volkseigentum, genossenschaftliches E. und privates E.

 

Das „Volkseigentum“ und seine Übergangsform, das genossenschaftliche E., genießen als gesellschaftliches E. besondere Förderung und erhöhten Schutz. Das Gesetz zum Schutze des ➝Volkseigentums droht für Delikte, die gegen das staatliche und genossenschaftliche E. gerichtet sind, Zuchthausstrafen von 1–25 Jahren an. Nach Art. 28 der Verfassung bedarf die Veräußerung und Belastung von Grundbesitz, Produktionsstätten und Beteiligungen, die sich im E. des Volkes befinden, der Zustimmung der für ihren Rechtsträger zuständigen Volksvertretung. Eine derartige generelle Genehmigung für den Verkauf „volkseigener“ Eigenheime und Siedlungshäuser ist durch ein entsprechendes Gesetz vom 15. 9. 1954 (GBl. S. 784) erteilt worden.

 

[S. 69]Das private E. war mehreren Enteignungsaktionen ausgesetzt. Den Anfang bildete der Befehl Nr. 124 der SMAD über die Enteignung von „Kriegsverbrechern und Nazi-Aktivisten“ (Sequesterbefehl). Die Durchführung dieses Befehls sollte eine politische Reinigungsaktion darstellen und konnte nur als solche gerechtfertigt sein. In Wirklichkeit wurde die erste Sozialisierungsaktion in großem Stil durchgeführt. Der Befehl Nr. 64 der SMAD vom 17. 4. 1948 erklärte die Enteignung auf Grund des Befehls Nr. 124 für beendet. Etwa 40 v. H. der gesamten Industrieproduktion der SBZ war durch diesen Befehl in „Volkseigentum“ übergeführt worden. Rechtsmittel gegen Enteignungen und sonstige Maßnahmen zur Wiederaufnahme von Sequesterverfahren waren nach dem Befehl Nr. 64 nicht mehr zulässig. Da bei Erlaß dieses Befehls über die meisten Einsprüche noch nicht verhandelt war, hatte diese Bestimmung zur Folge, daß in nahezu allen Enteignungsfällen die Einwendungen der enteigneten Eigentümer unbeachtet blieben. Die nächste Enteignungswelle wurde durch den Befehl Nr. 201 der SMAD eingeleitet, wonach Strafverfahren gegen angebliche Naziverbrecher durchgeführt werden konnten. Hier war es in jedem Fall möglich, durch Strafurteil auf Vermögensentzug zu erkennen.

 

Durch die bereits 1945 eingeleitete Bodenreform wurden alle landwirtschaftlichen Betriebe über 100 ha enteignet.

 

Die Verfassung garantiert zwar in Art. 22, Abs. 1, das E., höhlt jedoch den Eigentumsbegriff in den folgenden Bestimmungen aus. So sind Beschränkungen des E. und Enteignungen nach Art. 23 „zum Wohle der Allgemeinheit“ zulässig. Sie sollen gegen angemessene Entschädigung erfolgen, soweit nicht anderes bestimmt ist. Der Mißbrauch des E. hat nach Art. 24 grundsätzlich entschädigungslose Enteignung und Überführung in das E. des Volkes zur Folge. Private wirtschaftliche Unternehmen, „die für die Vergesellschaftung geeignet sind“, können enteignet werden. Alle Bodenschätze, Naturkräfte, Bergwerke sowie die Betriebe der Eisen- und Stahlerzeugung und der Energiewirtschaft sind in „Volkseigentum“ zu übernehmen (Art. 27 und 25).

 

Die entschädigungslose Enteignung im Strafverfahren — Vermögenseinziehung — kann praktisch in allen politischen und Wirtschaftsstrafverfahren ausgesprochen werden. Neben dem Friedensschutzgesetz lassen die Wirtschaftsstrafverordnung, das Gesetz zum Schutz des ➝innerdeutschen Handels und das Gesetz zum Schutz des „Volkseigentums“ die Vermögenseinziehung als Strafe zu.

 

Nach § 16 der Wirtschaftsstrafverordnung können auch „Gegenstände, auf die sich die strafbare Handlung bezieht“, ohne Rücksicht auf Eigentumsverhältnisse oder sonstige Rechte Dritter eingezogen werden. Von dieser Möglichkeit wird weitgehend Gebrauch gemacht.

 

Literaturangaben

  • Die Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone und die Verwaltung des Vermögens von nicht in der Sowjetzone ansässigen Personen. Bonn 1955. 240 S. m. 57 Anlagen.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1956: S. 68–69


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.