DDR von A-Z, Band 1956

Militärgerichtsbarkeit (1956)

 

 

Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Die Volkspolizei verfügte bis zum Jahre 1954 über keine eigene Gerichtsbarkeit. Verurteilungen von Volkspolizisten wegen krimineller oder politischer Delikte erfolgten durch die ordentlichen Gerichte, allerdings sehr bald unter Ausschluß der Öffentlichkeit. 1953 wurde bei der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei und bei der Kasernierten Volkspolizei die Stellung von VP-Staatsanwälten eingerichtet, die ihren Sitz bei den Bezirksbehörden der Volkspolizei oder bei den Divisionsstäben der VP hatten. Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der Volkspolizei mußten nach diesem Befehl an die VP-Staatsanwälte abgegeben werden. Die Anklageerhebung erfolgte aber noch vor den ordentlichen Gerichten.

 

Vom 12. 7. 1954 bis zum 30. 4. 1955 fand in der Politschule der Kasernierten Volkspolizei in Ostberlin ein „Juristen-Lehrgang“ statt, welchen 71 Teilnehmer aus allen Sparten der Volkspolizei absolvierten. In diesem Lehrgang wurden die Teilnehmer zu Richtern, Staatsanwälten, Untersuchungsführern und evtl. Verteidigern für die neue Gerichtsbarkeit der Volkspolizei ausgebildet. Diese Gerichtsbarkeit untersteht jetzt dem ehemaligen Oberstaatsanwalt von Ostberlin, VP-Oberstaatsanwalt Max Berger, der in dieser Eigenschaft den Rang eines VP-Oberst bekleidet. Seitdem sind die Angehörigen der Volkspolizei einschließlich der des Ministeriums für Staatssicherheit (SSD) nicht mehr der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterworfen, sondern ausschließlich der neuen M. der Volkspolizei. Ein Militärstrafgesetzbuch besteht noch nicht. Die Verhandlungen vollziehen sich noch auf der Grundlage des allgemeinen Strafgesetzbuchs und der Strafprozeßordnung sowie der Disziplinarvorschriften der Volkspolizei. Sämtliche Angelegenheiten dieser M. und der von ihr zur Durchführung gelangenden Verfahren gelten als streng geheim und werden mit keinem Wort in der Öffentlichkeit erwähnt. Seit Errichtung der Nationalen ➝Volksarmee ist eine grundsätzliche Änderung der M. nicht bekanntgeworden.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1956: S. 175


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.