
Filmwesen (1958)
Siehe auch:
In einer Programmerklärung des Ministeriums für ➝Kultur vorn Nov 1954 wurde gefordert, daß die Filmproduktion in der SBZ den „Erfordernissen des Kampfes für Frieden und Freundschaft“, der „friedlichen Lösung der nationalen Schicksalsfragen unseres Volkes und der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus“ zu dienen und das Gesicht „dem neuen Leben in der DDR“ zuzuwenden habe. Diese Formulierungen besagen, daß der Film als eines der Hauptinstrumente der Bewußtseinsbildung, der Agitation und Propaganda betrachtet und behandelt wird. In diesem Sinne soll er allerdings auch den Bedürfnissen der Bevölkerung nach Unterhaltung, Spannung und Humor Rechnung tragen, deren Befriedigung heute als eine Voraussetzung verstärkter Arbeitsproduktivität gewertet wird.
Die Lenkung des gesamten F. liegt seit Januar 1954 bei der Hauptverwaltung Film des Ministeriums für Kultur. Filmproduktion, -vertrieb, -export und -import sind straff zentralisiert. Das Produktionsmonopol liegt bei der Deutschen Film GmbH. (DEFA), das Verleihmonopol beim VEB Progress-Film-Vertrieb, die Einfuhr westlicher Filme in der Hand der Sovexportfilm AG., die auch an [S. 99]der Progressfilm maßgebend beteiligt war. — Die meisten Lichtspieltheater wurden entschädigungslos enteignet; 1956 gab es rd. 1.400 „volkseigene“ (zusammengefaßt zum kleineren Teil im VEB Filmtheater, zum weitaus größeren in den sogenannten Volkseigenen Kreislichtspielbetrieben) und nur noch 127 private Filmtheater einschließlich Ostberlins). Das Landfilmwesen wird mit Nachdruck ausgebaut; 1956 sollen 8.600 „Spielstellen“ auf dem Lande mindestens einmal in der Woche gespielt haben. 1956 wurden insgesamt 386 Millionen Kinobesucher gezählt, denen 19 DEFA-Filme, 23 Filme aus der UdSSR, 25 aus den Volksdemokratien und 40 aus westlichen Ländern geboten wurden. Das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums und die Rentabilität der Theater sind nach wie vor auf den Import vor allem westlicher Filme angewiesen; die Lage der sowjetzonalen Produktion zwischen den ideologischen Anforderungen auf der einen Seite und dem Auftrag das Publikum zu unterhalten und die Theater zu füllen, auf der anderen ist ausweglos und ein Anlaß zu immer wiederkehrenden Krisen und Auseinandersetzungen. Im Sinne der agitatorischen Wirkung des Films, deren sich besonders die Filmaktivs annehmen, treten an die Stelle des Kinos vielfach die betrieblichen ➝Kulturstätten; die neuesten Spielfilme sollen sogar dort zuerst gezeigt werden. Westdeutsche Schauspieler werden von der DEFA häufig herangezogen, zu der erstrebten „Koproduktion“ mit westdeutschen Produzenten ist es aber bisher noch nicht gekommen. — Als wesentliches Mittel kommunistischer Agitation und Propaganda werden neben der Wochenschau „Der Augenzeuge“ auch Dokumentarfilme eingesetzt. Obschon nicht wenige Filme sowjetzonaler Produktion zum Vertrieb in der Bundesrepublik zugelassen werden, hat das Publikum nur selten Gelegenheit, solche zu sehen, da die zugelassenen Spielfilme westdeutschen Ansprüchen meist nicht genügen. Dem angestrebten Export in die Länder des Westens stehen ebenfalls die tendenziösen Einschläge selbst bei scheinbar unpolitischen Themen entgegen.
Literaturangaben
- Kersten, Heinz: Das Filmwesen in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1954. 139 S. m. 2 Anlagen und Nachtrag.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1958: S. 98–99