DDR von A-Z, Band 1958

Theaterwesen (1958)

 

 

Siehe auch:


 

Das Theater der SBZ ist „gesellschaftliche“, d. h. politische Anstalt; seine Spielpläne „müssen … im Sinne unserer sozialistischen Kulturpolitik gestaltet werden“ (Alexander ➝Abusch auf der Kulturkonferenz der SED im Okt. 1957). Gleich allen kulturellen Institutionen, die der „Bewußtseinsbildung“ dienen können, genießt das Th. intensive Aufmerksamkeit, materielle Förderung, ideologische Anleitung und Kontrolle von Partei und Staat. Privatbühnen gibt es seit 1953 nicht mehr. Das gesamte Th. untersteht der Hauptabt. „Darstellende Kunst“ des Ministeriums für ➝Kultur, die die Subventionen austeilt und die Intendanten einsetzt. Diese sind in der Spielplangestaltung an sich frei, müssen sich aber nicht nur von den Besucherräten, sondern vielfach auch von unteren Parteiorganisationen hineinreden lassen, und ein „statistisch auswertbares Höchstmaß an Ideologie“ („Neues Deutschland“, 1. 1. 1956) wie auch an finanzieller Planerfüllung werden erwartet. Damit gerät die Spielplanpolitik in die Schere zwischen Agitationsdramatik vor leeren Sälen einerseits, relativ risikolosen Rückgriffen auf das klassische Erbe (kulturelles Erbe) oder kassenfüllender Unterhaltung andererseits. Von 43 Stücken, die in der Spielzeit 1955/56 ur- und erstaufgeführt wurden, erlebte keines die Annahme an einer zweiten Bühne. In der gleichen Spielzeit hatten 49 von den insgesamt (1956) 87 Theatern zur Aufführung vorgesehen: 116 Klassiker (einschl. der Slawen), 44 Stücke des „kritischen Realismus“, 75 Stücke aus der SBZ, 50 aus der SU und den Volksdemokratien, 40 aus der Bundesrepublik und dem westlichen Ausland. Die Qualität des Theaters leidet notwendigerweise unter seiner ideologischen Gängelung und der „gesellschaftlichen“ Beanspruchung der Schauspieler. Einige größere Bühnen weisen jedoch Leistungen auf, die auch in der Bundesrepublik und im westlichen Ausland mit Erfolg gezeigt werden konnten.

 

Für die Nachwuchsbildung bestehen eine Theater-Hochschule in Leipzig und eine Schauspielschule in Berlin; Dramaturgen soll das Institut für Literatur in Leipzig ausbilden.

 

Die alte „Volksbühne“ mußte einer neuen Anrechts-Organisation Platz machen. Anrechte und Einzelkarten werden vorwiegend durch die Betriebe und Massenorganisationen abgesetzt; die dadurch bewirkte Umschichtung des Theaterpublikums erfüllte jedoch nicht ganz ihren Zweck; da unpolitisches Theater bevorzugt wird, gibt es in der SBZ das Phänomen des zwar ausverkauften, aber nicht voll besetzten Theaters. Besucherräte (als Vertretungen der „Anrechtler“), Theaterzirkel und Zuschauerkonferenzen sollen sowohl das Publikum wie auch die Bühnenschaffenden politisch erziehen und die Theater füllen helfen. Der Staatshaushalt weist für 1956 Ausgaben von rd. 169 Mill. DM Ost für das Th. aus.

 

Zeitschriften: „Theater der Zeit“, Informationsblatt „Theaterdienst“. (Kulturpolitik, Literatur, Kulturelle Massenarbeit, Volkskunst, Kabarett, Agitprop-Trupps)

 

Literaturangaben

  • Weber, Jochen: Das Theater in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1955. 144 S. m. 20 Anlagen.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1958: S. 309


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.