Kohlenindustrie (1958)
Siehe auch:
- Kohleindustrie: 1979
a) Steinkohle. Die SBZ verfügt gegenüber der Bundesrepublik nur über geringe Steinkohlenvorkommen. Die erschlossenen und gewinnbaren Vorräte sind für Ende 1955 auf etwa 37 Mill. t geschätzt worden. Bei dem bisherigen Abbauumfang reichen die Vorräte nur noch für etwa 12 Jahre aus. Falls es gelingt, vermutete Vorräte zu erschließen, könnten weitere 30 Mill. t gefördert werden. Auf alle Fälle werden innerhalb von etwa 25 Jahren alle St.-Vorräte der Zone erschöpft sein. Der erste Fünfjahrplan sah eine Fördersteigerung bei St. auf jährlich 3,8 Mill. t vor. Dieses Ziel war wegen der Abbauverhältnisse nicht erreichbar. Tatsächlich sind 1955 nur 2,6 Mill. t, 1956 und 1957 nur je 2,7 Mill. t gefördert worden.
Diese Eigenförderung der SBZ deckt nicht einmal ein Drittel des Bedarfs. Zur Versorgung der Industriebetriebe, die nicht auf Braunkohle ausweichen können (z. B. Eisen- und Stahlwerke, Werke der Baustoff- und der chemischen Industrie, ferner die Gaswerke), sind deshalb Einfuhren an Steinkohle oder Steinkohlenkoks erforderlich. In den letzten Jahren wurden jährlich etwa 7–8 Mill. t importiert. Zur Verminderung der Einfuhrabhängigkeit bei Steinkohlenkoks für metallurgische Zwecke wurde in Lauchhammer bei Riesa eine Großkokerei errichtet, in der nach neuartigem Verfahren Braunkohlenhartkoks erzeugt wird. Dieser Hartkoks ist jedoch bisher nur als Beimischung zu Steinkohlenkoks verwendbar. Die Versuche zur Verbesserung dieses Hartkokses sind noch nicht abgeschlossen. Auch im Braunkohlenkombinat Schwarze Pumpe soll in großem Umfange Braunkoh[S. 161]lenhartkoks erzeugt werden. Lauchhammer und Schwarze Pumpe sollen im Jahre 1964 zusammen über 3 Mill. t Braunkohlenhartkoks erzeugen, womit eine fühlbare Minderung der Importabhängigkeit verbunden wäre, zumal der Heizwert dieses Kokses höher ist als der des Steinkohlenkokses.
b) Braunkohle. Das Gebiet der SBZ ist verhältnismäßig reich an Braunkohlenvorkommen. Die erschließbaren Vorräte werden auf 24 Milliarden t geschätzt, davon im Tagebau abbaubare Vorräte von 22 Milliarden t. 1938 entfielen zwei Drittel der deutschen Braunkohlenförderung auf das Gebiet der SBZ, 1956 war es mehr als die Hälfte. — Noch dem Einmarsch der Sowjetarmee begannen umfangreiche Demontagen (Reparationen). Sie betrugen im Braunkohlenbergbau annähernd 40 v. H., in den Brikettfabriken etwa 37 v. H. der Erzeugungskapazitäten. Der Wiederaufbau ging trotz größter Materialschwierigkeiten verhältnismäßig rasch vonstatten:
Das Ansteigen der Förderung ist wesentlich auch auf die Einführung der Sonntagsarbeit im Bergbau zurückzuführen.
Trotz beträchtlicher Braunkohlenförderung war das Gebiet der SBZ bereits vor 1945 Kohlenzuschußgebiet. Nach dem Zusammenbruch und der Spaltung Deutschlands erhöhte sich der Zuschußbedarf als Folge der Demontagen. Es ist zu berücksichtigen, daß in der SBZ 90 v. H. der Elektroenergie mangels anderer Primärenergieträger aus Braunkohle erzeugt werden müssen. Für viele Industriezweige ist Braunkohle unentbehrlicher Rohstoff. Da Steinkohlenzufuhren wegfielen, mußten Industrie und Reichsbahn sich weitgehend auf Braunkohle umstellen. Braunkohle gehört aber auch zu den attraktivsten Ausfuhrgütern der SBZ. Die Bundesrepublik und Westberlin beziehen im Interzonenhandel beträchtliche Mengen. Daher ist Braunkohle in der SBZ noch immer streng bewirtschaftet. An letzter Stelle in der Rangfolge der Belieferung steht der Bevölkerungsbedarf, der zu einem erheblichen Teil mit Braunkohlenabfällen und Torf nur unzulänglich abgedeckt wird. — Von sowjetzonalen Fachleuten wurde erklärt, daß die Entwicklung in der Kohlenindustrie der allgemeinen Bedarfssteigerung in der Industrie nicht zu folgen vermag. Die Energielücke vergrößert sich ständig. Es sei deshalb erforderlich, die Ausnutzung der Atomenergie in die Wege zu leiten. Bis Ende 1970 sollen neue Atomkraftwerke einen Teil der herkömmlichen Kraftwerke ersetzt haben. — Die Braunkohlenförderung wird indessen auch im zweiten Fünfjahrplan forciert. Bis 1960 ist gegenüber 1955 eine Fördersteigerung um 22 v. H. geplant (ursprünglich 50 v. H.). Neue Lagerstätten im Gebiet Senftenberg/Laus. werden erschlossen.
Literaturangaben
- *: Die Kohlenindustrie in der sowjetischen Zone. (BB) 1951. 39 S. m. 11 Tab. u. 1 Beilage.
- Karden, Erich: Der Bergbau in der sowjetischen Besatzungszone. (Mat.) 1954. 44 S. m. 13 Anlagen.
- *: Der Kohlenbergbau und die Energiewirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands im Jahre 1955 und nach der Planung 1956/60. (FB) 1957. 95 S. m. 5 Anlagen.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1958: S. 160–161