DDR von A-Z, Band 1958

Linse, Walter (1958)

 

 

Siehe auch die Jahre 1959 1960 1962 1963 1965 1966


 

* 23. 8. 1903 in Chemnitz als Sohn des Postsekretärs Max L. Juristische Ausbildung bis 1931, anschließend Amtsanwalt und Hilfsrichter beim AG. Leipzig bis 31. 12. 1933. Danach Rechtsanwalt in Chemnitz bis 1938, von Mai 1938 bis 31. 3. 1949 Referent und Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Chemnitz. Nach 1945 Mitglied der LDP und 1. Vors. des Bezirksverbandes Chemnitz dieser Partei; wegen Ablehnung der Blockpolitik im Herbst 1945 ausgetreten. Anfang April 1949 Flucht nach Westberlin, da Festnahme durch die politische Polizei (Abt. K 5 der Kripo) zu befürchten war. Von April 1949 – 31. 12. 1950 Syndikus in einem Westberliner [S. 194]Industrieunternehmen. Am 15. 1. 1951 Eintritt in den Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen, alsbald Leiter der Abt. Wirtschaftsrecht, wo Dr. L. vornehmlich die mit den rechtsstaatswidrigen Enteignungen in der SBZ zusammenhängenden Fragen bearbeitete.

 

Am 8. 7. 1952 wurde Dr. L. gegen 7.25 Uhr auf dem Wege zur Arbeitsstelle unweit seiner Wohnung in Berlin-Lichterfelde von beauftragten Agenten des Staatssicherheitsdienstes angesprochen, hinterrücks mit einem bis dahin versteckt gehaltenen Sandsack niedergeschlagen, in ein mit laufendem Motor bereitstehendes Auto gezerrt und in die SBZ verschleppt. Er erhielt dabei einen Schuß in das Bein. Auf Verfolger wurde geschossen, der sowjetzonale Schlagbaum für das Auto der Menschenräuber kurz geöffnet. Seitdem sind offizielle Verlautbarungen von sowjetischer oder sowjetzonaler Seite über das weitere Schicksal des Dr. L. nicht erfolgt. Die Sowjets erklärten auf einen scharfen westalliierten Protest, von der Angelegenheit nichts zu wissen und Dr. L. nicht in Gewahrsam zu haben.

 

Inoffiziell wurde bekannt, daß Dr. L. wenige Tage nach dieser sowjetischen Antwort den Sowjets vom SSD übergeben und dann längere Zeit im NKWD-Gefängnis Berlin-Karlshorst gefangengehalten wurde. Inzwischen entlassene politische Häftlinge sind dort zeitweise mit ihm zusammengetroffen. Im Sommer 1953 wurde Dr. L. in das sowjetische Militärgefängnis Berlin-Lichtenberg verlegt. Hier soll er zu einer 25jährigen Freiheitsstrafe verurteilt und anschließend in die Sowjetunion abtransportiert worden sein. Seitdem ist sein Schicksal ungewiß. (Menschenraub)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1958: S. 193–194


 

Die biographischen Angaben spiegeln den Kenntnisstand der Handbuchredaktion im Jahre 1958 wider.

Sie sind daher für allgemeine Informationszwecke als veraltet anzusehen und zudem häufig nicht fehlerfrei.

 

Für diesen Eintrag wird auf den Personeneintrag in der Rubrik BioLeX https://www.kommunismusgeschichte.de/biolex/article/detail/linse-walter verwiesen.


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.