DDR von A-Z, Band 1958

Thüringen (1958)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969


 

Land in der SBZ, wegen seines Waldreichtums und seiner Lage inmitten des Deutschen Reiches „das grüne Herz Deutschlands“ genannt, umfaßt seit 1944 auch den Reg.-Bez. Erfurt der preußischen Provinz Sachsen und den Kreis Schmalkalden der preußischen Provinz Hessen-Nassau; 15.598 qkm, 2,8 Mill. Einwohner (1950); Verfassung vom 20. 12. 1946, Hauptstadt Erfurt (bis 1948 Weimar); Landesfarben: Weiß-Rot; Wirtschaft: Kali-, Erdöl- und Braunkohlengewinnung, Metall-, Textil-, Papier-, Glas- und optische Industrie, Gemüse- und Gartenbau, Forstwirtschaft. — Landtag und Landesregierung im Sommer 1952 im Zuge der verfassungswidrigen Verwaltungsneugliederung unter gleichzeitiger Bildung der Bezirke Erfurt, Gera und Suhl aufgehoben; staatsrechtliche Stellung des Landes seither unklar.

 

Der seit dem Untergang des Königreichs Th. im 6. Jahrh. unter fränkischem Einfluß stehende thüringische Raum kam Anfang des 10. Jahrh. unter die Herrschaft der sächsischen Herzöge. Im 11. Jahrh. erkämpfte sich das Grafengeschlecht der Ludowinger die Vorherrschaft im Land; es erhielt 1130 die Landgrafenwürde. Nach deren Aussterben mit Heinrich Raspe 1247 kam Th. an die wettinischen Markgrafen von Meißen und späteren Kurfürsten von Sachsen. Bei der Landesteilung 1485 fiel der größere südliche Teil von Th. an die Ernestinische Linie der Wettiner, während die Albertiner das nördliche Th. erhielten, das sie [S. 317]1814 an Preußen verloren. Der Ernestinische Besitz war seit dem 16. Jh. mehrfach Teilungen und Vereinigungen unterworfen und zerfiel schließlich (seit 1826) in das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach und die Herzogtümer Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Altenburg und Sachsen-Meiningen, neben denen die Fürstentümer Reuß ältere und jüngere Linie sowie Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen bestanden. Der 1848/49 unternommene Versuch eines Zusammenschlusses der thüringischen Staaten scheiterte. 1866 traten die Staaten dem Norddeutschen Bund bei; seit 1871 gehörten sie zum Deutschen Reich. 1918 wurden sämtliche thüringischen Länder Freistaaten, die sich 1920 zum Land Th. zusammenschlossen (mit Ausnahme des Coburger Gebietes, das an Bayern kam). Nach 1933 verlor das Land im Zuge der sog. Reichsreform weitgehend seine Eigenstaatlichkeit; 1944 wurde der Reg.-Bez. Erfurt der preußischen Provinz Sachsen (unter Einbeziehung des Kreises Schmalkalden der preußischen Provinz Hessen-Nassau) dem Reichsstatthalter in Th. unterstellt. In den letzten Wochen des 2. Weltkrieges wurde das Land von amerikanischen Truppen besetzt; die US-Militärregierung errichtete die „Provinzialverwaltung für das Land Th.“ unter Regierungspräsident Dr. Hermann Brill (SPD), die sich auch auf die westlich der vorläufigen Demarkationslinie gelegenen sächsischen Gebietsteile erstreckte. Am 1. 7. 1945 fiel Th. auf Grund der alliierten Abkommen über die Zoneneinteilung an die Sowjets. Wenige Tage später befahl die SMAD die Errichtung der „Landesverwaltung Th.“ unter Präsident Dr. Rudolf Paul (LDP), der sie im Oktober 1945 ein beschränktes Gesetzgebungsrecht einräumte. Am 20. 10. 1946 fanden die ersten Landtagswahlen statt, bei denen trotz massivster sowjetischer Wahlbeeinflussung die SED nur 49,3 v. H. der abgegebenen Stimmen erhielt. Der Landtag bestätigte im Dezember 1946 die auf der Grundlage der Blockpolitik gebildete Landesregierung unter Ministerpräsident Dr. Rudolf Paul (SED) und beschloß die „Verfassung des Landes Th. vom 20. 12. 1946“, die am 23. 1. 1947 in Kraft trat. An Stelle des in die Westzonen geflüchteten Dr. Paul wurde im Oktober 1947 Eggerath (SED) Ministerpräsident. Seit Bildung der Sowjetzonen-Republik im Oktober 1949 ist Th. Land der „DDR“. Das dem Landtag am 25. 7. 1952 aufgezwungene „Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe im Land Th.“ beraubte das Land seiner staatsrechtlichen Handlungsfähigkeit.


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1958: S. 316–317


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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