DDR von A-Z, Band 1959

Moral, Sozialistische (1959)

 

 

Siehe auch:


 

Als Stück des ideologischen Überbaus (Marxismus-Leninismus) ist nach bolschewistischer Auffassung auch die Moral Ausdruck der Klassen[S. 245]interessen. Es gibt demnach kein absolut Gutes und kein absolut Böses. Die traditionellen sittlichen Auffassungen der abendländischen Welt werden als einseitiger Niederschlag der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung interpretiert. Demgegenüber soll die S. M. die Interessen der „werktätigen Massen“ zum Ausdruck bringen, die — wieder nach der bolschewistischen Theorie — in der Durchführung der sozialistischen Revolution unter Führung der bolschewistischen Partei gipfeln. „Alles, was notwendig ist, um die alte Gesellschaftsordnung der Ausbeuter zu vernichten und die Vereinigung des Proletariats herbeizuführen, ist moralisch“ (Lenin). Damit wird der als solcher schon in der Schule gepflegte Haß gegen die als „kapitalistisches Lager“ interpretierte westliche Welt ebenso wie die straff disziplinierte Unterordnung unter den Willen der Partei zur Grundlage der S. M. Doch hat der Begriff der S. M. in den letzten Jahren, seitdem Chruschtschow die neue Generallinie der Bolschewisten im Sinn des erbitterten wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes mit dem Westen festlegte (Koexistenz), einen bemerkenswerten Wandel durchgemacht. Als Hauptkriterium für S. M. gilt nunmehr die Einstellung zur Arbeit; und der Kampf der Partei um die Durchsetzung und Hebung der S. M. ist vor allem ein Kampf gegen die „kleinbürgerlichen“ Gewohnheiten, wie Eigenbrötelei, Individualismus, Ressortgeist, Gruppenegoismus. Demgegenüber soll die Bevölkerung zu einem Verhalten erzogen werden, das völlig am Kollektiv orientiert ist, auf maximale Produktionseffekte hinzielt und auf diese Weise das bolschewistische Lager weiter verstärken hilft. Die Frage der Gesinnung tritt mithin trotz des nach wie vor erbitterten Kampfes gegen die christliche Weltanschauung (Jugendweihe, Sozialistische ➝Namensgebung, Sozialistische ➝Eheschließung, Grabweihe) weitgehend hinter der des Nutzeffekts des Handelns und seiner Angepaßtheit an die praktischen Erfordernisse zurück. Dabei wird erstrebt, daß das Kollektiv — besonders am Arbeitsplatz — für die Wahrung der S. M. aller Mitglieder selbsterzieherisch sorgt. (Brigaden der sozialistischen Arbeit, Zehn Gebote der sozialistischen Moral)


 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Fünfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1959: S. 244–245


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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