DDR von A-Z, Band 1959

Sport (1959)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979 1985


 

Nach dem Zusammenbruch war jede sportliche Betätigung verboten. Die S.-Vereine wurden aufgelöst, das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und durch die S.-Dezernenten bei den Volksbildungsämtern der Kreise und Gemeinden verwaltet (Beschlagnahme). Am 1. 10. 1948 wurde durch den FDGB und die FDJ der Deutsche Sportausschuß (DSA) gebildet. Die sportliche Betätigung wurde immer mehr auf die neu gegründeten Betriebssportgemeinschaften (BSG) verlagert. Das „Gesetz über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik und die Förderung der Jugend in Schule und Beruf, bei S. und Erholung“ vom 8. 2. 1950 (GBl. S. 95) brachte einen weiteren Schritt zur Verstaatlichung des S. In Leipzig wurde die Hochschule für Körperkultur zur Ausbildung von Dozenten, S.-Lehrern und Trainern und zur Förderung der wissenschaftlichen Arbeit des S. errichtet.

 

Durch VO vom 24. 7. 1952 (GBl. S. 635) wurde das Staatliche Komitee für Körperkultur und S. gegründet. Die Präambel dieser VO läßt erkennen, welche Bedeutung dem S. für die Verwirklichung der politischen Ziele der SBZ zukommt:

 

„Die Regierung muß dafür sorgen, daß in der DDR gesunde, frohe, kräftige und willensstarke Menschen heranwachsen. Menschen, die ihre Heimat lieben, fest zur Regierung und ihrem Präsidenten stehen, die zur Ehre unseres Landes ihre sportliche Meisterschaft ständig erhöhen, treue und unverbrüchliche Freunde des großen Sowjetvolkes sind, die mit Willenskraft, Härte, Ausdauer und Mut alle Schwierigkeiten überwinden, die von unversöhnlichem Haß gegen alle Feinde des Friedens und des Fortschritts erfüllt sind und die die sozialistischen Errungenschaften unserer Werktätigen gegen alle Bedrohungen schützen und verteidigen.“

 

Das Komitee ist oberste staatliche Instanz auf allen Gebieten des S. Der Vorsitzende (Dr. Hans Schuster) ist Staatssekretär mit eigenem Geschäftsbereich. Er untersteht dem stellv. Ministerpräsidenten Ulbricht. Aufgabe des Komitees ist es, „die wissenschaftliche Grundlage für die Körperkultur und S.-Arbeit so zu entwickeln, daß diese Mittel der demokratischen Erziehung und der Stärkung der Gesundheit der Werktätigen sowie deren Vorbereitung zur Arbeit und zur Verteidigung der DDR bilden; die Erfahrungen der Sowjetunion auf dem Gebiete der Körperkultur und des S. für die DDR auszuwerten und allen Sportlern zugänglich zu machen; die Sportler zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu mobilisieren und zur Erfüllung der Aufgaben anzuhalten, die die Regierung der DDR ihnen stellt“.

 

Der Leistungs- und Wettkampfsport wurde von den im DSA vereinigten Sektionen der einzelnen Fachgebiete betreut. Am 14. 4. 1957 [S. 337]wurde der „Deutsche Turn- und Sportbund“ (DTSB) gebildet, der alle Aufgaben des damit aufgelösten DSA übernahm. Die Sektionen des DSA wurden in Fachverbände des DTSB umgewandelt. Präsident des DTSB wurde Rudi ➝Reichert, der frühere Leiter des DSA. Der DTSB übernahm außerdem vom Komitee für Körperkultur und S. alle Aufgaben der fachlichen Leitung und Finanzierung. Die Industrie-S.-Vereinigungen nach sowjetischem Muster bilden die Grundlage des S. Sie sind selbständige Organisationen der Gewerkschaften, die 10 v. H. des gesamten Beitragsaufkommens für den S. verwenden müssen. Sie heißen für alle Sportarten:

  • Aktivist (IG Bergbau)
  • Aufbau (IG Bau Holz)
  • Empor (IG Handel)
  • Einheit (IG VBV)
  • Fortschritt (IG Textil)
  • Chemie (IG Chemie)
  • Lokomotive (IG Eisenbahn/Verkehr)
  • Medizin (IG Gesundheitswesen)
  • Motor (IG Metall)
  • Post (IG Post)
  • Rotation (IG Druck u. Papier)
  • Stahl (IG Metallurgie)
  • Traktor (IG Land u. Forst)
  • Turbine (IG Energie)
  • Wismut (IG Wismut)
  • Wissenschaft (IG Erziehung, Lehrer)

 

Außerdem gibt es die S.-Vereinigungen „Vorwärts“ und „Dynamo“ der Nationalen Volksarmee und der VP.

 

Die Grundeinheiten der S.-Vereinigungen sind die Betriebssportgemeinschaften (BSG).

 

Den Berufssportler gibt es in der „sozialistischen Gesellschaftsordnung“ nicht. An seine Stelle ist der Staatsamateur getreten. Auf Anweisung des Komitees für Körperkultur und S. sind in vielen S.-Arten „Schwerpunkte“ gebildet worden. Hier werden die Spitzensportler unter besonders qualifizierten Trainern zusammengezogen. Die Spitzensportler erhalten, ohne zu arbeiten, hohe Gehälter und genießen als „Repräsentanten der DDR“ eine Vorzugsstellung und besondere Verehrung. Dafür müssen sie sportliche Rekorde leisten bis 1960 sollen sämtliche deutschen Rekorde im Besitz der „DDR“ sein — und sich als Agitatoren für die Politik der SED betätigen.

 

Zur„Hebung des Leistungsniveaus“ ist 1952 eine einheitliche S.-Klassifizierung der „Demokratischen S.-Bewegung“ beschlossen worden als ein „Hebel, mit dem die Demokratische S.-Bewegung die Erfüllung ihrer Aufgaben im Kampf des deutschen Volkes um den Frieden, die Herstellung der demokratischen Einheit Deutschlands und die Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung beschleunigt“. Diese Klassifizierung, die durch „breite Popularisierung unter allen Sportlern zu einer Massenbewegung zur Erfüllung der Klassennormen“ entwickelt wurde, sieht folgende Titel und Leistungsklassen vor:

 

Verdienter ➝Meister des S., Meister des S., Sportler 1., 2. und 1. Klasse. In die Leistungsklassen werden Sportler aufgenommen, die die für die entsprechende Klasse aufgestellte Norm erfüllen und das S.-Leistungsabzeichen besitzen. (Auszeichnungen)

 

Der Förderung des Wehrsports dient das dem entsprechenden sowjetischen Wehrsportabzeichen nachgebildete S.-Leistungsabzeichen „Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung des Friedens“. Geländemarsch, Hindernislauf und Kleinkaliberschießen gehören zu den Übungen für Männer, Frauen und Jugendliche. Die eigentliche Wehrertüchtigung ist Aufgabe der am 7. 8. 1952 gegründeten Gesellschaft für ➝Sport und Technik (GST). Gemäß Ministerratsbeschluß vom 26. 3. 1959 (GBl. I, S. 279) soll in jedem Jahr die 4. Woche des Juni als „Woche der Jugend und der Sportler“ begangen werden. Durch S.-Veranstaltungen sollen die Jugendlichen über den aktiven S. zur Parteiarbeit herangezogen werden.

 

Die Aufgabe der sog. Demokratischen S.-Bewegung besteht neben der einer Massenorganisation vor allem in der „gesamtdeutschen Arbeit“. Der gesamtdeutsche Sportverkehr ist ein wichtiges Mittel der Agitation gegen den „Bonner Adenauer-Staat“.

 

Über den S. sucht die SBZ internationale Anerkennung zu finden. Mehrere Fachverbände des DTSB sind inzwischen in die internationalen S.-Verbände aufgenommen worden. Auch das Nationale Olympische Komitee wurde 1955 provisorisch mit der Auflage anerkannt, daß unter Einigung mit dem NOK der Bundesrepublik nur eine deutsche Mannschaft an den Olympischen Spielen teilnehmen darf. In Übereinstimmung mit der auf staatsrechtliche Anerkennung gerichteten Politik werden in allen Publikationen der SBZ gesamtdeutsche Mannschaften und gesamtdeutsche Meisterschaften abgelehnt: „Meister von Gesamtdeutschland ist ein Luftgebilde, eine Fiktion, solange die bewußte Trennung unserer beiden Staaten infolge der politischen Maßnahmen des Westens Bestand hat, solange sich keine Verwirklichung unseres Vorschlages absehen läßt, eine deutsche Konföderation zu bilden, solange im Ge[S. 338]genteil Bonn zum Atomangriffskrieg rüstet und den kalten Krieg mit Hilfe von Spionage- und Agentenzentralen gegen unsere Republik weiter betreibt“ („Neues Deutschland“ vom 6. 12. 1957)

 

Literaturangaben

  • Kortenberg, Walter: Der Sport in der sowjetischen Besatzungszone. (BB) 1954. 198 S. m. 15 Anlagen.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Fünfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1959: S. 336–338


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.