DDR von A-Z, Band 1959

Sport und Technik, Gesellschaft für (GST) (1959)

 

 

Siehe auch:


 

Organisation zur vormilitärischen Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen beiderlei Geschlechts. Gegründet durch Regierungsverordnung vom 7. 8. 1952 als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Beitritt vom 14. Lebensjahr an wird angestrebt. Die GST unterstand bis 1. 3. 1956 dem Innen-, nun dem Verteidigungsministerium, das auch die hauptamtlichen Funktionäre besoldet. 1. Sekretär: Richard ➝Staimer.

 

Die GST soll ihren Mitgl. „militärische Grundkenntnisse auf den Gebieten des Segel- und Motorflugsportes, des Flugmodell- und Fallschirmsportes sowie des Motor- und Seesportes, des Schieß- und Geländesportes und des Amateurfunkens als Massensport vermitteln“. Sie soll „die Regierung der DDR bei der Organisierung der bewaffneten Verteidigung der Heimat und des sozialistischen Aufbaus unterstützen“. So hieß es im I. Statut der GST vom August 1952. Da die motorsportlichen und technischen Möglichkeiten lockten und auf eine offene Bindung an die SED verzichtet wurde, hatte die GST bis Ende 1952 einen sehr starken Zulauf. Die Einführung einer Pflichtausbildung in Schießen und Geländedienst und einer Art Politschulung drosselte den Zulauf und brachte Austritte. Dennoch veranlaßte die SED das 2. Statut vom November 1954, das den militärähnlichen Charakter der GST verstärkte und sie „der Führung der Arbeiterklasse und ihres Vortrupps, der SED“ unterstellte. Das 3. Statut vom Sept. 1956, das seit 21. 2. 1957 in Kraft ist, brachte nichts grundlegend Neues. Doch wird die GST nicht mehr ausdrücklich der SED, sondern dem „Arbeiter-und-Bauernstaat — der DDR“ unterstellt. Zugleich werden die „Erziehung … zum guten Patrioten“ und „enge Zusammenarbeit mit der Nationalen Volksarmee“ statt mit der KVP verlangt.

 

Seit Sommer 1955 wird die GST auch an Normalkaliberwaffen ausgebildet, im Interesse der Luftwaffe werden Segelfliegen und Fallschirmspringen stark betrieben, die Nachrichtentechnik soll allen Waffengattungen zugute kommen. Die Geländekunde und der Felddienst werden oft als Touristik umschrieben. Die Erziehung zum Patriotismus und zum Kommunismus wird in der GST je offener gefordert, je mehr sie ein Werbeplatz der KVP, seit 1956 der Nationalen Volksarmee geworden ist. Die vormilitärische Ausbildung erfolgt oft durch Angehörige der allgemeinen Volkspolizei und zunehmend durch Funktionäre der GST, die schon gediente Reservisten der Volksarmee, der Grenzpolizei oder der Bereitschaftspolizei sind. Seit 1955 darf die GST, obwohl ihre Funktionäre meist älter sind, nur 14- bis 24jährige ausbilden. Die Waffenausbildung der über 24 Jahre alten Männer ist den Kampfgruppen vorbehalten. Einheiten der GST wirken meist an den großen Kampfübungen der Kampfgruppen mit.

 

An der vormilitärischen Ausbildung der Hoch- und Fachschüler liegt der GST besonders. Jede Hoch- und Fachschule hat eine Grundeinheit, wenn auch die Nationale Volksarmee (bis 1955: KVP) die anschließende fortgeschrittene Ausbildung vornimmt. — Nach Vorbereitung durch die 3. Hochschulkonferenz der SED (2. 3. 1958) erließ am 4. 7. 1958 das Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen eine Anweisung (Nr. 113) über die militärische Ausbildung, in der es heißt, sie bilde mit dem Studium eine Einheit. An je einem vorlesungsfreien Nachmittag jeder Woche ist die militärische (d. h. vormilitärische) Ausbildung verbindlich. Ferner sind im Pflichtsport die erforderlichen „militärsportlichen Übungen“ durchzuführen. Nach §§ 3 und 4 der Anordnung müssen die waffenuntauglichen und weiblichen Hochschüler sich bei Luftschutz, Deutschem Rotem Kreuz und Feuerwehr ausbilden lassen; dieser Dienst wird als „Heimatschutz“ bezeichnet. Laut § 7 wirken bei der ges. Ausbildung SED, FDGB, FDJ, GST und Luftschutz mit der Hochschule zusammen. Die Hochschulen weisen (obwohl die betr. §§ der Anw. 113 nicht veröffentlicht sind) die älteren Studentenjahrgänge, die die GST hinter sich haben, geschlossen monatsweise benachbarten Einheiten der Nationalen Volksarmee zur eigentlichen Ausbildung zum Reserveoffizier zu. — Ab 1. 9. 1959 ist die gleiche vormilitärische Ausbildung — mit „Heimatschutz“ und anschließenden geschlossenen Monatslehrgängen bei der Armee — für alle Fachschüler verbindlich.

 

Die GST zählte im Frühjahr 1958 etwa 625.000 nominelle Mitglieder, davon dürften etwa 160.000 aktiv sein. — Sie ist nicht nur eine vormilitärische Erziehungsorganisation, sondern hat mit ihrem aktiven Kern den Charakter einer militärähnlichen Miliz. (Militärpolitik)

 

Literaturangaben

  • Kopp, Fritz: Chronik der Wiederbewaffnung in Deutschland, Rüstung der Sowjetzone — Abwehr des Westens (Daten über Polizei und Bewaffnung 1945 bis 1958). Köln 1958, Markus-Verlag. 160 S.

 

Fundstelle: SBZ von A bis Z. Fünfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1959: S. 338


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.