
Regierung und Verwaltung (1959)
Siehe auch:
[S. 295]Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Mai 1945 übernahm die sowjetische Besatzungsmacht alle Verwaltungsaufgaben in der SBZ. Sie errichtete im Juni 1945 die „Sowjetische Militär-Administration für Deutschland“ (SMAD), die zu ihrer Unterstützung lokale und regionale deutsche Verwaltungen einsetzte. Im Gegensatz zur Entwicklung in der heutigen Bundesrepublik Deutschland wurden in der SBZ jedoch bald die Befugnisse der Kommunal- und Länderbehörden eingeschränkt. Bereits im Juli 1945 befahl die SMAD die Errichtung von „Deutschen Zentralverwaltungen“. Ihre Zahl betrug zunächst 11, stieg aber bis Mitte 1947 auf 16. De facto stellte dieser Apparat bereits eine zentrale sowjetdeutsche Regierung dar.
Zumindest gilt dies aber vom Sekretariat der durch SMAD-Befehl vom 27. 6. 1947 gebildeten „Deutschen Wirtschafts-Kommission“ (DWK), dessen Zuständigkeiten im Frühjahr 1948 eindeutig denen einer Zentralregierung entsprachen. Außerhalb der DWK blieben zunächst bestehen: Die Zentralverwaltungen für Justiz, Gesundheitswesen und Volksbildung, sowie die Zentralverwaltung des Innern, die u. a. für die Remilitarisierung in der SBZ zuständig war. In der DWK entstanden schließlich der „Ausschuß zum Schutz des Volkseigentums“ unter Erich ➝Mielke (als Vorläufer eines Staatssicherheitsdienstes), eine Zentrale Kontrollkommission, ein Informationsamt. Im März 1948 wurden die Zentralverwaltungen zum Teil aufgelöst und als Hauptverwaltungen (HV) umstrukturiert.
Bereits vorher — am 12. 2. 1948 — wurde der DWK von der SMAD das Recht eingeräumt, „gemäß der von der SMAD festgelegten Ordnung Verfügungen und Instruktionen zu beschließen und zu erlassen, die für alle deutschen Organe auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone obligatorisch sind, und ihre Erfüllung zu überprüfen“. Damit wurden auch de jure die Länder- und Kommunalverwaltungen in der SBZ zu bloßen Ausführungsorganen des Zentralapparates degradiert. Nach der Gründung der „DDR“ wurden die Aufgaben der DWK durch das „Gesetz zur Überleitung der Verwaltung“ vom 12. 10. 1949 (GBl. S. 17), unter gleichzeitiger Umbenennung und Umstrukturierung der Hauptverwaltungen in Ministerien, der „Provisorischen Regierung der DDR“ übertragen. An die Stelle der SMAD trat die „Sowjetische Kontrollkommission“ SKK). Die 1950 von der Volkskammer „gewählte“ „Regierung der DDR“ übernahm später nach sowjetischem Muster die Bezeichnung „Ministerrat“. Die wichtigste gesetzliche Grundlage für Struktur und Tätigkeit der Regierung ist neben der auch insoweit weitgehend ausgehöhlten und faktisch aufgehobenen Verfassung das „Gesetz über den Ministerrat der DDR“ vom 16. 11. 1954 (GBl. S. 915), dessen § 3 dem Ministerrat aufgibt: „a) die Tätigkeit der Ministerien und Staatssekretariate mit eigenem Geschäftsbereich und anderer zentraler staatlicher Organe zu leiten, ihre Statuten und Ordnungen zu bestimmen, Berichte über die Erfüllung ihrer Aufgaben entgegenzunehmen, die Struktur der Regierung den Erfordernissen der Durchführung der staatlichen Aufgaben, insbesondere der Volkswirtschaftspläne, anzupassen, und entsprechend seiner Nomenklatur die Mitarbeiter für leitende Staats- und Wirtschaftsfunktionen zu bestätigen;
b) die Entwürfe der Volkswirtschaftspläne und der Staatshaushaltspläne zu beschließen, sie der Volkskammer vorzulegen, sowie Maßnahmen zu ihrer Durchführung und zur Festigung des Kredit- und Währungssystems zu treffen; c) die Durchführung der Gesetze, den Schutz der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung, den Schutz des Volkseigen[S. 296]tums und die Rechte der Bürger zu sichern; d) die Grundsätze für die Tätigkeit der diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Organe zu bestimmen, die die Beziehungen auf diesen Gebieten mit anderen Staaten regeln und pflegen; e) die Arbeit der Räte der örtlichen Organe der Staatsgewalt zu leiten und ihre Struktur den Erfordernissen der Durchführung der staatlichen Aufgaben, insbesondere der Volkswirtschaftspläne, anzupassen.“
Mit diesen Bestimmungen, die in der Regierungspraxis noch willkürlich ausgedehnt wurden, ist das in demokratischen Staaten verpflichtende und ordnende Prinzip der Gewaltenteilung für die SBZ vorbehaltlos verworfen worden. In der Verfassungswirklichkeit unterliegt die Tätigkeit der Regierung und ihrer Glieder weder einer parlamentarischen noch juristischen Kontrolle. Auch die Gesetzesinitiative wird einseitig von der Regierung ausgeübt. Seit der Bildung der Volkskammer hat das Scheinparlament der SBZ nur in wenigen, belanglosen Fällen die Gesetzesinitiative ergriffen.
Von einschneidender Bedeutung für die Regierungs- und Verwaltungstätigkeit in der SBZ ist besonders das im „Gesetz über den Ministerrat“ verankerte Prinzip des Demokratischen Zentralismus, nach dem „alle nachgeordneten Organe den übergeordneten Organen rechenschaftspflichtig und an deren Weisungen gebunden“ sind. Dieses Prinzip wird seit der Verwaltungsneugliederung radikal angewandt. Im Zuge dieser Umstrukturierung des Staatsapparates wurden im Sommer 1952 die Landesregierungen aufgehoben und deren Aufgaben auf die Räte der vierzehn auf dem Gebiet der Länder gebildeten Bezirke übertragen. Die in der Verfassung angedeutete Generalklausel wurde damit zugunsten einer uneingeschränkten Organisationshoheit der Republik in verfassungswidriger Weise ausgedehnt. Die Bezirke sind nicht etwa mit eigenen Verwaltungsfunktionen ausgestattete Bezirkskörperschaften, sondern lediglich unmittelbare staatliche Verwaltungseinheiten. Die Verwaltung der Kreise ist der der Bezirke nachgebildet. Die Räte der Bezirke bzw. Kreise sind mithin regionale „Organe der Staatsgewalt“, deren Arbeit vom Ministerrat geleitet wird und deren Struktur den Erfordernissen zur Durchsetzung der zentralstaatlichen Aufgaben entspricht. Diese Tendenz der Schaffung und Wahrung eines zentralstaatlichen Verwaltungsmonopols kommt auch im „Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht“ vom 17. 1. 1957 zum Ausdruck, dessen § 28 ausdrücklich festlegt, daß die Räte der Bezirke, Kreise, Städte und Gemeinden dem Ministerrat bzw. den jeweils höheren Räten „unterstellt und rechenschaftspflichtig“ sind.
In besonderem Maße treten die zentralistischen Tendenzen im Rahmen der Wirtschaftsverwaltung hervor. Oberste Instanz ist die Staatliche ➝Plankommission, deren Hauptverwaltungen nach Auflösung der Industrieministerien 1958 die gesamte wirtschaftliche, aber auch die soziale und kulturelle Entwicklung in der SBZ bestimmen. Die Staatliche Plankommission hat u. a. folgende Funktionen: Ausarbeitung der Perspektiv- und Jahrespläne, Kontrolle der Durchführung der Pläne, Anleitung und Kontrolle der „Vereinigungen (zentralgeleiteter) volkseigener Betriebe“, Lenkung und Überwachung der „Wirtschaftsräte der Bezirke“, denen wiederum „Vereinigungen (bezirklicher) volkseigener Betriebe“ unterstellt sind. Auf allen Ebenen der Wirtschaftsverwaltung wird seitens übergeordneter Organe eine doppelte Kontrolle ausgeübt. So werden die Plankommissionen der Kreise sowohl durch die Wirtschaftsräte der Bezirke als auch durch gesonderte Abteilungen der (zentralen) Staatlichen Plankommission überwacht und angeleitet.
[S. 297]Alle staatliche Verwaltungsarbeit in der SBZ unterliegt der Lenkung und Kontrolle durch die SED. Nach dem vom IV. Parteitag der SED 1954 beschlossenen Statut der Staatspartei ist die SED „die führende Kraft aller Organisationen der Arbeiterklasse und der Werktätigen, der gesellschaftlichen und staatlichen Organisationen …“ Der führende Staatsrechtler der SBZ, Prof. Dr. Herbert Kröger, hat den Primat der SED im staatlichen Leben der SBZ in einem Gutachten („Zum Staatsaufbau in der Deutschen Demokratischen Republik“, Ost-Berlin, 1954) wie folgt fixiert: „Die … Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ist die führende Kraft aller staatlichen Organisationen … Mit ihrer Hilfe leitet die Arbeiterklasse den Staat … Deshalb gibt es keine grundlegenden, wichtigen staatlichen Maßnahmen ohne vorhergehende richtungweisende Beschlüsse der SED. In den Beschlüssen der SED kommt unmittelbar der Wille der Arbeiterklasse zum Ausdruck. Durch ihre Umsetzung in staatliche Entscheidungen und Anordnungen (Gesetze, Verordnungen, Beschlüsse usw.) wird dieser Wille in staatlichen Willen verwandelt und mit staatlicher Autorität versehen.“ In der Praxis wird die Arbeit der Regierung und ihrer Organe ebenso wie die Tätigkeit aller nachgeordneten Instanzen des Staatsapparates selbst in Detailfragen vom Apparat des ZK der SED, den SED-Bezirks- und Kreisleitungen ständig kontrolliert und gelenkt.
Daneben wird die zentrale staatliche Verwaltung der SBZ in starkem Maße von der sowjetischen Partei- und Staatsführung beeinflußt. So nimmt der sowjetische Botschafter in Ost-Berlin an allen Sitzungen des Präsidiums des Ministerrates der SBZ teil. Zum anderen unterliegt die Wirtschaftsplanung und Wirtschaftsverwaltung der SBZ den Weisungen des von der sowjetischen Gosplan-Kommission geleiteten Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (Comecon).
Die wichtigsten Regierungsämter der SBZ sind wie folgt besetzt:
Ministerpräsident und Vors. des Ministerrates: | Otto ➝Grotewohl (SED) |
Erster Stellv. des Vors. des Ministerrates: | Walter ➝Ulbricht (SED) |
Stellv. des Vors. des Ministerrates: | Dr. Lothar ➝Bolz (NDPD) |
Paul ➝Scholz (DBD) | |
Bruno ➝Leuschner (SED) | |
Max ➝Sefrin (CDU) | |
Dr. Hans ➝Loch (LDPD) | |
Willi ➝Stoph (SED) | |
Heinrich ➝Rau (SED) | |
Vors. der Staatlichen Plankommission: | Bruno ➝Leuschner (SED) |
1. Stellv. des Vors.: | Kurt Gregor (SED) |
Stellv. des Vors.: | August Duschek (SED) |
Fritz ➝Selbmann (SED) | |
Walter Hieke (SED) | |
Dr. Marg. Wittkowski (SED) | |
Mitglieder der Staatlichen Plankommission (teilweise im Ministerrang): | |
Rudolf Steinwand (SED) | |
Hermann Große (SED) | |
Prof. Dr. Werner Winkler (SED) | |
Georg Henke (SED) | |
Helmut Wunderlich (SED) | |
Friedrich Macher (SED) | |
Joachim Wolf (SED) | |
Willi Georgino (SED) | |
Dr. Wilh. Feldmann (NDPD) | |
Anton ➝Ackermann (SED) | |
Hermann Streit (SED) | |
Erwin Freyer (SED) | |
Vors. der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle: | Ernst ➝Wabra (SED) |
[S. 298]Minister für Nationale Verteidigung: | Willy ➝Stoph (SED) |
Minister für Staatssicherheit: | Erich ➝Mielke (SED) |
Minister des Innern: | Karl ➝Maron (SED) |
Minister für Ausw. Angelegenheiten: | Lothar ➝Bolz (NDPD) |
Minister der Finanzen: | Willi ➝Rumpf (SED) |
Minister für Außenhandel und Innerdeutschen Handel: | Heinrich ➝Rau (SED) |
Minister für Handel und Versorgung: | Curt-Heinz Merkel (SED) |
Minister für Land- und Forstwirtschaft: | Hans ➝Reichelt (DBD) |
Minister für Gesundheitswesen: | Max ➝Sefrin (CDU) |
Minister für Verkehrswesen: | Erwin ➝Kramer (SED) |
Minister für Post- und Fernmeldewesen: | Friedrich ➝Burmeister (CDU) |
Minister für Bauwesen: | Ernst ➝Scholz (SED) |
Minister für Volksbildung: | Prof. Dr. Alfred ➝Lemmnitz (SED) |
Minister für Kultur: | Alexander ➝Abusch (SED) |
Minister für Justiz: | Dr. h.c. Hilde ➝Benjamin (SED) |
Leiter des Komitees für Arbeit und Löhne: | Walter Heinicke (SED) |
Präsident der Deutschen Notenbank: Prof. | Martin ➝Schmidt (SED) |
Staatssekretär für Hoch- und Fachschulwesen: | Dr. Wilhelm ➝Girnus (SED) |
Staatssekretär für Erfassung und Aufkauf landwirtschaftl. Erzeugnisse: | Helmut Koch (SED) |
Staatssekretär für die Verwaltung der Staatsreserve: | Kurt Stoph (SED) |
Staatssekretär für Kirchenfragen: | Werner ➝Eggerath (SED) |
Leiter des Staatl. Rundfunkkomitees: | Prof. Dr. Hermann ➝Ley (SED) |
Leiter des Presseamtes beim Ministerpräsidenten: | Kurt ➝Blecha (SED) |
Vors. des Staatl. Komitees für Touristik und Wandern: | Gerhard Wenzel (SED) |
Vors. des Staatl. Komitees für Körperkultur und Sport: | Manfred Ewald (SED) |
Vors. des Ausschusses für Deutsche Einheit: | Dr. Hans ➝Loch (LDPD) |
Leiter des Amtes für Kernforschung und Kerntechnik: | Karl Rambusch (SED) |
Leiter der Staatl. Zentralverwaltung für Statistik: | Heinz Rauch (SED) |
Vors. des Forschungsrates: | Prof. Dr. Peter-Adolf Thiessen (parteilos) |
Leiter der Regierungskommission für Preise: | Rudolf Lorenz (SED) |
Leiter des Amtes für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs: | Anton Ruh (SED) |
Präsident d. Kammer f. Außenhandel: | Fritz Koch (SED) |
Präsident des Obersten Gerichts: | Dr. h. c. Kurt ➝Schumann (NDPD) |
Generalstaatsanwalt: | Dr. Ernst ➝Melsheimer (SED) |
Vors. des Staatl. Vertragsgerichts: | Dr. Osmar Spitzer (SED) |
Literaturangaben
- Duhnke, Horst: Stalinismus in Deutschland — Die Geschichte der sowjetischen Besatzungszone (Rote Weißbücher 15). Köln 1955, Kiepenheuer und Witsch. 378 S.
- Friedenau, Theo: Rechtsstaat in zweierlei Sicht — Rechtstheorie und Rechtsausübung im demokratischen und totalitären Machtbereich … Berlin 1957, Verlag für internationalen Kulturaustausch. 206 S.
- Friedrich, Gerd, und Heinrich von Zur Mühlen: Die Pankower Sowjetrepublik und der deutsche Westen (Rote Weißbücher 10). Köln 1953, Kiepenheuer und Witsch. 153 S.
- Lukas, Richard: 10 Jahre sowjetische Besatzungszone … Mainz 1955, Deutscher Fachschriften-Verlag. 215 S.
- Nettl, J. Peter: Die deutsche Sowjetzone bis heute — Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1953, Verlag Frankfurter Hefte. 464 S.
- SBZ von 1945 bis 1954 — Die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands in den Jahren 1945 bis 1954 (gesichtet und zusammengestellt von Fritz Kopp). (BMG) 1956. 364 S. m. 9 Anlagen u. 1 Karte.
- SBZ von 1955 bis 1956 — Die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands in den Jahren 1955 bis 1956. Ergänzungsband zu SBZ von 1945 bis 1954 (zusammengestellt und bearbeitet von Fritz Kopp und Günter Fischbach). Bonn 1958. 255 S. m. 3 Anlagen.
- Schütze, Hans: Mitteldeutschlands Weg zur Volksdemokratie (hrsg. v. d. Niedersächs. Landeszentrale f. Heimatdienst). Hannover 1957. 78 S., 2 Taf.
- Schütze, Hans: „Aufbau des Sozialismus“ in Mitteldeutschland (hrsg. von der Niedersächs. Landeszentrale für Heimatdienst). Hannover 1959. 108 S.. 3 Taf.
- Unrecht als System — Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet. (BMG) 1952. 239 S.
- Unrecht als System, Bd. II — Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet 1952 bis 1954. (BMG) 1955. 293 S. Eine englische, eine französische und eine spanische Ausgabe bringen die in Bd. I zusammengestellten Dokumente.
- Unrecht als System, Bd. III — Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet 1954 bis 1958. (BMG) 1958. 284 S.
- Grottian, Walter: Das Sowjetische Regierungssystem (Die Wissenschaft von der Politik, Bd. 2). Köln 1956, Westdeutscher Verlag. Text 188 S., Quellenteil 168 S.
Fundstelle: SBZ von A bis Z. Fünfte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1959: S. 295–298